Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Hosterwitz
Marienbad, Dienstag, 20. bis Donnerstag, 22. Juli 1824 (Folge 2, Nr. 7)
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Endlich und endlich bekomme ich heute allerdings früh, denn es war eben erst 5 Uhr gewesen, aber doch entsezlich spät, deinen lieben Brief No 3 vom 11 und 13t huj: du arme geplagte Weibe, dauerst mich recht, und war ich Anfangs recht Angst der Brief möchte eben so schlimm schließen als er anfängt, und gar eines von Euch krank sein. da dieß aber Gott sei Dank nicht der Fall ist, bin ich wieder guter Dinge, ja, nachdem ich den Brief ein paarmal gelesen, habe ich sogar lachen müßen wie alles so zusammenkam, wie die Verlegenheiten im Lustspiel. das Gewitter war also bei Euch zu derselben Zeit wie in Karlsbad, und aus den andern Briefen werden wir sehen ob das Marienbader Wetter auch so einstimmig mit dem Hosterwitzer ist. ich wünsche das nicht, weil es doch ein Trost ist, bei schlechtem Wetter zu hoffen daß es der andre Theil nicht hat. Gestern Nachtische hellte es sich in so weit auf, da߇ ich meine FerdinandsReise* antreten konnte. darauf das 7t Bad nahm und wie gewöhnlich nach 9 Uhr im Bette lag. Heute früh nun, war eine wahre Winter kälte, so daß es mich an die Finger und Zehen /: troz der hervorgesuchten wollenen Sokken :/ froh‡ fror. doch regnet es wenigstens nicht, und die Sonne blikt dann und wann durch die grauen Wolken.
Ich kann mir denken, mein geliebtes Leben, daß du eine rechte Last hast, und danke immer dem Himmel dafür, daß du an der Marie eine sichere Stüzze hast, sonst gienge das ja gar nicht. aber was ist zu machen, die braven Menschen meynen es so gut. — bezahlen kannst du dir natürlich nichts laßen, besonders da immer so extra Besuch kömt. wir halten ja kein Wirthshaus. Etwas anderes wäre es wenn die Roth allein bei dir äße, da könntest Du zu ihrer Beruhigung ein kleines Kostgeld nehmen*.
Der Verlust des kleinen Vogels geht mir sehr zu Herzen. wie oft hat er uns im Winter erfreut durch seinen lieben Gesang. Habt ihr denn gar nicht versucht ihn wieder zu suchen? ich bin recht betrübt. wir hatten ihn so lange, und jezt erst wieder hergestellt von seiner KrankheitT. — —
Haber für Hosterw: haben wir genug, also braucht nicht so ängstlich gekauft zu werden. eher Heu; aber das Geschrey wegen des Waßerschadens verliehrt sich bald und dann kommen wieder die alten Preise. desto beßer daß keine Briefe kommen. ich habe hier noch keinen einzigen geschrieben.
Schreib mir doch auch Theater und Stadt Neuigkeiten.
Nun muß ich puzze puzze machen. Gewiß habe ich Euch vor allem in der Welt lieb. buß die gute Mäzze für mich. hörst du? wird er mich auch nicht vergeßen? Guten Appetit. /: a prospos Appettit, ich eße nun auch die Semmelkrume zum Kaffee :/
d: 22t Früh 10 Uhr. das war heute ein fröhlicher Ausgang zum Brunnen, da mir dein lieber No: 4 vom 15 und 16t entgegen kam. Vor allem sei Gott gedankt daß ihr gesund seid, und auf die fatale Post geschimpft die 6 Tage braucht ehe ich einen Brief bekomme. du mußt mir aber auch hübsch ordentlich schreiben welche | Nummer Du von mir erhältst, und hübsch Punkt für Punkt antworten. Die Fragen deines lieben Briefes wirst du alle schon in meinen frühern beantwortet finden, und genau wißen wie ich lebe, oder vielmehr wie ich das Leben verspaziere, vertrinke, verbade, veranziehe und vergähne. man wird alles in der Welt gewohnt, und so wird es mir auch mit der Faulheit gehen, zu der ich ohnehin große Anlagen und vorzügliches Talent in mir verspüre.
An Besuchen fehlt es dir also nicht, und zerstreut wirst du und das Geld gewaltsam. Wenn dirs nur wohl bekomt, das leztere findet sich wieder.
Das gewiße fatale Angreifen des Vater Roth, ist mir auch nicht recht. sage es ihm doch ganz einfach. Daß Max sich hat so brav baden laßen, ist ja sehr schön. Vater schikt ihm dafür gute Bußen, und wird ihm auch was mitbringen. Was, weiß aber der Himmel. Es freut mich sehr daß Schwarz so gefallen hat*. grüße ihn ja recht herzlich von mir. Die armen Paulis!! siehst du, das ist so ein kräftig gemachtes, abgehärtetes, und genährtes Kind. du lieber Gott; möge es doch bald wieder gesund sein.
Das mit dem Hans seinen Huf, ist ein sehr fataler Umstand; ich verstehe nur eigentlich nicht recht ob der ganze Huf sich unter der Krone ablöst, das wäre sehr gefährlich, und könnte das ganze Pferd unbrauchbar machen, oder was es dann bestimmt ist. schreibe mir das ja recht umständlich, und bittet lieber den gefälligen Major Tennekker um RathT.
