Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Samstag, 17. Mai bis Montag, 19. Mai 1817 (Nr. 49)

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An Mademoiselle

Carolina Brandt.

MitGlied des Ständischen Theaters

zu

Prag.

wohnhaft Kohlmarkt

No: 514. 2t Stok.

Mein vielgeliebtes Leben!

Ich bin diese Tage über recht traurig, und zwar hauptsächlich weil ich weiß daß ich auch dich betrübt habe, aber ich wäre nicht ehrlich gewesen, hätte ich dir nicht alles so ausgesprochen wie ich es sah und fand. ich habe nicht gleich die ersten Tage wo ich die Veranlaßung bekam nochmals über diesen Gegenstand mit dir zu sprechen, an dich geschrieben, um mir die ruhigere Beurtheilung zu verschaffen ob es durchaus nothwendig wäre, diese schmerzliche Geschichte* nochmals so durchzusprechen, und ich konnte mich nicht überzeugen daß es nicht gut sei es zu thun.      Bist du so ruhig, und einig mit dir selbst wie ich es wünsche und hoffe, so wird es dir zwar wehe thun daß ich veranlaßt wurde nochmals darauf zurük zu komen, aber du wirst ganz ruhig nur das in meinem Briefe wieder finden was du dir selbst schon gesagt hast.      hättest du aber in einer gefährlichen Selbsttäuschung gelebt so mußte es dich aus ihr erwekken, und einsehen machen, wie immer eines aus dem andern folgert.      ich zittre wahrhaft vor dem Empfang deiner Antwort auf No: 48. Es würde mich zu tief verwunden wäre sie anderß als ich sie von meinem guten Muks, und seinen geläutertern LebensAnsichten erwarte, dem höchstens in einer einzelnen Minute der alte Dämon die Herrschaft abgewinnen konnte.      ich bete seit dieser Zeit wieder recht andächtig für dich zum Himmel, daß er uns erleuchte, stärke, und beruhige. Ach! könnte ich nur ein Stündchen bei dir sein, und so Aug in Auge, Herz zum Herzen sprechen, ich bin es denn auch fest überzeugt, daß du und Drs: auch wieder erkennen und lieben würden, so aber fürchte ich daß ihr Euch täglich ferner werdet, denn nun werden Mißverständniße, falsche Auslegungen, Deutungen und Klatschereyen immer mehr dazu tragen, und manches schuldlose Wort von beiden Theilen für beziehungsvoll gehalten werden. – Nun, auch hier soll mich mein fester Trost, der Glaube an die Lenkung zum Guten von Oben, nicht verlaßen.      Gieb mir einen herzlichen Kuß! so! nun zu Deinem so lieben guten Brief No: 52, den ich noch gar nicht beantwortet habe.      Arme Lina auch Schnupfen und Husten suchen dich heim? gewiß wie du sagst, von dem vielen Staub. und in deinem engen Nestchen mußt du nun wahrhaft wie ein Gefangener leben, und zwar nicht in der Nachbarschaft die dein Gemüth und Karakter beruhigen und besänftigen kann, o du mein armes liebes Leben.      Die Küßen scheinen allerdings sehr schön zu sein, aber ich habe ja blos die Kante davon gesehen. Also mein Schreibschrank wird schön?* eile ja nicht mit dem herschikken, damit er gehörig austroknet beim Tischler, und ich ihn dann gleich ins neue Quartier kann schaffen laßen, denn in meinem jezigen Nest ist kein Plaz mehr für eine Kaze, geschweige denn für einen so großen Schrank, wie du ihn beschreibst.      Die WaßerGefäße in die Küche pp das kaufe ich alles erst wenn die Hausfrau selbst da ist.      Von Weixelbaums habe ich nebst den gehörigen Grobheiten und Verdruß endlich meine 10 # wieder bekomen*. Wohlbrük aber und Gned stehn noch im Register.

