Hinrich Lichtenstein an Carl Graf von Brühl in Berlin
Berlin, Freitag, 23. Februar 1827

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Verehrtester Herr Graf!

Die glänzenden Vorschläge, mit welchen gestern morgen Herr Beer bei mir erschien, haben mich gezwungen, Sie um Erwirkung eines definitiven Bescheides zu bitten und ich kann mir denken, daß dieser Schritt zu einer Misbilligung meines Verfahrens von Ihrer Seite Veranlassung geben wird. Ehe ich daher morgen das Vergnügen habe, mich Ihnen persönlich vorzustellen, halte ich es für meine Pflicht gegen mich selbst, Ihnen, in dessen Augen ich nie in einem zweideutigen Licht erscheinen möchte, Einiges vorher schriftlich vorzutragen.

Ich bin von Webers Erben gerichtlich bevollmächtigt, ihr Interesse hier wahrzunehmen; ich bin es nicht allein, ich habe einen Collegen, dem es nie wirklicher Ernst ist, die übernommene Verpflichtung in ganzem Umfange zu erfüllen. Daneben habe ich eine andre vertrauliche Instruction, nach so vielem Guten, was der Familie von Seiten der hiesigen Königl: Theater geworden, allen Schein einer niedrigen Begehrlichkeit möglichst fern zu halten. Ich habe dem nicht sicherer Folge leisten können, als indem ich die Sache in Ihre Freundes-Hände legte. Aber diese vermögen in so verwickelter Sache nicht eben so wenig frei zu schalten, und als ich es von der andern Seite kann und darf, und unser Hendel, der unter uns beiden nie mehr als eine freundschaftliche Verabredung geworden wäre, hat bald wieder die Natur eines rein merkantilen Geschäfts annehmen müssen. Was geschehn ist, um dem Gegenstand derhalben seinen Werth zu entziehn oder mindestens zu verkleinern, ist Ihnen bekannter als mir, aber es ist Niemand ganz unbekannt geblieben. Was Wunder, wenn das andre Theater von diesem Zweifel seinen Vortheil zieht, das Zögern als den Anfang eines Bruches betrachtet, einen fast schon aufgegebnen Anspruch an den Besitz des Werkes wieder geltend macht und, über dessen wahren Werth genau belehrt, Alles daran setzt, es sich zu verschaffen.

Will ich nicht den Verdacht auf mich laden, einer zu engen Verbindung mit Ihnen den Vortheil meiner Committanten zu opfern, so muß ich jetzt rein die Stellung eines lediglich für den Nutzen der Familie bestellten Mandatarius behaupten und nur diesen und zugleich den Ruhm meines verstorbenen Freundes vor Augen behalten.

Man will von Ihrer Seite in Zweifel ziehn, ob die Oper eine allerdings bedeutende Summe werth sei, man wird sie frühestens im nächsten Winter in Scene setzen? Dort zeigt man uns bedeutende Geldvortheile und hat das lebhafteste Interesse, die Darstellung auf alle Weise zu beschleunigen. Wie wäre es, wenn wir beide das undankbare Geschäft aufgäben, gemeinschaftlich für eine Sache zu streiten, die ohne unser Einverständniß vielleicht von vorn herein klarer zu stehn gekommen wäre, und die, wenn wir sie unsre Nebenmänner ausfechten lassen, noch jetzt allen Betheiligten, nur freilich uns selbst nicht, convenabler zu Ende kommen kann.

Sie können den Oberon jetzt nicht gebrauchen, Jenen liegt gerade an dem Jetzt mehr, als an dem Besitz überhaupt. Stehn wir beide von dem Verlangen der großen Summe aus der Königl: Theater Kasse ab; so wird der Kauf refüsirt und das Werk fällt dem Königsstädter Theater zu aber leicht läßt sich die Klausel vorbehalten, daß es im nächsten Winter dem Königl: Theater verkauft werden dürfe und dann natürlich um einen mäßigen Preis. Jenes Theater wird alsdann schwerlich im Stande sein, mit dem Ihrigen zu rivalisiren und Webers Werk wird um so mehr glänzen, wenn es auf beiden Bühnen gesehn worden. Sie verlieren nur den Vorzug es zuerst gehabt zu haben, aber sie verlieren nicht an Zeit und ersparen eine namhafte Summe. Die Gegner Ihres Antrags sind befriedigt und wir behalten das Bewußtsein, gethan zu haben, was wir vermochten und unsern Zweck später, aber nicht minder sicher zu erreichen.

Erlauben Sie, daß ich auf diese Basis Morgen Abend die weiteren Mittheilungen baue, die ich Ihnen zu machen habe und mich bis dahin wie immer nenneIhren
Sie wahrhaft verehrenden
H. Lichtenstein
Berlin am 23sten Febr:
1827

Editorial

Summary

L. ist von Webers Erben gerichtlich bevollmächtigt, deren Interessen wahrzunehmen; drängt angesichts des Kaufangebots des Königsstädtischen Theaters auf Brühls Entscheidung

Incipit

Die glänzenden Vorschläge, mit welchen gestern morgen Herr Beer bei mir erschien

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ms. theor. 1018, Bl. 19f.

    Physical Description

    • 2 Bl. (4 b. S.), eingeheftet in Brühls Acta Privata zum Oberon

Text Constitution

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  • “eben so wenig”added above
  • “und”crossed out
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