Carl Maria von Weber an Caroline Brandt in Prag
Dresden, Montag, 15. September 1817 (Nr. 90)

Back

Show markers in text

Absolute Chronology

Preceding

Following


Direct Context

Preceding

Following

Mein herzlieber Muks

Du wirst schön schimpfen über meine kurzen Briefe, aber es ist unmöglich anders, denn die übrigen Menschen bekommen gar keine. du hast keine Idee wie ich oft gestört werde. Alle Augenblike komt irgend ein Handwerksmann der um etwas fragt, zeigt, Maaß nimmt, oder mit dem etwas zu überlegen ist. dazu kömt die neue Organisation des Chores* und 1000 andre Dinge. Ich habe 3 liebe Briefe zu beantworten von dir. 1t No. 4 oder 91. mit der traurigen Scene über die ich recht gelacht habe, aufheben will ich dich schon wenn du nicht mehr auf dem Papier vor mir hottst, sondern in Natura! was ich mit den 130 Ellen Moußelin mache? daß ist mein Geheimniß H: Profeßor.      hübsch solls werden, wenns nur alles geräht. aus den Neidern mache ich mir nichts, wir wollen ja nicht damit prahlen, sondern nur selbst warm und schön sizzen. Eigentlich bis[t] du daran Schuld mit den Hemde Knöpfchen – mit denen gelben Möbeln, darnach richtet sich jezt alles. Das gelbe Zeug ist mir für 5 oder 6 ƒ W: W: zu theuer, und nehme ich lieber Levantine, den ich hier für 1 ƒ Conv: M: bekomme. da du es mit Gewalt wißen willst, so erfahre denn daß es zu Vorhängen ist. für die Belehrung über die Geld Affairen danke ich schönstens und bin ganz im Reinen jezt. küß die Hand. [3 Kußsymbole] Deine Kleider sind sehr schön geworden.      Nimms nicht übel, Mukkin, aber ich muste herzlich lachen, wie du schwurst du wolltest mich nie mehr kränken, wollen sehen wie viel Briefe gewechselt werden ohne einen kleinen Streit. – den Stramin für die Drin werde ich besorgen*.      du hast’s jezt gut bald gar nichts mehr zu thun, aber bis[t] gewiß dabey unruhiger wie ich, der ich in der Anordnung der Dinge für uns eine gar liebe Beschäftigung habe, die mich gleichsam immer bei dir sein heißt, indem ich dich immer in Gedanken um Rath frage, und denke ob das dir auch recht sein wird.      Die Adreße von dem gelben Zeug laße dir aber auf jeden Fall geben, weil ich vielleicht doch noch etwas brauchen könnte. Z: B. 6 Stühle sind gar zu wenig in ein solches großes Zimmer. auf jeden Fall muß ich noch 6 haben. an demselben Tag erhielt ich deinen Brief ohne Nro. durch Friedemanns die ich Gestern besuchte, recht artig fand, und mir viel von dir erzählen ließ. Sie grüßen dich bestens, und sind sämmtlich wohl.      Ey wärst du nur mitgekommen, da hättest du deinen Muks in einer schönen Konfusion gefunden, wie ich seit vielen Jahren nicht war. Mit einer Mlle: Braun bin ich das erstemal aufgeboten worden*, und die Königin war die erste die mir es sagte. die andern beyden mal wurde aber der Fehler verbeßert, und wir purzelten ganz ordentlich miteinander herab. | Das Maas zum Ring werde ich dir nicht schikken, es möchte nicht paßen und dann eine üble Vorbedeutung geben, für den Tag muß auch das kleinste Wölckchen vermieden werden. So ein Ring ist immer vorräthig, und du sollst mir ihn schenken.

No: 92 erhielt ich heute Mittag.      Auf den Zwik freue ich mich recht, der soll mir erzählen*. Er wird dir als seiner künftigen regierenden KapellMeisterin schön die cour gemacht haben, das hat aber nichts zu bedeuten.       daß er Dresden so sehr lobte wundert mich, hier war er anderer Meynung.

Wegen deinem Kleid will ich allerdings warten, bis ich nach Prag komme, damit du dir selbst es nach deinem Geschmak aussuchen kannst*, aber ich muß es dir schenken, das kann ich mir nicht nehmen laßen. Die Kauf Lust laße dir nur übrigens vergehen, denn wir können uns mit nichts schleppen, und hier wenn man es abwarten kann, bekömt man alles vortrefflich.      Die armen Dr: mit ihren vielen Ausgaben dauern mich recht, aber es geht mir auch recht hart. Gestern habe ich ein nothgedrungenes Dinèr gegeben denen Italienern, das mich sehr viel Geld kostet, und bei dem ich Ihnen ein paar Dinge zur Lehre sagte*, die eine Todtenstille hervorbrachte und ungeheure Sensation machte. Es muste sein, mündlich das ausführlich im Wagerl.

