Carl Maria von Weber an Friederike Koch in Berlin
Gotha, Sonntag, 25. Oktober 1812

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Welche Freude machte mir Ihr lieber Brief, wie dankbar erkannte ich die Anhänglichkeit und Freundschaft, die sich täglich mit mir beschäftigt, und mir so Gelegenheit gab, Ihrem Thun und Treiben Schritt vor Schritt zu folgen. O! fahren Sie ja fort, mir so eine Art Tagebuch zu schreiben, es versezt mich lebendich in meine alte Sphäre.      Aus Flem: Briefe werden Sie sehen, daß Sie mir nicht zürnen dürfen wenn ich heute nicht so viel mit Ihnen schwazze als ich wohl gerne möchte, auch muß ich zu meiner Entschuldigung, daß ich nicht sogleich geantwortet nachdem ich d: 16t Ihren Brief erhielt, geantwortet habe, — anführen, daß ich 5 Tage mit dem Herzog in Reinhartsbrunn war*, wo kein Augenblik mein Eigenthum ist, und daß bey meiner Zurükkunft einige sehr nothwendig zu expedirende Arbeiten mich abhielten.      doch nun will ich wenigstens in Kürze alle Punkte Ihres Briefes durchlaufen.

Also! so schlecht dachten Sie von mir? aus den Augen aus dem Sinn? o, es war Ihnen nicht ernst. man fürchtet sich oft gerne vor etwas, um dann desto lieber sich vom Gegentheil überzeugen zu laßen.

Sezzen Sie doch meinem Conterfay eine Brille auf, — wenn Sie mich hier zu sehen bekämen würden Sie sagen, Hu! wie brummig ist er heute wieder. ich kann Ihrem Enthusiasmus für die Milder* nicht Unrecht geben, wenn ich ihn auch meines Theils vielleicht nicht so hoch triebe. Sie wißen es gehört eine gute Portion dazu, mich dahin zu bringen. Aber es ist wahr, das göttliche Naturgeschenk einer klangvollen Stimme, trägt einen Reiz in sich dem man schwerlich wiederstehen kann.      Vielleicht würden Sie nachlaßen wenn Sie sie länger hörten. doch glauben Sie ja nicht daß ich in das Horn des dikken Vetters et Consorten mit stoße.

Meine dummen Ohren haben mir nicht geklungen als ihr bey Lecoqs* meiner gedachtet. Empfehlen Sie mich doch diesem würdigen Hause recht sehr, und gratuliren Sie Ottken noch hinterher für mich.

der 19t war auch für mich ein Tag an dem ich mich schönen Errinnerungen hingab. Aber Sie liebe Freundin haben trübe und Kummervoll ihn zugebracht? ich darf diesen Punkt nicht berühren denn ich fühle mich dazu nicht rein genug. Mein mir vom Schiksale aufgezwungener Ernst, und eine gewiße Bitterkeit, die mich nur höchst selten in den glüklichsten Momenten meines Lebens verläßt, erlaubt mir nicht so zufrieden und froh zu sein, als es meine Lage die so viel glükliches vor anderen voraus hat, eigentlich hervorbringen sollte. ich trage, ich dulde ohne Murren und mit errungener Kraft. aber froh! — kann ich nicht sein. Es ist als ob eine ewige Ahndung auf mir läge, die mir immer zuflüsterte, Glükliche Augenblikke sind nur da um dich wieder für neues Ungemach zu stählen. Und dieß rufe ich Ihnen auch zu. —

Mein gutes Jettchen! — ja ja, da, da, werd ich nächstens sagen, da hat das Kind ein Stük Kuchen. aber heute? ists wahrhaftig unmöglich, und muß es schon mit einem recht herzlichen Gruße vorlieb nehmen.      Ihr guter Vater und Schwester fragen wann ich wieder komme? ja, wenn ich das wüßte! — — alles Liebe auch an Sie beiden, nebst den besten Wünschen für ihr Wohlsein.

Ich komme zu dem Anliegen unsrer beyderseitigen Freundin. Erstlich hoffe ich daß bis zur Ankunft dieses Briefes die damalige Verstimmung sich in wiedergekehrte Zufriedenheit verwandelt hat. Zweitens will ich offen wie immer meine Meynung sagen. daß man meiner lieben Schrökh wehe gethan, glaube ich gerne, und daß Sie daher gegründete Ursache hat sich wegzuwünschen, gebe ich zu. Aber, wo ist ein | Theater, wo ein Verhältniß, daß nicht daßelbe Ungemach darböte.      ich kenne beynah alle Bühnen Deutschlands, und zwar nicht oberflächlich, überall fand ich [es] so, und nirgends fehlt dieser Stoff zur Klage. Zudem ist ihr Gehalt von der Art, daß sie wohl nirgends einen bedeutenderen zu erwarten hätte. die Summe von 2200 rh: ist in Papier Gulden schon sehr viel. und was wiegt außer alle diesem eine Umgebung auf, wie Sie sie in Berlin hat, mit welchen Großen Unkosten ist außerdem ein neues Etablißement und eine solche Reise verknüpft? und kennt Sie die Menschen so wenig, auf eine frühere Bekanntschaft zu bauen, und sich daraus eine angenehme Existenz zu versprechen?      Wem könnte der Gedanke erfreulicher sein Sie wieder zu sehen als mir? aber ich spreche nach meiner Ueberzeugung. Steht späterhin Ihr Entschluß noch fest, so versteht es sich von selbst unbedingt, daß ich mein möglichstes thue Ihre Wünsche zu erfüllen. Sagen Sie ihr daß gewiß nicht leicht Jemand so wahrhaft ihr Glük und ihre Zufriedenheit wünscht, als ich*. — —

