Gottlob Roth to Friedrich Wilhelm Jähns in Berlin
Dresden, Monday, May 3, 1847

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Mein sehr werther und theurer Freund!

Ihr unbegränzte Theilnahme an meinem und der Meinigen Schicksal, hätte wohl soglei[ch] eine herzliche Danksagung verdient; aber die erlebten und noch zu erwartenden traurigen Ereignisse*, die, wie Sie sehr wohl geahnet, haben auf mich den nachtheiligsten Einfluss ausgeübt, mir meine noch übrigen Kräfte grösstentheils entzogen; hingegen meine Nerven dermassen angeregt, dass ich bei jedem ganz unbedeutenden Vorfall, einen betäubenden Schwindel und unregelmässige Wallung des Blutes, nach Brust und Herz empfinde; und diese ist eine der Hauptursachen, weshalb ich meiner Schudigkeit nicht eher, so wie es sich gebührt hätte, nachgekommen bin. — Ihre Theilnahme noch zu vermehren, hielt ich für ungerecht, und lieber wollte ich wagen von Ihnen einige Zeit verkannt zu werden und in dem Verdacht stehen, als hätte ich die mir von Ihnen ertheilten Aufträge* nicht erfüllt; und zwar im Bewusstsein, Alles auf das Pünktlichste ausgerichtet zu haben; denn ich verfügte mich sogleich mit Ihrem werthen Schreiben an den Ort seiner Bestimmung*, mit der Bitte: Ihne[n] oder mir einige Zeilen über den bewussten Gegenstand mitzutheilen; erhielt aber die mich beruhigende Antwort, dass man in einigen Tagen den H, v. L.* aus Brl. erwarte und ihm einen mündlichen Auftrag deshalb geben würde. — Bald darauf musste es sich leider fügen, dass diese Dame von ihrem Sohn, dem eine dringende Geschäftsreise bevorstand, zu mütterlicher Hülfeleistung aufgefordert wurde. Sie begab sich ohne Aufschub dahin, und erwartete eine höchst bedenkliche Niederkunft*, während der Abwesenheit ihres Sohnes, bei ihrer Frau Schwiegertochter mit einer [Lücke im Text] die sie treulich wartete und mehrere Monate, mit Aufopferung ihrer eigenen Gesundheit pflegte, bis Mutter und Kind aus aller Gefahr war, und daher später hier anlangte, als Ihr uns so schätzbarer Brief bei uns eintraf. — Ich trat dahero, um auch diese darinnen enthaltenen Aufträge zu vollziehen, 2 Tage nacheinander meine Wanderungen an; war aber niemals so glücklich die Dame zu treffen und gab schon meine Hoffnung zu einer mündlichen Unterredung mit derselben auf, als mir unerwartet die Freude wurde sie bei mir zu sehen. — Sie würde Ihre Wünsche in Betreff des Geschlechtregisters ohne Verzug befriedigt haben, wenn dieses nicht in den Händen ihres Sohnes wäre; jedoch werden Sie eine Abschrift bis zu den Urahn zurück, davon ehestens erhalten*. Neben bei bemerkte sie, dass die vermeintlichen Verwandten in Manheim nicht zu denen ihres sel. Gatten, sondern zu jenen des Dionisius W.* gehörten. — — Nach Durchlesung des zweiten Gegenstandes äusserte die Dame: Eine Besprechung und Auseinandersetzung des Geschehenen, erlaube ihr so sehr gereizter Nervenzustand nicht, — sie verlange Ruhe, wolle alle nähere Verbindungen, mit wem es auch sei vermeiden und nur sich und ihren Kindern leben, die auch, da Mx. den Sommer hindurch auf einer hier nahgelegenen Eisenbahn Geschäfte halber, abwechselnd gegenwärtig sich hier aufhalten wird, diese ganze Zeit bei ihrer sorglichen Grossmutter wohnen werden. — Das was Sie, mein verehrter Freund, nach dieser Aeusserung durch einen verlängerten Aufenthalt in Dr. zu erreichen wünschten, mögte meiner eigenen Erfahrung zufolge, auf Sie und Ihrer uns sehr werthen Gattin, einen mehr nachtheiligen als vortheiligen Eindruck machen, wenn Sie statt der gewohnten Herzlichkeit, bei einem zufälligen Zusammentreffen, nur kalte Ceremonie zu finden vermuthen sollten; denn Nichts, so dünkt es mir, ist bei einem zartfühlenden Gemüth zur Wiederherstellung des vorigen Gesundheitszustandes hinderlicher, als die Erinnerung und das unnütze Bestreben nach einem verlorenen Gegenstand; — — deshalb sollte man glauben, dass Loschwitz der am wenigsten günstige Ort dazu wäre; doch sei dies Ihrem bessern Ermessen überlassen.

