Caroline von Weber to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, Friday, November 25, 1836

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Habt Ihr es nicht ganz darauf angelegt meine geliebten Kinder, dass ich meine Briefe an Euch nur immer damit beginnen muss Euch zu danken? zu danken für so viele Beweise der innigen Liebe und Freundschaft? Ihr guten Menschen! könnte ich Euch nur einmal dafür recht herzlich umarmen, und Ihr es in meinen Augen lesen wie glücklich Eure Theilnahme mich macht! Dies mal Ihr Lieben waren es aber fast der freundlichen Spenden zu viel, und ich wüsste nicht worüber ich mich zuerst freuen sollte, wie ich jetzt auch nicht weiss wofür ich zuerst Euch danken soll. Als hätte der Heilige Christ beschert, so sah es in meinem kleinen Stübchen aus, denn ich hatte alles vor Webers Bilde schönstens aufgeputzt, Ihm verdanke ich ja Eure Liebe, Er musste sich also auch mit freuen.

Hatte ich mich aber über all die schönen Sachen gefreut wie viel mehr freute ich mich noch als ich Eure lieben Briefe lass. Laut auf schrie ich bey der frohen Nachricht die sie enthielten, und Vater und Mutter Jähns standen mit ihren, vor Wonne leuchtenden Bliken lebhaft vor meiner Seele. Gott segne Euch Ihr lieben Eltern und lasse den zarten Keim zur schönen Freudensfrucht für Euch heranreifen. Ich kann mir es recht lebhaft denken welches Glük, welche Wonne die Erfüllung des heissesten Wunsches über Euer Leben ausgegossen hat; wie zufrieden und froh meine kleine Ida, wie stolz und würdevoll mein grosser Vater Wilhelm ist. Lasst es mich Euch nur gestehen Ihr Lieben, ich bilde mir ein, der kleine, zu erwartende Musikmensch, ist ein ehrlicher Loschwitzer*, und ich rathe Euch, alle Jahre zu einer Reise zu unsern lieben Bergen, damit das kleine Papageno Heer bald vollzählig werde.

Dass Ihr mir gestatten wollt die Stellvertreterin des geliebten Heimgegangenen bey der Taufe Eures Kindes zu sein, hat mir viele, viele Freude gemacht, und gewiss wird Sein Geist die Wesen liebend umschweben die sich mit ihm, in der Liebe zu uns, ja schon so lange vereinten, und seine schönsten Gaben wird er Euren lieben Kinde als Pathengeschenk einbinden*. Wenn aber, wie bisher, Webers Talend auf seinen Pathen übergeht, und der kleine Jähns nun auch noch die Eigenschaften des Vaters mit auf die Welt bringt was wird dass dann für ein Kind werden?!!! Schreien wird es nicht sondern singen wie die Sontag, nicht wie andere Kinder ungeschikt mit den Händchen sich das Gesicht zerkratzen, sondern gleich eine Sonate von Weber spielen. Statt Milche, verlangt er Tinte um sogleich innerlich zu komponieren, und den Zulp gestattet er nur weil er aussieht wie eine grosse Note. Kurz dieser kleine Musik-Messias wird unerhörten Spektakel machen wenn – es kein Mädchen ist!!! —

Wenn Ihr aber glaubt meine Kinder ich könnte im May nach Berlin kommen, ach da irrt Ihr Euch! kann der Bursche seine Ankunft nicht bis zum August verschieben, dann können nur meine Wünsche bey Euch sein. — Die Osterferien kann ich zu keiner Reise benutzen weil Max konfirmiert wird, und aus den Stunden will und darf ich meine Kinder so lange nicht nehmen, das würde zu viel Nachtheil bringen, Ich muss meine Sehnsucht, Euch und die Freunde, zu sehen schon bis zum August bekämpfen damit ich sie ohne Vorwurf geniessen kann.

Von Freund Lichtenstein habe ich noch keine Zeile erhalten, aber so sehr ich mich darnach sehne mögte ich ihn doch nicht darum plagen, denn bey seiner beschränkten Zeit wäre das wohl Sünde. Bitte grüsst Ihn herzlich herzlich von mir, und schreibt Ihr mir immer wie es ihm geht, ich freue mich ja immer so sehr wenn ich etwas von ihm erfahre.

Ueber die mitgeschikten Musikstüke, die von Weber sein sollen habe ich mich schwer geärgert. Es ist doch warlich zu arg solchen Missbrauch zu treiben. Ich sprach mit Winkler darüber der meint aber es wäre nichts dagegen zu machen. Sie fragen ob ich den Verfasser kenne? Nein Gott lob! Diesen, mehr als Dieb kenne ich nicht! aber ich wollte ich könnte ein klein wenig hängen lassen. Les Adieux ist auch nicht von Weber wenigstens kenne ich es nicht, und natürlich ist es nicht von uns bezogen*. Muss man sich wirklich das Alles gefallen lassen? Könnte man nicht Herrn Rollstab ersuchen die Sache in einigen Musikalischen Zeitungen zu beleuchten?* Winkler ist — zu beschäftigt, mit dem ist nichts zu machen. Wie steht es den bester Jähns, mit den, von Ihnen mitgenommenen Sachen? glauben Sie noch etwas davon benutzen zu können? Ich muss Winkler davon unterrichten damit er nicht glaubt ich machte Geschäfte hinter seinen Rücken*. —

