Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Pillnitz, Mittwoch, 16. August 1848
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- 1848-08-17: to Jähns
Meine lieben Kinder!
Gleich nach Empfang Eures lieben Briefes wollte ich Euch schreiben, und einliegenden Brief mitschicken aber ich hatte all unsere Papiere, der Sicherheit wegen, während meiner Abwesenheit unsern guten Brauer in Verwahrung gegeben, und der hatte auch einmal eine Reise in’s Gebirge unternomen um sich den Unterrichtsstaub abzuschüttlen, und ich musste desshalb erst seine Zurückkunft abwarten. Wilhelms Brief stellt leider ein trübsehlig Bild auf, aber was wir seit gestern, wo Eure Königin hier ist, von deren Gefolge hörten, (über die Berliner Zustände,) finde ich Wilhelms Ansichten, und Befürchtungen noch weit davon übertroffen was die höchsten Herrschaften selbst von der nächsten Zukunft erwarten. Nun, Gott gebe es gnädig! wenn der Sturm die Eichen knikt, müssen wir armen, niedern Gesträuche uns nicht wundern wenn wir auch entblättert werden.
Mit Marichens, und Nettchens Gesundheit geht es gut und zu Anfang September will sie nach Chemnitz zurükkehren. Ich werde ihr mitte Oktober dahin folgen um sie in ihrer schweren Stunde zu pflegen. Ach nur nicht wieder solche schrekens Stunden wie das Erstemal! Das konnte ich sicher nicht mehr aushalten denn dieses letzte Jahr, voll Sorgen und Aufregungen hat sehr an meiner Gesundheit gerüttelt, so dass selbst die herrliche Luft hier nicht die Spuren meines Unwohlseins verwischen können. Der garstige Schnupfenstoff hat sich jetzt leider auf mein, ohnehin schon krankes Auge geworfen, und es macht mic[h] oft recht besorgt dass die Entzündung gar nicht weichen will. Nun, ich bleibe ja noch fast 4 Wochen hier, und die Ruhe hier wird wohl die ganze alte Maschiene wieder in den Gang bringen damit sie wieder einen Puff vertragen kann.
So bald Schlesinger zurück kömt mein guter Jähns, so betreibt meine Angelegenheit ernstlich, und lasst Euch mit der Zahlung nicht hinausschieben. Will er nicht zahlen so soll ihn der Advokat, welchen die Sache übergeben ist, verklagen. Ich habe es satt mich mit ihm herum zu quelen. Wenn Sie ihn sprechen, und er wieder sich nach gewohnter weise benimt, so lassen Sie ihn merken dass ich in Webers Biographie sein Benehmen gegen dessen Hinterlassene gewiss erwähnt werden würde, zur Schande für sein Haus, für alle Zeiten. Sagen Sie ihm nur ich‡ hätte Ihnen das gesagt und würde gewiss mein Wort halten. Uibrigens bin ich fest entschlossen bey dieser Angelegenheit unser Recht zu vertheidigen und sollte ich desshalb mich an den König selbst wenden. Aber mein guter Wilhelm ich muss Sie nochmals bitten wegen unserem‡ Plänen für die Biographie noch mit keinen Menschen zu sprechen, denn ich müste doch hier erst die angeknüpften Fäden wieder lösen ehe man von neuen spräche*. Ich war erstaunt dass Sie Nettchen etwas davon gesagt hatten, denn die sollte grade gar nichts davon wissen.
Die nun länger werdenden Abende werde ich zum Aufzeichnen meiner Erinnerungen benutzen wenn es mir erst mein armes Auge erlaubt. Die Tagebücher wird Max mitbringen wenn er Nettchen nach Chemnitz begleite[t]. Ich schicke Ihnen dann auch das, von Meyerbeer aufgezeichnete Verzeichniss der Personen von welchen wir noch Beyträge erwarten können*. Wenn uns der liebe Gott gnädig ist, und die Verhältnisse es künftigen Somer erlauben, habe ich im Sinn ein kleines Haus in Hosterwitz zu mithen, nahe bey dem, wo ich mit Weber wohnteT, und dann muss Ida auf ein paar Monate hieher komen mit den Kindern, das wird Ihr gewiss die wankende Gesundheit kräftigen, und uns beiden Gelegenheit geben in der Erinnerung an vergangene, schöne Zeiten zu schwärmen. Wilhelm bringt dann villeicht auch ein paar Wochen seiner Ferien hier zu, und macht Partien in noch unentdeckte Gründe.
Aber ach! kann man jetzt Pläne machen für den nächster Somer? wird man ihn erleben? und wie? und wo? Nun, wenn die Gegenwarth trübe, und traurig ist, so muss man mit hoffenden Blick in die Zukunft schauen, sonst wäre Manches ja gar schwer zu tragen. — Schreibt mir nur recht oft und viel Ihr lieben damit die geistigen Fäden unserer Herzen sich immer fester und enger knüpfen.
Ach was bliebe wohl noch im Leben wenn wir den Trost der Freundschaft entbehren müssten!! Gott sey mit Euch Ihr Lieben. Es umarmt Euch herzlichEure
Mutter Weber.
Editorial
Summary
bittet ihn, wegen der Biographie‑Pläne mit keinem Menschen zu sprechen, sie wird die Winterabende nutzen, ihre Erinnerungen aufzuschreiben; die Tagebücher wird Max mitbringen, wenn er seine Frau nach Chemnitz begleitet; sie hat die Absicht, im nächsten Jahr ein Häuschen in Hosterwitz zu mieten in der Nähe des von ihr mit Weber bewohnten, sie hofft, dass sie beide dorthin kommen werden
Incipit
“Gleich nach Empfang Eures lieben Briefes wollte ich”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler; Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 116Physical Description
- masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 116 des Konvoluts)
- 4 S.
- am Kopf die Notiz: “Empfangen den 18ten August. 1848.”
Corresponding sources
-
Weberiana 25 (2015), S. 23f. (Auszug)
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“… Sagen Sie ihm nur ich”dreifach unterstrichen
-
“unserem”sic!
Commentary
-
“… ehe man von neuen spräche”Zunächst gab es Pläne, dass Eduard Devrient die Biographie Webers schreiben solle, nun favorisierte Caroline von Weber Jähns als Autor; vgl. dessen Brief vom Juli 1848.