Carl Maria von Weber an Heinrich Baermann in München
Dresden, Montag, 16. Mai 1825

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S Wohlgebohren

dem Herrn Heinrich Bärmann

Erstem Klarinettisten S. Majestät

des Königs von Bayern

zu

München

Mein theurer Freund!

Dein lezter Brief hat mich in eine recht wunderliche Stimmung versezt. du weißt das man manche Dinge, besonders solche die einem lieb sind, freudig ergreifft im Gedanken, und nicht immer gleich überlegt, wägt oder grübelt, so gieng es mir natürlich bei dem Gedanken an eine Reise mit dir. ein Gedanke der mich unter allen Beziehungen immer nur freudig anregen kann, darüber vergaß ich freilich, oder vielmehr ich huschte so darüber weg, was Fürstenau mich gebeten hatte. Nun dein Brief kommt, sieht es fast aus als hätte ich doppeltzüngig gesprochen, und das ärgerte und verwirrte mich.

Die Sache ist einfach die.

Gleich wie ich den Ruf nach London erhielt, kam Fürstenau zu mir, und beschwor mich, ihn mit hinzunehmen, da er durch mich dort großen Vortheil hoffe.      Nun schäzze ich Fürst: als Künstler und Menschen sehr hoch, und ein Begleiter war nun besonders meiner Frau ein sehr tröstlicher Gedanke, ich aber hatte gar keine Lust darauf einzugehen, 1tens weil ich weiß wie schwer es ist für einen Instrumentalisten in England etwas zu machen. 2tens weil ich kaum glauben konnte für mich selbst zu sorgen, geschweige denn für einen Andern der ganz fremd der Sprache unkundig pp meiner unaufhörlich bedurft hätte.      Ich schlug es ihm daher nicht gerade zu ab, sagte es aber auch keineswegs zu, sondern machte ihn auf die Schwierigkeiten aufmerksam, z: B: daß ich mich unterwegs gar nicht aufhalten könne, daß er eine bedeutende Summe riskiren müße, daß in London die ConcertAufenthalte ganz getrennt von den Theatern seyen, und ich nicht wißen könne ob ich darauf einwirken könne oder nicht pp

Darüber vergieng denn der Winter, Fürstenau hätschelte diese LieblingsIdee.      wir sprachen nicht weiter darüber, und er überredete sich endlich selbst ich nähme ihn gewiß mit.      da sprachst du vom Mitreisen, worauf ich natürlich meine freudige Antwort gab.      Und nun komt dein Brief in dem du Ernst zeigst zu der Reise.      Ich sprach nun wieder mit Fürstenau, und sah nun freilich wie dieser sein ganzes Glük in diese Reise sezze, daß er seinen lezten Urlaub deßhalb nicht benuzt pp      da sizze ich nun in der Patsche, und bin mir ehrlich gesagt selbst nicht klug genug. die Reise mit dir gewährt mir Freude und Vortheile, mit Fürst: helfe ich vielleicht einem braven Künstler der es nöthig braucht. — — |

Die Sache zunächst ist aber die; daß ich selbst nicht weiß wann ich gehe.      ob zu Anfang dieses Winters oder erst im Frühjahr.      ich habe das Buch erst im Februar bekomen, konnte es also nicht bis zur May Season vollenden.      auch fangen jezt erst die eigentlichen Geld Verhandlungen an, mit denen die Herren immer hinter dem Berge hielten, und die gar nicht so englisch überschwänglich sind, als wir Deutschen immer glauben. — —

Poißls Oper ist übergeben, und sehr gut von S: Majestät aufgenommen worden*. du hast mir über einen gewißen Punkt nichts weiter in deinem Briefe geschrieben, ich konnte also auch nicht mit weiterem Nachdrukke in der Sache verfahren, denn welches Gewähr konnte ich leisten? doch habe ich gethan was ich konnte, und wir müßen nun abwarten was geschieht.

Mein Cheff, Herr Kammerherr von Lüttichau wird in den PfingstFeyertagen wohl in München eintreffen. ich habe ihn auf einen Besuch von dir vorbereitet. Er reißt um fremde Bühnen kennen zu lernen. Kinder und Frau sind gesund. Mir geht es aber gar nicht gut. ein entsezzlicher Trübsinn macht mich unfähig das geringste zu thun. — —

H: v: Lüttichaus dringender Verwendung haben wir das große Ereigniß zu verdanken, daß der König den ganzen KapellEtat um eine bedeutende Summe erhöht hat*. die Freude kannst du dir denken. wo Alles Zulage erhält.

Nun lebe wohl alter Hansel. empfiehl mich aufs beste deiner liebenswürdigen Gattin und beklage deinen armen alten treuen Bruder
W:

Alles herzliche an Freund Poisl, und die alten Freunde. Schimon nicht zu vergeßen.

Editorial

Summary

betr. Webers Londonreise: er würde gerne von Baermann begleitet werden, Fürstenau habe aber (ohne sein Verschulden) schon solche Hoffnungen in die Reise gesetzt, dass er ihn fast mitnehmen müsse; der Termin verschiebe sich ohnehin; erwähnt Oper Poißls, Reise Lüttichaus, Etats-Erhöhung und Krankheit

Incipit

Dein lezter Brief hat mich in eine recht

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Weberiana Cl. II A f 1, 16

    Physical Description

    • 1 DBl. (3 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt: DRESDEN | 16. Mai 25.
    • am rechten Rand der Adressenseite Vermerk von Baermann (Tinte): “den 14t Juni beantwortet | 1825 | den 10t July zum 2t Mal | geschrieben”

    Provenance

    Corresponding sources

    • Becker, Heinz: “Heinrich Joseph Baermann. Eine Portraitskizze” in: Die Klarinette (Hofmann) 3.Jg., Heft 2 (Juli 1988), S. 55–56 (gekürzt)
    • Schneeberger, Bernhard Maria Heinrich, Die Musikerfamilie Fürstenau. Untersuchungen zu Leben und Werk, Teil I, Münster u. Hamburg 1992, S. 256–257

    Commentary

    • “… von S: Majestät aufgenommen worden”Zum Geschenk für die eingesandte Oper vgl. den Kommentar zu Webers Brief an Baermann vom 9. August 1825.
    • “… eine bedeutende Summe erhöht hat”Vgl. Webers diesbezüglichen Vortrag vom 10. März 1825.

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