Das Losmachen der Gretel, soll auch durchaus nicht Statt finden könnenT. Du armer Kerl magst recht erschrokken sein. doch ist die Sache auch wieder komisch. die dumme Mine. ich hoffe es hat ihr nicht weiter geschadet. hier sieht man gar kein Obst, außer Erdbeer, und die reizen mich nicht. Wie führen sich denn die Leute auf? bist du zufrieden?
Kann mirs denken daß es mit Marschner nicht gut geht*. habe das alles so kommen sehn. ist denn der Geh: Rath nun zurük? Wenn auch die Kapelle noch so unzufrieden ist, so erfahren es doch die Höhern nicht. was hört man denn von Morlachi?* und wie gefällt der neue Tenorist? Du mußt ein bißel mehr klatschen. Hier komt gar keine Zeitung, nichts her.
d: 20t Juny hat ich an Mutter die 2 # geschikt. da könnte allerdings Antwort da sein, aber sorge dich nicht. wenn es nichts zu klagen giebt, sind sie im Schreiben faul.
Wegen meiner Gesundheit sei außer Sorgen, es geht mir gut. Seit Gestern habe ich nun wieder eine andere und bequemere Zeit Eintheilung bekommen. um 1/2 6 Uhr gehe ich an die Quelle, trinke 3 Becher Kreuzbrunnen, dann nach dem Ferdinands Br: wo ich auch 3 trinke. dann spaziert man herum, bis 9 Uhr heran komt zum Frühstük. ah! das schmett gut. — um 11 Uhr bade ich dann. und habe also nach dem Bade noch ein Stündchen zum umziehen vor Tische und ausruhen. das ist sehr gut; dann habe ich den ganzen Nachmittag frey, und trinke Abends 6 Uhr wieder 2 Becher am Ferd: Br: um 8 Uhr eße ich ein Suppel, und um 9 Uhr lieg ich im Nest, wenn nicht Ausnahmen sind, wie heute: Z: B: wo der Prälat einen Ball giebt, wo | der Fürst Taxis für ihn die Honneurs macht. da bin ich auch geladen, und werde ein Stündchen zugukken*. Intereßantes giebt es gar nichts hier, meine liebe Mukkin; es ist bei dem besten Willen unmöglich eine amourische Bekanntschaft anzubandlen; und wenn mir an andern Orten zu viel Aufmerksamkeit erwiesen wurde, so darf ich hier darüber am wenigsten klagen. und das ist recht gut, ich tottle so meinen Weg fort, und freue mich herzlich wenn ich Abends beim ins Bett gehn wenn ich Euch + + + gebe sagen kann, wieder ein Tag vorbei. Blitz! jetzt ists aber hohe Zeit daß ich schließe, sonst versäume ichs Bad. heute das 10t also doch gewiß das drittel überstanden.
Gott segne Euch ihr Lieben + + +. und behaltet lieb den nur für Euch lebenden Vater Carl.
[Im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen
Grüße an Alle.
Editorial
Summary
hat ihre No: 3 erhalten; über den Verlust des kleinen Vogels; bittet sie um Theater- und Stadtneuigkeiten; (b) d: 22t: hat ihre No: 4 erhalten; über Privates und Haushalt; hat erwartet, dass Marschner sich nicht bewährt; erkundigt sich nach Morlacchi und dem neuen Tenor; erwähnt Geldsendung an die Mutter und bevorstehenden Ball des Prälaten
Incipit
“Endlich und endlich bekam ich heute allerdings früh”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Weberiana Cl. II A a 3, 18Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- PSt. vMarienbaad
- Echtheitsvermerk am unteren Rand Bl. 2 v (Adressenseite) von F. W. Jähns: “Carl Maria von Weber an seine Gattin. Eigenhändig.”
- Rötelmarkierungen von Max Maria von Weber
- auf Bl. 2r (im unteren Drittel) von zwei verschiedenen Schreibern Namen ergänzt (Lesung unsicher, Bedeutung ungewiss)
Provenance
- vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“ß”“s” overwritten with “ß”
-
“froh”crossed out
Commentary
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“… da ß ich meine FerdinandsReise”Weg zum Ferdinandsbrunnen.
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“… Beruhigung ein kleines Kostgeld nehmen”Das Ehepaar Roth war laut Tagebuch am 2. Juli nach Hosterwitz gezogen (offenbar in das Webersche Quartier bei Felsner), wohl damit Frau Roth der schwangeren Caroline von Weber während der Abwesenheit ihres Mannes Gesellschaft leisten könne. Überlegungen zur Unterbringung und Versorgung der Gäste finden sich in mehreren Briefen Webers an seine Frau aus Marienbad.
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“… daß Schwarz so gefallen hat”Carl Schwarz gastierte am Dresdner Hoftheater am 6. Juli (Feldern in Hermann und Dorothea, Bergheim in Der gutherzige Alte von Lambrecht), 9. Juli (Franz Bertram in Die Versöhnung) und 12. Juli 1824 (Ahlden in Verbrechen aus Ehrsucht).
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“… mit Marschner nicht gut geht”Marschner war zunächst im März 1824 probeweise als Musikdirektor am Dresdner Hoftheater angestellt worden und debütierte in dieser Funktion ca. Ende Mai. Trotz anfänglicher Opposition des Orchesters erhielt er im Herbst 1824 eine Festanstellung; vgl. Georg Münzer, Heinrich Marschner, Berlin 1901, S. 17f.
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“… man denn von Morlachi ?”Morlacchi kehrte erst im September aus Italien zurück; vgl. Webers Tagebucheintrag vom 10. September 1824.