1000 Dank für Ihre Sorgfalt, meine Gesundheit betreffend. Ich folge, und gehe oder renne renne vielmehr alle Abend ein ½ Stündchen herum. d: 8t spielte ich im HofConcerte, und war ziemlich zufrieden mit mir*. Eine große Scene für den Prinz Friedrich mit doppelten Chören die Variat: aus Joseph, und das erste Allo: zu einem neuen KlavierConcerte ist alles was ich bis jezt neues geliefert habe. Eine zahllose Menge rükständiger Arbeiten, Briefe, Aufsäzze, pp rauben mir viele Zeit, und im Ganzen bin ich auch selten recht gut zu arbeiten gestimmt. bedenken Sie daß ich hier ganz allein stehe, ohne irgend eine Seele mit der ich ein vertrauungsvolles Wort sprechen könnte oder wollte. der Herzog ist mein einziger Umgang. und wirklich auch der Geistreichste wenn auch zugleich der sonderbarste. Von allen übrigen ziehe ich mich zurük um meine Zeit nicht in langweiligen Gesellschaften zu tödten. Ein paarmal habe ich die Freude gehabt, gute Bekannte von mir auf ihrer Durchreise zu sprechen*, und mich nach manchen fernen guten Menschen erkundigen zu können.

Da Sie so gut waren mir so viel schönes zu schikken so bitte ich Sie auch die Einlagen wieder an die Behörden abzuliefern. bey denen, denen ich heute unmöglich schreiben konte, z: B: dem guten Malchen Seeb: entschuldigen Sie mich aus bekanten Gründen.      Uebrigens Grüße an Jedermann der etwas von mir hören will. an Zelter ppp pppp ppp pp Laßen Sie mich bald wieder Antwort hoffen, und beweisen Sie dadurch daß Sie nicht vergeßen Ihren treuen Freund W:

Editorial

Summary

Austausch über Berliner Bekannte; Bericht über seinen Aufenthalt in Gotha

Incipit

Welche Freude machte mir Ihr lieber Brief, wie dankbar

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A e, 3

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Corresponding sources

    • Virneisel/Hausswald, S. 61–63 (Nr. 2)

Text Constitution

  • S“s” overwritten with “S
  • “geantwortet”crossed out
  • “… ”gestrichener, unleserlicher Wortbeginn
  • s“S” overwritten with “s
  • “… in Papier Gulden schon sehr”unleserlicher, gestrichener Wortbeginn
  • “renne”crossed out
  • “bey”added above

Commentary

  • “… dem Herzog in Reinhartsbrunn war”Weber war laut Tagebuch am 18./19. sowie vom 21. bis 23. Oktober 1812 in Reinhardsbrunn.
  • “… Ihrem Enthusiasmus für die Milder”Zu den Berliner Gastauftritten von A. Milder vom 4. September bis 27. Oktober 1812 vgl. u. a. AmZ, Jg. 14, Nr. 41 (7. Oktober 1812), Sp. 670, Nr. 42 (14. Oktober 1812), Sp. 691–693 und Nr. 45 (4. November 1812), Sp. 736f.
  • “… geklungen als ihr bey Lecoqs”Vermutlich die Familie von Ulrike Le Coq gemeint, evtl. aber auch Paul Ludwig Le Coq und Ehefrau Charlotte und/oder Schwägerin Juliane Henriette.
  • “… ihre Zufriedenheit wünscht, als ich”Luise Schröck erwog offenbar, ihr Berliner Engagement aufzugeben, blieb aber schließlich doch bis zu ihrem Bühnenabschied 1842 dort. Der Grund für die Verstimmung ist unbekannt, möglicherweise war eine negative Publikumsreaktion ausschlaggebend. In den Berlinischen Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen (Nr. 95 vom 8. August 1812) ist zur Aufführung von Kotzebues Spanier in Peru am 6. August 1812 zu lesen: „Gegen Mad. Schröck, als Cora, blieb die Versammlung undankbar, sie wurde herrlich dargestellt.“
  • “… war ziemlich zufrieden mit mir”Weber spielte sein Klavierkonzert Nr. 1; vgl. Tagebuch.
  • “… auf ihrer Durchreise zu sprechen”Vgl. die Tagebuchnotizen vom 21. und 23. Oktober 1812 zu Bernus, Henry Bernus und Dorwill.

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