Aufführungsbesprechung Wien, Kärntnertor-Theater: “Der Freischütz” von Carl Maria von Weber am 3. November 1821

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Wien, Nov.

Zur Namensfeyer der Kaiserin wurde am 3. dieses, als am Vorabend des Festes, auf dem großen Operntheater nächst dem Kärnthner Thor zum Erstenmal aufgeführt: Der Freyschütz, mit der meisterhaften Komposition des Maria v. Weber. Eine bewundernswürdige Erscheinung im Reiche der Harmonien, von den wahren Kusntrichtern mit Verehrung, von den Freunden der Musik mit Entzücken aufgenommen. Zum Anfang der Ouverture trat die geliebte Kaiserin herein und wurde mit lange dauerndem Jubel begrüßt. Jedes Ton- und Gesangstück elektrisirte die Zuhörer, die Theilnahme wuchs immerfort und wächst mit jeder Aufführung, während dieses Meisterwerk fast einen Tag um den andern bey vollgedrängtem Hause auf der Scene glänzt. Es fanden sich zwar auch einige Wenige, die bey aller Bewunderung den Reiz der Melodien vermissen wollten; das ist ein Fehler ihres Gaumens, den süße Brühen und Rosinen-Saucen schon verwöhnt haben: Einige Andre meinten, es sey zwar ein klassisches Werk, doch etwas streng schulmäßig. Die Grillen Einzelner kommen hier nicht in Betracht; das kompetente Publikum der deutschen Kaiserstadt würdigt diese Tondichtung, die sich den besten aller Zeiten gleich stellen darf, nach ihrem wahren Werth.– Das Orchester feyerte einen neuen Triumph unter Leitung des berühmeten Weigl’s. Gesang und Darstellung verdienen Lob im Allgemeinen, wiewol im Einzelnen noch zu wünschen übrig blieb. Forti gab den Kasper, ¦ wenn man etwas Ueberspannung, besonders in der Schlußscene, übersehen will, ausgezeichnet gut. Rosner sang die Parthie des Max recht schön, hier ist es aber mit dem Vortrag und der Stimme nicht allein gethan, und dem Ausduck leidenschaftlicher Gefühle ist dieser anmuthige Sänger nicht gewachsen, auch wollte sich, der Sage ungeachtet, keineswegs der begeisternde Einfluß eines Sternes erster Größe am theateralischen Horizont offenbaren, weil man das, was die Gunst des Augenblicks einem selbst gewährt, allemal nicht mittheilen, und Goldadern wohl aufspüren, aber nicht erzeugen kann. Wihelmine Schröder trug Agathe’s große Scene und die Cavatine in as-dur mit rührender Herzlichkeit vor; im Uebrigen fehlen ihr noch Kraft und Gediegenheit. Die jugendliche Stimme hat noch etwas Unreifes und Schwankendes, obgleich die Höhe frisch und klangvoll ist, und von einer Methode zeigt sich wenig oder gar nichts. Die Besetzung Annchens war verfehlt*, darüber fand keine Verschiedenheit der Meinungen statt – das bleibt aber unter uns! – Auf dem Hoftheater des rezitirenden Schauspiels wurde Tasso, der Feyer des Tages würdig, dargestellt.

Die Verpachtung der k. k. Oper und des Ballets ist nun entschieden, und der neue Unternehmer, der mit dem ersten December antritt, machte vor einigen Tagen die künftigen Abonnements-Einrichtungen bekannt. Domenico Barbaja hat berets in Italien – man sagt zu Mailand und Neapel – einige Theater in Pacht, auch das hiesige Palffy’sche ist ihm überlassen. Für dieses leztere soll der Eigenthümer alljährlich 15,000 Gulden C. M. erhalten, nach dessen Ableben fällt das Haus dem Pächter zu, der auch die bedeutende Schuldenlast – man spricht seit der Ausspielung wieder von einigen Hunderttausenden und noch mehr – übernimmt. Gestehen muß man aber, daß Graf Palffy, der noch immer Mitdirektor bleibt, freygebig für des Glanz dieser Bühne sorgte. Das Kinderballet, Vielen eine Quelle unerschöpflichen Vergnügens, Vielen aber, die das Wesen und Treiben dieses Instituts mit unbefangenen Augen sahen und die Folgen in Erwägung zogen, nicht mit Unrecht ein Aergerniß, hört zu Ende dieses Monats auf. Aus dem Aerarium bekommt der Pächter für das Hoftheater 140,000 fl. C. M. jährlichen Zuschuß. Die Garderobe wird ihm gegen besondere Schätzung überlassen. Sie ist reich und glänzend, wird natürlich aber sehr im Preise fallen. Die Dekrete und Kontrakte übernimmt der Hof, wer in Rücksicht eines lebenslänglichen Engagements sich aber mit dem Pächter nicht verständigen kann, tritt natürlich in den Pensionsstand über. Es steht eine bedeutende, in macher Hinsicht nöthige, Restauration zu erwarten. Wir hoffen, daß uns die Grünbaum, Lembert u. s. w., als Sänger: Rosner, Forti, Siebert und Andere, worunter wir auch den alten Weinmüller, seiner treuherzigen launigen Väter wegen, rechnen wollen, fernerhin erhalten bleiben. Mit Anfang des Aprils werden fünf bis sechs Monate lang italienische und deutsche Opern wechseln; berühmte Tonsetzer aus Deutschland und Italien sollen erscheinen, um neue Werke zu verfertigen. Ob Maria v. Weber kommen wird? – Ich weiß es nicht. Rossini wurde schon öfter angesagt; der hat aber vorher in Amerika, London, Paris und Neapel alle Hände voll zu schaffen. Die höhern Klassen sind für diese Entreprise außerordentlich eingenommen. Unter den andern machen besonders die Freykarten-Besitzer, die etwas zu kurz kommen werden, hin und wieder saure Miene; die ersten Polonaise aus Tancredi wird sie schon versüßen. Die erste neue Oper im Dezember soll seyn: Zemire und Azor, mit der Komposition von Spohr. Der Tänzer Dúport ist bey dieser Pachtung mit interessirt; in Ansehung des Theaters an der Wien ist bis jezt noch keine öffentliche Bekanntmachung geschehen.

(Die Fortsetzung folgt.)

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ran Mo

Tradition

  • Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 15, Nr. 259 (10. Dezember 1821), pp. 1180

Text Constitution

  • “h”uncertain transcription

Commentary

  • “… Die Besetzung Annchens war verfehlt”Die Partie gab Thekla Demmer.

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