Gottlob Roth an Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, Samstag, 18. Juli 1846
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Mein theurer, Hochverehrter Freund!
So sehr ich mich auch bemühen mögte Ihnen meinen und Aller der Meinigen tiefgefühlten Dank für Ihre innige Theilnahme an dem erlebten traurigen Ereigniss mit Worten auszusprechen, so wird es mir doch ni[e] nach meinen Wunsch gelingen; dahero bleib[t] mir als Zeichen meiner Erkenntlichkeit nichts Anderes übrig, als Ihnen die Erwiederung meiner wahren Liebe, Anhänglichkeit und Freundschaft dafür anzubieten und zu beweisen. — — Schmerz und Freude wechselten bei Durchlesung Ihres freundlich tröstenden Briefes bei mir ab: Ihr wohlwollendes Herz, Ihr reger Geist, Ihre feurige Fantatsie leuchteten aus jedem Ihrer Worte hervor. Sie hatten in dem Innern meiner Seele gelesen, dem ich nichts hinzuzusetzen nöthig habe, als dass mir durch den Verlust meiner geliebten Eugenie nicht nur die Glückseligkeit meines Lebens, sondern auch die wenigen, meinem Alter noch übrig gebliebenen Kräfte zugleich verlohren gegangen sind; denn meine Gedanken entschwinden mir bei dem geringsten Nachdenken über einen unbedeutenden Gegenstand und mein ganzer Körper wird zu gleicher Zeit dabei niedergedrück[t]. — Die Vernunft und ein frommer Aufblick zu dem Regierer der Welten, können wohl tröstend auf das Gemüth einwirken, aber den Schmerz im Innern nicht auslöschen. — Unwillkürlich sucht und findet mein Auge ihr mir so theures Bild überall; daher vermeide ich noch vorjetzt, womöglich alle diejenigen Orte, wo wir ehedem miteinander verweilten; nur bei ihrer Ruhestätte verweile ich gern und oft. — — — Sollte es mir noch vergönnt seyn, Sie, mein theurer Freund, im künftigen Jahre bei mir zu sehen, so wollen wir ihr Andenken erneuern; jedoch liegt mir gar sehr am Herzen Ihnen schon vorher zu erkennen zu geben, mit welcher Freude und Dankbarkeit unsere nun Verewigte, die Ihr von Ihnen so freundlich gewidmeten Gesänge aufgenommen und ausgeführt hat, und wie sie noch auf Ihrem Sterbebette mir sehr dringlich empfohlen hat, Ihnen für so viele erwiesene Freundlichkeit herzlich zu danken und Sie und Ihre verehrte Gattin recht innig zu grüssen und zu bitten, „ihrer auch bisweilen liebevoll zu gedenken.“— — Bei Ihrem im nächsten Sommer zu erwartenden Besuch bin ich hoffendlich mehr geeignet die mir auf[s] Neue von Ihnen mir gütigst zugedachten Werke, jedoch nur von Ihnen vorgetragen zu hören, die mir jetzt von einem Andern vorgetragen ein zu schmerzliches Gefühl erregen würden. Eugenie hat uns sterben gelehrt; denn mit der vollkommensten Ruhe und einer sanften Heiterkeit auf ihrer Stirn, die ihr das Jenseits ahnden liess sahe sie, die das traurige Loos von Millionen nur den Namen nach kannte, ihrem nahen Ende zur Bewunderung der sie umgebenden Aerzte entgegen, und den 2ten März in der letzte[n] Stunde vor Mitternacht winkte sie mir, de[r] ich ihrem Haupte zunächst stand, das meinige zu dem ihrigen herabzubeugen, worauf sie mir ganz geheimnissvoll zuflüsterte: „Lieber Onkel, morgen werde ich wohl sterben“! und leider endete sie auch am 3ten früh 5 Uhr! Ich sah ihren nahen Tod vor Augen und dennoch musste ich Hoffnung heucheln. Mit Liebe ward sie von uns erzogen; mit ihrer Liebe beglückte sie uns, ihren innigstgeliebten Theodor als Gatten, ihre guten Schwiegereltern, Bruder und Schwestern. Mit treuer und wahrer Liebe ist sie endlich uns Allen in die Ewigkeit vorangegangen um Uns dort als Engel zu empfangen. — Nun ist sie verklärt; ihr nach Vollkommenheit strebender Geist, hat nun sein Ziel erreicht. — — Ruhe ihrer Asche!!! bis auch wir abgerufen werden uns mit ihr zu vereinen. — — Wir verlassen nun die theure Dahingeschiedene und bleiben nach Gottes Willen zurück auf dieser uns abwechselnd Freud und Leid darbietenden Erde und finden, wenn auch nicht in den uns zunächst stehenden mittrauernden Freunden, doch unverhoft bei unsern auswärtigen lieben Freunden Veranlassung zu einer willkommenen Erheiterung unseres Gemüthes, die uns umsomehr wohlthut, als wir überzeugt sind, mit welcher Liebe diese von Ihnen geschieht. — — So hat uns Allen‡ die Nachricht von Ihrem persönlichen Wohlsein recht herzlich erfreut und wir hoffen zu Gott, dass das Unwohlsein unserer verehrten Freundin bei dem Gebrauch des vom Arzte verordneten Brunnen, und wohl noch mehr durch die wohlthätige Wirkung des Bades zu Kösen auf Ihrem kleinen Liebling bald gehoben und unsere Freude nicht getrübt werden wird*. — — Nicht weniger hat uns Allen die ehrenvolle Auszeichnung, durch die Verleihung der goldnen grossen Medaille des Kronprinzen von Hannover* angenehm überrascht. Welche Freude Sie mir und meinen Freunden durch die so ausführliche Nachricht nebst den interessanten Beilagen von der solennen Feyer des 25jährigen Jubiläums vom Freischütz machen würde[n], haben Sie sich wohl selbst im Geiste vorgestellt* und ich erspare mir die Worte, die meinen verbindlichsten Dank dafür auszusprechen nicht hinreichen würden. —