Den Buchhändler werde besorgen.      Gesund bin ich Gott sei Dank lange nicht so gewesen wie jezt, nur der Hals rührt sich zuweilen ein bißel. Auch guten Muthes wäre ich, wenn nur einmal etwas bestimtes über die Hochzeit feyerlichkeiten* da wäre. ich hatte vor ein paar Tagen die Hoffnung daß gar nichts gemacht würde, Gestern aber sprach der Graf von einem Prolog auf dem Theater als Cantate, und bedenke das noch comp: ausschreiben und auswendig lernen. es ist kaum möglich. Noch ein paar Tage laße ich es anstehen, dann muß es brechen oder biegen. Mache doch daß ich endlich den Schrank bekomme, das dauert ja eine Ewigkeit, und jezt brauche ich ihn so nothwendig*. Aus Jena war der Buchhändler Fromann hier, dem habe ich Versprechen müßen, ihn mit dir zu besuchen auf unserer Reise.       Meine Lieder haben auf der Universität alle andern verdrängt*, und die Studenten halten ihre Aufzüge und alles unter deren Absingung.       Der Dichter der Schuld pp Müllner, hat auch sehr ehrenwerth an mich geschrieben wegen seinem Yngurd*.      Endlich habe ich auch den heroischen Entschluß zu einem schwarzen Frak ausgeführt, und mir Tuch gekauft*. in das eine Fenster laße ich dir so ein nettes Nest bauen wo du den ganzen Markt übersehen kannst, Nun!!!!

ade Muks, ich gehe zum Tapezier. Gott behüte dich + + + sey heiter und brav. Grüße bestens Drs. und die Mutter, und behalte lieb, deinen dich so innig liebenden Carl. Millionen Bußen.

In Wagerl habe ich einen größeren Sizkasten für deine Kleider machen laßenT.

Editorial

Summary

betr. Wohnungseinrichtung und Hochzeitsvorbereitungen; berichtet, dass er zu den Feierlichkeiten anlässlich der Hochzeit Maria Anna Carolinas von Sachsen möglicherweise binnen kurzem eine Kantate werde schreiben müssen; teilt mit, dass man ihm von der Popularität seiner Lieder in studentischen Kreisen berichtet habe

Incipit

Du wirst schön schimpfen über meinen kurzen Brief

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 2, 22

    Physical Description

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
    • am Kopf der recto-Seite von F. W. Jähns in Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut. Eigenhändig.”

    Provenance

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403

    Corresponding sources

    • Muks, S. 485–489

Text Constitution

  • “… übrigen Menschen bekommen gar keine”gar keine: dreifach unterstrichen
  • um“d” overwritten with “um
  • “… deine Kleider machen laßen .”Nachsatz am oberen Rand der Versoseite in umgekehrter Schreibrichtung

Commentary

  • “… die neue Organisation des Chores”Da die Schüler der Kreuzschule nicht mehr wie bisher als Choristen im Hoftheater mitwirken durften, wurde im Herbst 1817 ein stehender Opernchor für das Hoftheater gegründet. Laut Tagebuch ordnete Weber am 14. September die „ChorSachen“ und stellte dem neuen Ensemble bereits am 15. September den Chordirektor vor. Im ersten (handschriftlichen) Hoftheater-Tagebuch sind für 1817 sieben Soprane, zehn Alte (davon drei Knaben), sieben Tenöre und zehn Bässe als Choristen genannt.
  • “… die Drin werde ich besorgen”Weber kaufte laut Tagebuch am 23. Oktober 1817 4 Ellen „Silber Stramin“ und erhielt das Geld dafür am 5. November d. J. zurück.
  • “… ich das erstemal aufgeboten worden”Offenbar fehlerhafte öffentliche Verlesung des Aufgebots in der Dresdner Hofkirche, vermutlich am 31. August 1817.
  • “… , der soll mir erzählen”Nach seiner Rückkehr vom Prager Gastspiel; vgl. den Kommentar zum Brief vom 31. August / 1. September 1817.
  • “… nach deinem Geschmak aussuchen kannst”Caroline Brandts Brautkleid wurde laut Tagebuch am 1. November 1817 in Prag gekauft.
  • “… paar Dinge zur Lehre sagte”Vgl. dazu Webers Tagebuchnotiz vom 14. September 1817.
  • “… bestimtes über die Hochzeit feyerlichkeiten”Prokurationstrauung der Prinzessin Maria Anna.
  • “… brauche ich ihn so nothwendig”Der Schreibschrank traf laut Tagebuch am 6. Oktober 1817 ein.
  • “… der Universität alle andern verdrängt”Gemeint sind die besonders bei Studenten äußerst beliebten Chöre aus Leyer und Schwert.
  • “… mich geschrieben wegen seinem Yngurd”Zu diesem Stück hatte Weber im April 1817 eine Schauspielmusik komponiert; vgl. WeV F.8.
  • “… ausgeführt, und mir Tuch gekauft”Laut Tagebuch am 12. September 1817.

    XML

    If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.