Das Stük von Kind* werde ich mit nächster Post schikken, wenn nehmlich die 7 # hier angewiesen sind, sonst krieg ich es nicht. thät dir sie gerne geben lieber Muks, geht aber nicht. die Reihe komt jezt an mich. Waschen werde ich alles nach und nach laßen.      Jezt wird meines neuen Bedienten Livree gemacht, die kostet schönes Geld. – ! – ! Die Waschmaschine ist heute mit Waßer gefüllt worden. Den Uhrschlüßel | habe ich endlich doch gefunden, und sie schlägt und geht tüchtig drauf los.

Das wäre wirklich höchst seltsam wenn die Brun: den Garten kaufte – – du komischer Schneefuß mit deinen auf den Händen tragen, Haare gen Berg stehen, und neuen Kleider, wie gerne will ich die lezteren geben, unter der angeführten Bedingung, und ich sollte ich Tag und Nacht arbeiten.

Wegen dem Wein lieber Muks, wäre es der Ausgabe wegen gar was geringes, aber ihn hin zu bringen ist die Sache, allenfalls wenn Grünb: zurük gehen. ich werde schon sehen, was ich für Gelegenheit finde.

Wie ist es denn mit der Waldmüller wird sie an mich schreiben oder nicht? ich muß bald Bescheid wißen, sonst sehe ich mit Anderen in Richtigkeit zu kommen.      Morgen ist Blaubart, die lezte Rolle der Grünb:* Gestern Abend dauerte die Probe davon von 6 – 10 Uhr Abends.

Jezt muß ich ein paar Kranke besuchen vom Orchester, und dann zu Grünb: gehen, die gar nicht recht mit ihren Foderungen herausrükken wollen, wahrscheinlich um erst zu sehen wie es in Berlin ist. Ja nun, jeder denkt auf seinen Vortheil.

     Also lebe jezt wohl geliebte Lina, ich bin nicht eher wieder ganz ruhig, bis künftigen Donnerstag*, oder dann vielleicht erst recht traurig – doch Nein, Nein, Nein!
Gott segne dich. + + + sey brav, und behalte lieb, deinen dich so unendlich liebenden Carl

Guten Morgen, meine geliebte Lina! Muß dir nur berichten daß unser Blaubart gestern eine herrliche Vorstellung war, und so vortrefflich gieng, als prachtvoll ausgestattet war. er gefiel auch sehr*, und die Grünb: die heute abreisen wollten sind so bestürmt worden, daß Morgen die Vorstellung wiederholt wird. Es wäre natürlich jammerschade gewesen wegen 1 mal eine solche Oper einzustudieren. die Grünb: war aber sehr schwer zu bewegen, denn die Rolle greifft sie entsezlich an.      Das Kostüm war ganz herrlich, ganz fabelhaft, und äußerst kostbar aus der großen Garderobe zusamengesucht. Auch aus der Königl. Rüstkammer war vieles benuzt und zwey herrliche Schimmel mit Goldgestikten Sametdekken, bis auf die Erde, trugen den Blaubart und Marien hinweg.      Nun will ich aber auch einige Tage die Proben ruhen laßen, und meinen Bericht über die Oper an die Intendançe machen, nebst meinen anderen vielen rükständigen Arbeiten. der Himmel schenke mir Lust dazu. An Zeit hoffe ich soll es nicht fehlen.

