Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Montag, 17. und Dienstag, 18. April 1826 (Nr. 20)

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Ein paar Tage habe ich nicht mit dir geplaudert, denn, ich war dir bös, daß du troz aller meiner Bitten doch nur alle Wochen einmal schreibst. und das hatte mich denn auch verstimmt, auch habe ich vielerley zu ordnen was ich gern vom Halse haben will, — da kommt denn in diesem Augenblik dein lieber No. 10, soll heißen 11. und du armer Kerl dauerst mich so daß du hast so viele Tage auf der Marterbank liegen müßen, daß ich schon wieder gutt bin, und dir die besten Bußen von der Welt gebe.       Gottlob und Dank daß es mit Max so gut abgegangen ist. wieder eine große Sorge weniger. Deine Ahndungen haben sich abermals blamirt, und das gönne ich ihnen von Herzen.      du bist also doch noch immer nicht ganz wohl, da du von beßer gehn sprichst. der Schlaf ist bei mir das Beste, der ist sanft ruhig und erquikkend. das übrige ist alles zu gut um drüber klagen zu können, und wieder nicht gut genug um es loben zu dürfen.

Wenn ich eine heitere Stimmung gewinnen könnte, und nicht diese unglaubliche Sehnsucht nach Hause hätte, wäre gewiß alles beßer. so aber sizze ich auch zu viel, ich bin in meinem Leben noch nicht so viel zu Hause gewesen als in London. natürlich ich muß die Zeit fest halten. wenn nun die 12 ersten Vorstellungen des Oberon vorüber sind, dann mache ich einzelne Landparthien, das wird mich erquikken.

Die 3t und 4 Vorstellung des Oberon waren eben so glänzend als die vorigen besonders die 4t d: 15t heute dirigire ich die 5t. Gestern Sonntag war ich zu Hause bis 6 Uhr wo ich zum Diner bei Hr: Ayrton fuhr, wo recht angenehme Gesellschaft war.      du weißt wohl im Ganzen daß ich bisher viel zu thun hatte, wenn du aber die Legion von Stündlich einlaufenden Billetten, Einladungen, Bitten, Wünschen, Anfragen, Vorschläge pp die man alle wieder schriftlich beantworten muß, sehen könntest, du würdest dich entsezzen und meine Thätigkeit bewundern.       Nun habe ich nur noch ein hartes Ding, mein Concert*.      ach Gott, dazu bin ich gar nicht mehr geschaffen. Man wird mir helfen von allen Seiten, gewiß, — aber doch. — Nun, es muß auch überstanden sein, und dann wohl nie wieder.      Fürstenau muß ein Morgen Concert geben, weil gar kein Tag mehr zu haben ist. er macht recht viele Bekanntschaften, und ich hoffe seine Geschäfte sollen gut gehen. wenn er übrigens nach Hause bringt, was er mitgenommen, so muß er sich schon gratuliren.

d: 18t     Guten Morgen geliebte Mukkin. bin gestern gestört worden, und nicht wieder zum Schreiben gekommen.      Mittag zu Hause, und dann ins Theater den 5t Oberon abgearbeitet.      sehr volles Haus. ging gut. — großer Beyfall. ich habe nun den guten Mann schon so satt — daß ich recht nachzähle wann das Dutzend voll ist, um dann los zu kommen.      Er spielt gerade 3 Stunden. hätte dir gern einen Zettel geschikt, scheue aber das enorme Porto, und dann wird es mir auch Spaß machen dir all diese Sachen selbst zu zeigen und zu erklären.      Es ist jezt stark davon die Rede den Freyschütz ganz ächt in Coventgarden zu geben. | was mir davor graut kann ich dir nicht genug sagen. Diese Oper wieder von Anfang an durchkauen zu sollen. —! freylich ist die Musik ganz einstudirt, und die Stükke brauchen bloß wieder auf ihre Stelle gesezt und der Dialog hergestellt zu werden. auch will ich blos zu den lezten Proben gehn, du hast aber keine Idee was mich so eine Probe wo mir alles zuwieder ist anstrengt; aber — das große Aber ist, daß man mir die erste Vorstellung zu meinem Benefice geben will — daß ist denn auch kein Spaß; obwohl ich die Tages Kosten mit 250 £ /: circa 1700 rh. :/ bezahlen muß. also in Gottesnahmen drauf los.

