Friedrich Wilhelm Jähns an Carl Baermann sen. in München
Berlin, Mittwoch, 14. Mai 1879

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Mein lieber Freund Baermann!

Daß wir beide noch leben bei diesem Lächeln grinsenden Schauder-Mai, der nun schon seit Neujahr andauert, ist doch wahrlich ein wahres Wunder! Ich habe zwar manchen elenden Winter und Frühling durchgemacht, aber etwas derartig Schnödes wie die diesmaligen noch niemals! Bis Anfang dieses Wonnemonds hatte ich mich ziemlich tapfer gewehrt — dann aber packte mich eine recht malitiöse Grippe, die mich bis heut noch unverändert cujonirt — kurz! — Doch was hilft alles toben, wir müssen ja dulden, was uns auferlegt ist; dazu sind wir nun einmal da! — Und wie mag’s nun Ihnen, mein lieber guter Herzensfreund, seither ergangen sein!? Ihr letzter Brief ist vom 18. Oct. vor. J. datirt*, und er enthielt wieder viel fatale Nachrichten über Ihr Befinden, woran ich den innigsten Antheil genommen. Das seltsame Ohren-Leiden | was Sie damals 3 Monate lang gequält, hatte auch ich schon kennen gelernt, nur verließ es mich nach 8 bangen Tagen. Sie aber hat es ja jämmerlich herumgezerrt! Als Sie mir von all dem Schicksals-Unfug schrieben, stand ja nun wieder der Winter vor der Thür — wie werden Sie ihn überstanden haben — oder überstehen, denn eigentlich stecken wir ja noch mitten drin, so sehr seit einigen Tagen die Sonne sich auch Mühe giebt, uns darüber zu täuschen. Seit Anfang Januar bin ich freilich in das Alter getretem, wo man sich doch nicht mehr so leicht täuschen läßt, d. h. wo man nunmehr seine volle 70 Jahre hinter sich hat. — Ja ja mein lieber Freund, die Rosenzeit ist vorüber! Die blühen uns nicht mehr wieder und wir müssen unser Glück in dem unsrer nächsten Lieben suchen; und so können wir es ja auch finden. Gott sei Dank, denn, wie Sie mir schreiben, so kann auch ich es thun. „Meiner Frau geht es Gottlob so gut als | möglich und eben so ist meine Familie, gesund und so glücklich als möglich.“ —

Wenn Sie mal eine Viertelstunde haben, wo Sie an so etwas denken können, so bitte, fragen Sie doch mal einen Ihrer Theaterleute, ob im Jahre 1802 wirklich bei Ihnen Weber’s uralte, 1801 componirte Jugendoper „Peter Schmoll“ gegeben worden ist. Domkapellmeister Schletterer in Augsburg besitzt ein gedrucktes Textbuch dieser Oper mit der Aufschrift: München 1802. Es ist dies um so merkwürdiger als Weber selbst in seinem kleinen kurzen Lebens-Abriß (im 1. Bande seiner hinterlassenen Schriften) wohl von einer Aufführung des Schmoll zu Augsburg, aber von keiner in München spricht.

Über Schmoll habe ich so wenig Material für meinen „Nachtrag“ erlangen können, daß es ein wahrer Segen wäre, käme mir etwa derart in’s Netz. Jedenfalls darf man nichts übersehen u. deshalb frage ich bei Ihnen an — wenn auch, wie wahrscheinlich, gewiß umsonst.

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Und mit dem Sommer, wie’s da wird? Ja wer weiß das! — Vorläufig scheine ich nach einem westphälischen Bade, Oeynhausen geschickt werden zu sollen, u. danach würde ich dem Süden für diesmal Valet sagen müssen, wohin ich doch so gern ginge. Auch eine sehr angenehme und liebe Bekanntschaft an einem Münchener habe ich hier gemacht, den Sie sicher auch kennen: Herrn v. Miller*, den Gießer der Bavaria. Er ist ein herrlicher Mann, der mich sehr für sich eingenommen hat; auch hat er mich eingeladen, ihn am Starenberger See zu besuchen — aber es wird wohl nichts damit werden. —

Und nun, lieber Herz-Baermann, behalten Sie mich lieb und bleiben Sie der Alte des Alten, aber für Sie stets unveränderlichen F. W. Jähns.

Editorial

Summary

erwähnt den letzten Brief Baermanns vom 18. Oktober 1878; Klagen über das schlechte Wetter seit Januar, fragt nach dessen Ohrenleiden, eigene Krankheiten, er ist nun 70; bittet ihn um Nachfrage, ob 1802 Peter Schmoll in München gegeben worden ist, Schletterer in Augsburg besitzt ein Textbuch davon mit dem Erscheinungsvermerk: München 1802; Weber selbst spricht in seiner Autobiographie nur von einer Aufführung in Augsburg, er möchte für seinen Nachtrag zum WV nichts unversucht lassen

Incipit

Daß wir beide noch leben bei diesen

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Hamburg (D), Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky, Musiksammlung (D-Hs), Theatersammlung
    Shelf mark: Hs. Mappe Nr. 10

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)

Text Constitution

  • “haben”added above
  • “die Sonne”added above
  • “Gott sei Dank”added above

Commentary

  • “… 18. Oct. vor. J. datirt”Hier irrt Jähns. Baermann hatte ihm am 10. Dezember 1878 nochmals geschrieben.
  • “… auch kennen: Herrn v. Miller”Ferdinand (von) Miller (1813–1887, 1851 geadelt), Bildhauer und Erzgießer, arbeitete acht Jahre an der 1850 enthüllten Bavaria-Statue in München.

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