Eine recht innige Freude verursachte mir die Nachricht von der 3/4 stündigen Unterhaltung mit Sr. Majestät, nur wäre zu wünschen, dass diese hohe Auszeichnung, auch andere Ihnen ersprisliche Folgen herbeiführen mögte! Herrn Nietsch* kenne ich persönlich nicht. So sehr Ich und die Meinen auf einen freundlichen Besuch von Ihnen uns freuen, so sehr befürchte ich, dass es Ihnen wegen der so innigen Theilnahme an unserm Geschick nicht gefallen werde! Meine Frau Schwägerin mit mir, immer das traurige Bild der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vor Augen, sind geistig und körperlich auf eine höchst schmerzliche Weise niedergebeugt, so, dass wir ohne der unermüdlichen Sorgfalt unserer lieben Julie und Ihres braven Mannes Engelhardt gewiss schon längst untergelegen haben würden. — —

Befürchten Sie aber deshalb nicht, dass ich mit den Meinen je unterlassen werde, zu sein und zu bleibenIhr
stets ergebener Freund
Gottlob Roth

Editorial

Summary

hat die ihm erteilten Aufträge erledigt, glaubt jedoch nicht, dass eine Begegnung mit Caroline von Weber bei einem längeren Dresden‑Aufenthalt von FWJ in Loschwitz günstig wäre zum gegenwärtigen Zeitpunkt, überlässt aber ihm die Entscheidung; seine Fragen die Ahnen Webers betreffend, kann sie im Augenblick nicht beantworten, da die Unterlagen bei ihrem Sohn sind

Incipit

Ihre unbegränzte Theilnahme an meinem

Responsibilities

Übertragung
Frank Ziegler; Eveline Bartlitz

Tradition

  • Text Source: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Shelf mark: Mscr. Dresd. App. 2097, 161

    Physical Description

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 97H des Konvoluts)
    • 4 S.
    • am Kopf die Notiz: “Rothe. 3 Mai 47.”

    Commentary

    • “… noch zu erwartenden traurigen Ereignisse”U. a. der Tod von Rothes Nichte Eugenie am 3. März 1846; vgl. den Brief vom 18. Juli 1846.
    • “… mir von Ihnen ertheilten Aufträge”Im Zusammenhang mit der von Jähns betriebenen Aussöhnung mit Caroline von Weber nach dem Bruch von Ende 1844.
    • “… an den Ort seiner Bestimmung”Vermutlich Caroline von Weber.
    • “… Tagen den H, v. L.”Möglicherweise Hinrich Lichtenstein.
    • “… erwartete eine höchst bedenkliche Niederkunft”Geburt von Marie von Weber am 23. Februar 1847.
    • “… Urahn zurück, davon ehestens erhalten”Demnach beschäftigte sich Jähns zu dieser Zeit mit Webers Familiengeschichte.
    • “… jenen des Dionisius W .”Hier handelt es sich offenbar um eine Verwechslung, gemeint ist nicht der aus Böhmen stammende Friedrich Dionys Weber, sondern der in Mannheim geborene Gottfried Weber.
    • “… Folgen herbeiführen mögte! Herrn Nietsch”Der blinde Flötist Raimund Nietzsche (geb. ca. 1820) aus Dresden, ein Schüler Fürstenaus, hatte am 4. Dezember 1846 im Charlottenburger Schloss vor dem preußischen König konzertiert. Jähns, der als Klavierbegleiter kurzfristig eingesprungen war, erregte die Aufmerksamkeit des Monarchen, worauf sich das erwähnte lange Gespräch entspann; vgl. Jähns, Familiengemälde, S. 274f. Den Titel eines Königlichen Musikdirektors erhielt Jähns erst am 24. Mai 1849.

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