Heute ist ein Tag zum Todtschießen. ein solcher dunkelgelber Nebel daß man kaum in dem Zimmer ohne Licht bestehen kann. Die Sonne ist ohne Strahlen wie ein rother Punkt im Nebel. es ist ordentlich schauerlich. Nein, in diesem Klima möchte ich nicht leben. freylich sagt man daß alle diese Schönheiten blos London eigen sind, und in der freyen Natur die Sache ganz anders aussieht. die Bäume die ich zu sehen bekomme sind alle vollkommen grün, und London hat eine große Menge so freyer Plätze mit Gärten, aber das ist doch alles keine freye Luft, denn selbst am heitersten Tage kann man nicht bis an das Ende eines großen Plazzes sehen ohne Nebelwolken die den Horizont bedeken.      Was ich da eine Sehnsucht nach Hosterwitz und dem freyen Himmel bekomme ist unbeschreiblich. Geduld, Geduld, es haspelt sich ja ein Tag nach dem andern ab — 2 Monate sind schon im Rükken —.

Recht angenehme Bekanntschaft habe ich an dem Sohn des Buchhändlers Göschen aus Grimma gemacht, der hier etablirt ist, und einem Dr. Kind einem Neveu von unserm Kind. recht lieber Mensch.      die wollen mich nun mit Gewalt ganz gesund wißen.      lieber Gott, dahin kommts in meinem Leben nicht mehr.      habe gar allen Glauben an die Ärzte und ihre Kunst verlohren.      Ruhe ist mein bester Doktor, und diese zu suchen und mir zu verschaffen soll von nun an mein einziges Bestreben sein, und dazu gehören ja auch diese schweren Monate.

Freund Winkler grüße herzlichst von mir. der nächste Posttag wird ihm Musik und einige Zeilen von mir bringen*.

Was freue ich mich daß du mir so Gutes von unserem Roth schreibst. hoffentlich lebt er in Hosterw: wieder ganz auf. wie neidisch werde ich auf Euch in denen Tagen sein, wo ich vermuthen kann daß ihr hinauszieht.      Wenn mein No: 19 zu Max Geburtstag ankommt wie wohl möglich, so hoffe ich machst du gleich Anstalt dazu. ich werde den 1t May wohl nicht so die Blüthen einathmen wie du und die Kinder, nun Gott segne es Euch, daß ich Euch Alle dik und fett wieder finde.

Nun schließe ich, geliebtes Herz. weiß nichts mehr, und will ein bißel in die Luft, da der famose Nebel fort ist.      Grüße alle Freunde herzlichst. ich drükke dich in treuster innigster Liebe an mein Herz, und meine Buben auch. Gott segne Euch + + + und behaltet lieb Euren alten treuen Vater Carl.

[im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen.

Editorial

Summary

berichtet über Gesundheitliches, Lebensführung und Nebel in London, in Covent Garden Benefizvorstellung Originalfassung Freischütz für ihn im Gespräch; fürchtet sich vor seinem noch zu gebenden Konzert; nach Absolvierung der 12 Oberon-Dirigate sind Ausflüge geplant, angenehme Bekanntschaften mit Göschen und Dr. Kind

Incipit

Ein paar Tage habe ich nicht mit dir geplaudert

Responsibilities

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Tradition

  • Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 227

    Physical Description

    • 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Bl. 2 bis auf 3 cm Rand mit Siegelrest abgeschnitten
    • Randmarkierungen mit Blaustift von Max Maria von Weber

    Provenance

    • Weber-Familiennachlass

    Corresponding sources

    • MMW II, S. 675,691 (Auszüge)
    • Reise-Briefe, S. 162–165

Text Constitution

  • mit“nicht” overwritten with “mit
  • “zu”added above
  • das“daß” overwritten with “das
  • ist“ich” overwritten with “ist

Commentary

  • “… ein hartes Ding, mein Concert”Konzert am 26. Mai 1826 in den Argyll Rooms; vgl. auch Briefe vom 12.-14. April 1826, 21. April 1826 und 29. Mai 1826 .
  • “… einige Zeilen von mir bringen”Weber sandte am 21. April 1826 gleich zwei Briefe, auf dessen Rückseiten Teile des Klavierauszuges vom Oberon enthalten sind. Es handelt sich um die erst in London komponierten Nr. 19 und des Finales Nr. 22. Zu diesen Nummern musste Winkler noch Übersetzungen anfertigen und leitete den Klavierauszug dann an Schlesinger weiterT.

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