Da bin ich abgerufen worden zu einer großen Besichtigung des Opernhauses das hergestellt werden soll, durch Weinbrenner, der hier ist. das hat gedauert bis 1 Uhr. und der dumme Postbote bringt deinen lieben lieben Brief No. 53 eben kurz vor Abgang der Post.      Welch eine große Freude machte mir dieser. Liebe gute Lina, eine wahre Beruhigung hat er mir ins Herz gegoßen, und somit wird hoffentlich mein lezter Brief den ich in großer Bewegung meines Herzens schrieb, dich schon so ruhig und klar sehend gefunden haben, daß er dir nicht so schmerzlich sein konnte, als ich wohl befürchten muste. Recht offne Erklärung gegen Drs. ist gewiß das allerbeste, und dabei braucht man sich nichts zu vergeben. Sie wizzelt und nekt gerne, und ist man ohnedieß verwundet so versteht man leicht alles falsch. indeßen bleibe ich doch auch bey der Meinung nicht in den Garten zu ziehen. Es ist beßer | so. Ich warte nun mit gröster Sehnsucht auf deinen nächsten Brief, um gänzlich aus meiner großen Unruhe zu sein. Lieber Muks, lebst du recht treu deinen Ansichten nach die du in diesem Brief aussprichst, und verleitet dich deine Heftigkeit nicht, so brauche ich dir gar nichts zu sagen, und alles wird gut gehen. Gott gebe seinen Seegen.      Daß Gned mit mir zufrieden ist, thut mir wohl, da ich zu sehr das Gegentheil gewohnt worden bin in der Welt. auch Stögers Antheil freut mich. und daß Muks sich seines Carls freute, ist das Schönste.

Die Theater Geschichten sind sehr komisch. desto beßer und immer ruhiger und herrlicher geht es bei Uns.      Das ausführlicher alles in meinem nächsten Brief. Nun nochmals herzlichen innigen Dank für die Beruhigung die der deinige in meine Seele brachte. deßen ganzes liebevolles und die Verhältniße richtig beurtheilendes Wesen mir unendliche Freude machte. wie gerne möchte ich meinen geliebten Schneefuß dafür an mein Herz drükken, und die herzlichsten Küße auf Stirn und Lippe drükken. Nun Gott sey Dank. Die Zeit wird immer kürzer die dazwischen liegt. Gott wird ja alles zum Guten lenken. Er segne und erhalte dich in gutem Glauben und Menschen und SelbstKenntniß. + + +.

Grüße Drs: herzlich, so wie die Mutter, bleibe brav und heiter, und liebe wie dich liebt, dein ewig treu und unveränderlich dich zärtlichst liebender Carl.

Editorial

Summary

über Probleme zwischen Caroline Brandt und Junghs; Hausrats-Angelegenheiten; fragt noch einmal nach Interesse der Waldmüller; d. 18. Blaubart mit großem Erfolg aufgeführt, Grünbaums sind so bestürmt worden, dass die Oper am 20. wiederholt wird; muss Bericht über die Oper an die Intendanz machen; Besichtigung des Opernhauses

Incipit

Ich bin diese Tage über recht traurig und zwar

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 8

    Physical Description

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • am unteren Rand der Adressenseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”
    • unter der Adresse von fremder Hand: “Stare”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

Thematic Commentaries

Text Constitution

  • “ich”overwritten
  • “brav”vierfach unterstrichen

Commentary

  • “… nothwendig wäre, diese schmerzliche Geschichte”Betrifft die bereits in den vorhergehenden Briefen mehrfach thematisierte vorübergehende Entfremdung zwischen Caroline Brandt und dem Ehepaar Jungh, ausgelöst offenbar durch Vorhaltungen, die Philipp Jungh Webers Braut gemacht hatte.
  • “… Also mein Schreibschrank wird schön?”Wohl der Schreibtisch/Schreibschrank, den Weber laut Tagebuch am 29. März 1817 beim Prager Tischler A. Schambach in Auftrag gegeben hatte.
  • “… meine 10 # wieder bekomen”Geliehen laut Tagebuch am 14. April 1817.
  • “… Das Stük von Kind”Wohl Kinds malerisches Schauspiel Van Dyck’s Landleben; vgl. den Brief an Caroline vom 21.-23. Mai 1817.
  • “… die lezte Rolle der Grünb:”Sie gab die Marie.
  • “… ganz ruhig, bis künftigen Donnerstag”Die Briefe von Caroline Brandt erhielt Weber üblicherweise donnerstags und montags; gemeint ist der Erhalt von Carolines Antwortbrief auf Webers Brief Nr. 48.
  • “… war. er gefiel auch sehr”Vgl. den Bericht in der Abend-Zeitung vom 4./5. Juni 1817.

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