Sie werden es hoffendlich verzeihlich finden, wenn ich Ihren lieben Brief nebst Zubehör sogleich, meinem schwachen Gedäch[t]niss nicht trauend, der Fr. Kpllm. v. W. selbst persönlich überreichte um von dem Eindruck, den Ihr Eifer und Ihre besondere Theilnahme bei dieser Feier, auf ihr machen würde, mich selbst zu überzeugen. Und nach dem an mich gerichteten Billet, welches ich Ihnen hiermit zur Durchsicht vorlege, mögte ich wohl glauben, dass eine Annäherung und Aufklärung von beiden Seiten Statt finden könne? — — Wenigstens habe ich kein einziges Wort zu Ihrem oder zum Nachtheil Ihrer lieben Gattin, vielmehr aber eine lebendige Theilnahme an deren Unwohlsein vernommen. Beinahe sollte man vermuthen, dass eine dritte, vielleicht weibliche Person und zwar ausser ihrer Behausung, sie irr geleitet hat. — — Sollten Sie es für gut finden, nach Verlauf von 4 bis 5 Wochen, da gegenwärtig Fr. v. W. in Lockwitz‡ mit ihrer Frau Schwiegertochter und Madame Gerstäcker wohnt, mir einige Nachrichten von dem Gesundheitszustand der liben Ihrigen zu geben, und ausserdem mir auf diese Weise ein ähnliches Billet mit einzuschliessen, so bin ich gern erböthig Frau v. W. dasselbe zu überreichen.
Was die Aussicht für die Pintos betrifft als wozu die Materialien in einem Schranke des H. G. M. Directors seiner Aussagen nach in Paris liegen sollen, so ist nach der Aeusserung der Gattin desselben sie wohl noch weit entfernt; denn Fr. v. W. hat bei einer mündlichen Besprechung darüber erfahren, dass ihr H. Gemahl an 2 neuen Opern zu gleicher Zeit arbeitet*.
Ihnen für allen bewiesenen Eifer, Sorgfalt und innige Theilnahme in aller der unsrigen Namen nochmals herzlich zu danken, unterzeichnet sich mit aller Hochachtung und Verehrung Ihr Ihnen stets treu ergebener und dankbarer FreundRoth jun.Dresden am 18. Juli, 1846
Nachschrift: Sollten sich Ihre Hochverehrten Schwiegerältern meiner noch erinnern, so bitte ich, mich dem freundlich. Andenken Derselben zu empfehlen! —
Editorial
Summary
dankt für die Kondolenzworte zum Tod seiner Nichte Eugenie und berichtet von deren Tod; ist erbötig, zwischen Jähns und Caroline zu vermitteln; die Pintos-Angelegenheit kommt nicht voran, da Meyerbeer z. Zt. an zwei eigenen Opern arbeite
Incipit
“So sehr ich mich auch bemühen mögte”
Responsibilities
- Übertragung
- Frank Ziegler; Eveline Bartlitz
Tradition
-
Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 160Physical Description
- masch. Übertragung nach dem verschollenen Original
- 5 S.
- am Kopf die Notiz: “Von Rothe und Fr. v. Weber. Juli 46”
Corresponding sources
-
Weberiana 27 (2017), S. 82 (Auszug)
Text Constitution
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“Allen”sic!
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“Lockwitz”sic!
Commentary
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“… Freude nicht getrübt werden wird”Das Ehepaar Jähns reiste am 7. Juli 1846 gemeinsam mit dem jüngeren Sohn Reinhart nach Kösen; vgl. Jähns, Familiengemälde, S. 264.
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“… Medaille des Kronprinzen von Hannover”Vgl. u. a. die Notiz in AmZ, Jg. 48, Nr. 14 (8. April 1846), Sp. 245.
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“… wohl selbst im Geiste vorgestellt”F. W. Jähns hatte in seinem Brief an Rothe über die Freischütz-Vorstellung am 18. Juni 1846 in der Berliner Hofoper (zum 25jährigen Jubiläum der Uraufführung) berichtet. Am selben Abend gab es eine Gesellschaft im Hause Jähns, bei welcher „bis gegen Morgen [...] Webersche Briefe vorgelesen“ wurden; vgl. Jähns, Familiengemälde, S. 263.
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“… Opern zu gleicher Zeit arbeitet”Werkzuordnung fraglich: Bereits zu diesem Zeitpunkt war die Umarbeitung der für Berlin geschriebenen Oper Ein Feldlager in Schlesien für Wien im Gespräch (später: Vielka). Es könnten aber auch die bereits länger geplanten Opern L’Africaine und Le Prophète gemeint sein. In Arbeit war im Sommer 1846 jedoch die Schauspielmusik zu Struensee, einem Drama von Meyerbeers 1833 verstorbenem Bruder Michael, für dessen Aufführung sich in Sonderheit dessen Mutter Amalie beim König eingesetzt hatte; die Uraufführung fand am 19. September 1846 statt.