Georg August von Griesinger an Carl August Böttiger in Dresden
Wien, Samstag, 13. April 1822
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Die erste Vorstellung der italienischen Oper Zelmira* ist vollkommen gelungen, und hat die hoch gespannte Erwartung ganz befriedigt. Vom Texte läßt sich nicht viel sagen; er enthält eine gewöhnliche und ziemlich verwirrte Geschichte eines Usurpators, der seinen Plaz dem rechtmäßigen Regenten wieder abtreten muß, giebt aber Stoff zu dramatischen Situationen, zu leidenschaftlichen Scenen und TheaterEffekten, über denen man es mit den Unwahrscheinlichkeiten der Fabel weniger streng nimmt. – Die Musik hat nur wenig Anklänge von der gewöhnlichen Rossinischen, sie ist voll Kraft, den Worten anpaßend, und ich glaube, daß sie gewinnen muß je öfter man sie hört. Die Oper hat keine Ouvertüre, sondern nach ein paar Akkorden geht der Vorhang auf, und rapimus‡ in medias res durch einen Chor. Es traten in dieser Oper ein Sänger und zwei Sängerinnen auf, die man hier nie gehört hatte; Ambrogi (als Polidoro, re di Lesbo) ein voller wohlklingender Baß, David (Ilo, principo di Troja) ein Tenor von außerordentlicher Stärke der das ganze Haus füllt; sein Auftritt ist äußerst brillant, er hat die Hauptrolle, und riß auch am meisten zu Bewunderung hin; Nozzari (Antenore) ein herrlicher baritono mit richtiger und ausdruksvoller Declamation, | Botticelli (Leucippo) auch guter baritono, Mslle. Ekerlin (Emma) im Conservatorio zu Mailand gebildet, ein anmuthiger Sopran und schöner Vortrag.‡ Mad. Rossini, geb. Colbran (Zelmira) von bekannter Kunstfertigkeit, schien uns ihre Stimme etwas schwach, und sie machte fast weniger […]‡ als die übrigen. Das Orchester (15 Veteranen deßelben wurden entlassen und mit jungen feurigen Leuten ersezt) war vortrefflich ein‡gespielt, die Scenerei und Kleidungen befriedigten das strengste Auge, die Chöre und Comparsen füllten die ganze Bühne. Ein so vollendetes Ganze war hier seit Marchesi und Crescentini nicht gesehen und gehört worden; das Publikum war auch im höchsten Grade elektrisirt. Das Klatschen nahm kein Ende, und der Jubel wurde mehr ge[…]‡ als gerufen. Nach dem Schluße des ersten Akts mußte sich Rossini zeigen; er kam mit seiner Frau, Mslle. Ekerlin, David, Nozzari und‡ Ambrogi, nach dem 2ten Akt kam er zuerst allein, und nachher wieder mit den andern virtuosi. Kronen und Gedichte wurden gespendet. Rossini, ein anspruchsloser jovialer Mann, dankte als alles vorüber war, dem ganzen Orchester, den Regisseurs und allen‡ die bei der Anordnung seiner Oper thätig gewesen waren. Möchten‡ unsere deutschen Operisten von der Anwesenheit der italienischen Nuzen ziehen! sie haben viel, sehr viel von ihnen zu lernen, dem Publikum ist es nicht zu verargen, wenn es ausgezeichnete Talente‡ | von mittelmäßigen unterscheidet.
Am 14ten den Tag nach der ersten öffentlichen Oper sang Rossini am Clavier mit seiner Gesellschaft Abends bei dem Prinzen v. Salerno, wo alle Erzherzoge zugegen waren. Gestern war die 2te Aufführung der Oper und morgen soll die 3te seyn; alle Logen und gesperrten Size waren schon seit acht Tagen in Beschlag genommen. – Mad. Rossini zeichnete sich in der 2ten Vorstellung weit mehr aus als in der ersten, sie sang herzhafter. Der ungetheilteste lärmendste Applaus wurde auch der 2ten Vorstellung gegeben.
Leben Sie wohl.
Ihr
Gr.
Editorial
Summary
über die erste Vorstellung von Rossinis “Zelmira” in Wien und die Sängerinnen und Sänger sowie über Rossini
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
Text Constitution
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“Vortrag.”uncertain transcription
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illegible
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“ein”uncertain transcription
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illegible
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“und”uncertain transcription
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“allen”uncertain transcription
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“Möchten”uncertain transcription
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“Talente”uncertain transcription
Commentary
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“… Vorstellung der italienischen Oper Zelmira”Am 13. April 1822.
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“rapimus”recte “rapidus”.