Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Sonntag, 18. und Montag, 19. Juli 1824 (Folge 2, Nr. 6)
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Ein Kompliment, und du wärst ein faules Ding. ist nur heute schon wieder der 4t Tag ohne Brief von dir. hast ja niz zu thun. ja! wenn du so beschäftigt wärest wie ich, das wäre was andres. Meine Geschäfte häufen sich mit jedem Tage. Von heute an trinke ich erst 4 Becher am Kreuzbrunnen, dann wandre zum Ferdinandsbrunnen, der ein halb Stündchen entfernt ist, und schlukke da auch 2. um 3 Uhr Nachmittags wieder am Ferdinandus, 2. Ach Gott was wird man marode. heute habe ich nun erst nach 10 Uhr meinen Fee zu mir nehmen können. das ist nun so meine eigentliche Schäferstunde. nach dem 3–4 stündigen langsamen Spazieren und Waßer saufen, sich ganz wieder ausziehen, und den Kaffee mit der größten Ruhe und Behaglichkeit verzehren, dabei ein bißel lesen zu können, ist das hübscheste vom ganzen Tage. Ein HauptGeschäft, für mich nun gar das lustigste, ist das ewige An und Ausziehen, Morgens, Mittags, Bade — und vielleicht Ball-Toilette giebt eine hübsche Abwechslung. das alles muß nur sehr langsam geschehen, denn die erste Pflicht ist, sich nicht zu erhitzen, sondern den Leichnam recht sorgfältig zu hätscheln und zu pflegen. Solche 4 Wochen sind dann rein aus dem Leben weggestrichen, und laßen nicht einmal eine angenehme Errinnerung zurük. doch halt, ich will nicht unbillig und undankbar sein, schlägt die Kur an, und dankt man Ihr Gesundheit so ist das wahrlich angenehme Errinnerung genug.
Was mögt ihr Lieben nun wohl machen? den ganzen Tag umschwebe ich Euch in Gedanken, und freue mich auch für Euch des schönen Wetters, wenn es anderst über den Bergen eben so ist wie bei uns im Neste. Da komt der Dr:
ade derweile.
d: 19t Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Gestern Nachtische machte ich einen Spaziergang aufs Jägerhaus, und wie ich von da nach dem Ferdinands Brunnen gehen will, kömt schnell ein tüchtiges Gewitter, und Regengüße mit solcher Macht darauf, daß ich froh sein konnte trokken nach Hause gekommen zu sein, und um 7 Uhr ins Bad ging. ach Gott, es ist ein elend Leben, wenn man so alles hervorsuchen muß die Zeit zu tödten, ohne sich zu beschäftigen. Man zählt wirklich die Stunden, und dankt Gott wenn wieder eine vorüber ist. Heute früh ist nun ganz schändliches Wetter, und es waren höchstens 20 Personen am Brunnen. ich mußte Ueberrok und Mantel anziehen um nicht zu frieren, so kalt ist es, und meine Promenade an den Ferdinands b: mußte natürlich unterbleiben. Es ist hier noch alles so im Entstehen, daß man bei Regenwetter gar nicht weiß was man anfangen soll, keine bedekte Gallerie zum spazierengehen, kein VersamlungsSaal; nichts als die paar schmalen Collonaden am Kreuzbrunnen, wo der Regen von beiden Seiten hereinschlägt, und der Wind zieht; dazu komt noch, daß man entsezlich empfindlich für alles dieses wird, da der Körper in einen sehr gereizten Zustand versezt wird. Eine Art Fieber muß eintreten, sonst wirkt der Brunnen nicht gehörig. Das a: b: c: wird ganz schwarz pp Noch immer, mein geliebtes Leben kein Brief von dir. auch sonst keine. ich glaube fast ihr wollt mir keinen schikken, um mich mit nichts zu beunruhigen. Es ist wahr daß diese totale Abgeschnittenheit von allen Geschäften sehr wohlthätig wirkt, und eine gewiße Ruhe hervorbringt, die am Ende wohl zur Heiterkeit führen muß. aber, bitte! bitte! schreibe du mir öfter, die Woche 3mal? ja?! ich weiß wohl daß du nicht wißen wirst was du schreiben sollst, aber du glaubst nicht was für ein Trost es für den Fernen ist, seine Lieben wohl zu wißen, und das oft von ihnen zu hören. So oft sich Tritte meinem Zimmer nähern, — und das geschieht oft, denn der Waaren ausbietenden Juden, und anderer die das A|b:‡ besuchen sind viele, — lausche ich, und hoffe klopfenden Herzens auf den Postboten. aber immer nichts. ich wollte diesen Brief nicht eher abschikken als bis ich einen von dir zu beantworten hätte, aber er soll doch heute um 3 Uhr fort, wenn auch keiner von dir kömt, damit du nicht in Unruhe gesezt wirst. Nun will ich ein bißel in der Stube herum laufen, das heißt 6 Schritte hin, 6 Schritte her, machen, dann ein bißel lesen, und mich langsam anziehen; so wird wohl der Mittag heran rükken. — Geduld, Geduld, heißts da. |
Später.
Der Briefträger komt nicht! — Mittagszeit ist herangeträumt, der Brief muß zugemacht und fortgetragen werden. Könnte ich mich doch einen Augenblik zu Euch zaubern, oder Euch zu mir. das sag ich dir, allein geh ich nicht wieder in ein Bad; es müßte denn ein lustigeres sein, und das glaube ich nicht, denn an gesezzmäßiger Langeweile sind sie alle reich. Sei nicht böse, meine Alte daß ich dir so viel vorjammere; aber wenn ich erzählen soll was ich mache, so kann ich nur wieder von meinem Jammern jammern. Dabei werde ich aber weder blaß noch mager, Schlaf ist wieder gut. Eßen schmekt ganz extra, und somit darf ich eigentlich nicht klagen. gute Wirkungen des Waßers können ohneh‡ unmöglich in 6 Tagen sichtlich sein, und da heißts immer die beste Hoffnung von der Folge haben. Nun; so schnell sollen sie mich in Dresden nicht gleich wieder ins Joch spannen. ich hoffe ganz Intognito‡ noch in Hosterwitz bis Ende August zu hokken auch wollen wir einige Tage in Töplitz zu bringen; nicht wahr?
Ist denn die Mäzze recht lustig? hast du viel Besuch? die Fräulein Hahnmann soll froh sein daß sie nicht hier ist*. Wer nicht trinkt und badet, der muß gleich abstehen wie ein Fisch im Sande.
Schreibe mir ja recht ausführlich von jedem Hausgenoßen, und grüße alle. kannst mir auch so ohngefähr Vorschläge machen, was ich wohl jedem mitbringen könnte.
Gott segne dich und meinen geliebten Max 1000mal + + +
Erhalte Euch gesund und froh, und behaltet lieb Euren‡
Carl [Im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen.
Editorial
Summary
wartet auf ihren Brief; klagt scherzhaft über die Vollbeschäftigung durch Trinken aus verschiedenen Brunnen und ständiges Umkleiden – alles in “langsamem” Tempo; (b) d: 19: wieder Klage über Langeweile, das noch unfertige Bad und die totale Abgeschnittenheit; (c) später: noch immer hat er keinen Brief von ihr
Incipit
“Ein Kompliment, und du wärst ein faules Ding”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 3, 17Physical Description
- 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)
- am unteren Rand der Adressenseite von F. W. Jähns mit Tinte: “Carl Maria von Weber an seine Braut, eigenhändig.”
Provenance
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403