Ihre kleinen Aufträge meine gute Ida hoffe ich bestens besorgen zu können aber leider erst wieder wenn Jahrmarkt ist, dann komt der Leineweber, der den grossen Vorrath von Baumwolle verarbeiten soll, und auch der Mann der die Dekenbaumwolle zu verkaufen hat, hieher. Leider habe ich aber vergessen wie viel Pfund ich kaufen soll, bitte schreiben Sie mir das. Die Mantelwatte für den kleinen Liliputaner könnten Sie eher haben, aber es ist wohl besser die Kiste geht mit den ganzen Transport zurük. Ich muss Sie dabey darauf aufmerksam machen dass das, aus der Baumwolle gewebte Zeuch, für den kleinen Prinzen zu Jäkchen und Röckchen nicht passend sein wird. Der muss ganz extra feine Sachen bekommen da mag Vater Jähns nur herausrücken. Ueberhaupt wird er sich manchmal wundern, und hinter den Ohren krausen wenn er sehen wird was so ein kleiner Weltbürger für einen Unterschied in der Wirthschaft macht! aber das schadet nicht, denn, giebt Gott Kinder, giebt er auch Rinder! Der gute Rothe hat sich herzlich über Ihr liebes Geschenk gefreut, er wollte mir auch ein paar Zeilen des Dankes an Sie schiken, aber kommen sie heute nicht, so wandert dieser dike Brief allein und die Rothischen Danksagungen mögen nachkomen. Meine Jungen grüssen küssen und danken ebensfalls. Max arbeitet fleissig an dem geschenkten Fernrohr und denkt dabey mit Liebe des Gebers. Alex hatte einen Liebesbrief erwartet von dem angebeteten Mohr und war traurig dass es nichts war. — Uebrigens sind sie Gott lob! gesund, munter, und ungezogen, und freuen sich wie die Narrn auf die Reise zum Lichtenstein und zum Bruder Jähns. Nun ich freue mich eben so wie die Jungen nur mit dem Unterschied dass ich nur innerlich auf einen Bein bey dem Gedanken hüpfe und die Jungens es äusserlich thun. Nun Gott segne Euch meine Lieben und Erhalte Euch den rosigen Schein des Glükes und der Freude worin Ihr jetzt lebt. Meine Ida möge recht vorsichtig sein und sich nicht zu viel zumuthen auch nicht zu viel sitzen und den Jungen Mützen nähen. Vor allen möge Sie heiter und guten Muthes sein, dann wird Sie Ihren Kinde das schönste Erbtheil schenken, ohne welches keine Gabe des Glükes erfreut.

Ich umarme Euch meine guten Kinder, und bitte behaltet liebEure Mutter
Weber.
1000 Grüße Ihrer Familie.

Editorial

Summary

dankt für Geburtstagsgeschenke und freut sich mit Ida, dass sie Mutter wird; sie bildet sich ein, dass der kleine Musikmensch ein Loschwitzer ist; nimmt dankend die Taufpatenschaft an, kann aber nicht nach Berlin kommen, weil Max die Firmung erhält; äußert sich zu Musikstücken, die von Weber sein sollen, die ihr J. geschickt hat; schlägt vor, dass Rellstab sich öffentlich dazu äußern solle; fragt nach den Sachen, die sie ihm mitgegeben hat, ob er etwas davon gebrauchen könne; sie müsse Winkler davon unterrichten, damit er nicht glaubt, sie mache Geschäfte hinter seinem Rücken; des weiteren persönliche Mitteilungen an Ida über die Kinder

Incipit

Habt Ihr es nicht ganz darauf angelegt

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 14

    Physical Description

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 15 des Konvoluts)
    • 6 S.

Text Constitution

  • “lass”sic!
  • “… Zeile erhalten, aber so sehr”vierfach unterstrichen
  • “… Bitte grüsst Ihn herzlich herzlich”dreifach unterstrichen

Commentary

  • “… , ist ein ehrlicher Loschwitzer”Anfang August 1836 besuchte das Ehepaar Jähns drei Tage Loschwitz, wo auch Caroline von Weber ihr Sommerquartier hatte; vgl. Jähns, Familiengemälde, S. 134.
  • “… lieben Kinde als Pathengeschenk einbinden”Am 21. Mai 1837 wurde Max Jähns getauft; erste Taufpatin (in Abwesenheit) war Caroline von Weber.
  • “… es nicht von uns bezogen”Die Weber unterschobene Klavier-Fantasie Les Adieux (JV Anh. 105) war im Sommer 1836 von Schuberth & Niemeyer, Hamburg/Leipzig/Itzehoe, publiziert worden. Sie war wohl der Grund für die Anfrage von Jähns bei Caroline von Weber. Offenbar übersandte Jähns dabei noch andere bezüglich der Autorschaft fragliche Werke, allerdings werden diese hier nicht ausdrücklich benannt.
  • “… einigen Musikalischen Zeitungen zu beleuchten?”Rellstabs sehr freundliche Besprechung erschien am selben Tag in: Iris im Gebiete der Tonkunst, Jg. 7, Nr. 48 (25. November 1836), S. 189f. Er meinte darin die „gesundere freiere Eigenthümlichkeit“ der späteren Klavierwerke Webers zu erkennen, glaubte aber nicht, dass der Titel von Weber sei. Insgesamt blieb Rellstab skeptisch und schloss die Rezension: „Wie wiederholen daher unsern Wunsch, daß uns jemand unter dem berühmten Namen getäuscht haben und mit seinem eigenen hervorrücken möchte. Derselbe würde bald selbst ein berühmter werden.“ Die kurze Besprechung in der AmZ, Jg. 38, Nr. 44 (2. November 1836), Sp. 731 stellt die Autorschaft nicht infrage.
  • “… machte Geschäfte hinter seinen Rücken”Vermutlich bezogen auf die Publikation ungedruckter Werke Webers; vgl. dazu auch die drei folgenden Briefe vom 20. Januar, 21. Februar sowie vom März/April 1837. Einige „Nachgelassene Werke“ Webers publizierte Jähns erst 1839/40 bei Schlesinger in Berlin.

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