Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Mittwoch, 12. bis Freitag, 14. April 1826 (Nr. 19)
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Nachts ¾ auf 12 Uhr.
Meine innigst geliebte Lina! Durch Gottes Gnade und Beystand habe ich denn heute Abend abermals einen so vollständigen Erfolg gehabt wie vielleicht noch niemals*. das glänzende und rührende eines solchen vollständigen und ungetrübten Triumphes ist gar nicht zu beschreiben. Gott allein die Ehre!!! Wie ich ins Orchester trat, erhob sich das ganze über füllte Haus und ein unglaublicher Jubel, Vivat und Hurrah rufen, Hüthe und Tücher schwenken, empfing mich, und war kaum wieder zu stillen. Die Overture mußte wiederholt werden. Jedes Musik [Stück] 2–3 mal mit dem größten Enthusiasmus unterbrochen. Brahams Arie*, da Capo. im 2t Akt Fatimes Romanze und das Quartett* da Capo. das Finale wollten sie auch 2 mal haben, es ging aber wegen dem Szenischen nicht. im 3t Akt Fatimes Ballade*. da Capo. am Ende mit Sturmes Gewalt mich herausgerufen. eine Ehre die in England noch nie einem Komponisten wiederfahren ist. das Ganze ging auch vortrefflich. und A‡lle waren ganz glüklich um mich herum.
So viel für heute, mein geliebtes Leben, von deinem herzlich müden Muks; der aber nicht ruhig hätte schlafen können, hätte er dir nicht gleich den neuen Seegen des Himmels mitgetheilt. gute gute Nacht. + + +. Mögtest du doch heute den glüklichen Ausgang ahnden können.
d: 13t Guten Morgen gutes Herz. habe recht süß geschlafen, obwohl ich ein Weilchen brauchte ehe ich mich hinein finden konnte. war natürlich zu aufgeregt. und heute Morgen bin ich denn so recht durch und durch müde, aber wohl. nach solchem Triumph tritt eine gewiße wohlthätige Beruhigung ein, daß ein großer Schritt in der Welt abermals abgethan ist. Auf jeden Fall war ich hier bei Oberon auf einem viel unsicheren Standpunkte als bei meinen früheren Werken. die Eifersucht der Theater, das höchst erregbare Publikum, das immer an Opposition gewöhnt ist und sich darin gefällt, und die Ereigniße den Tag vorher die mich nicht mit Gewißheit auf das Gelingen der Ausführung rechnen ließen, das alles machte den Erfolg doppelt glänzend und schätzenswerth. Da war auch nicht der geringste Wiederspruch in dem unmäßigen Beifall alles reiner Enthusiasmus. Aber laß dir erzählen wie mein Stern immer sein Recht übt. Nachdem ich den 11t No: 18 an dich abgeschikt hatte, hatte ich um 12 Uhr Probe von der Ouverture und denen Stükken die am wenigsten probirt waren*. dann aß ich bei dem Musikhändler Hawes, und um 7 Uhr war die schon | dir angekündigte GeneralProbe. ein glänzendes Publikum und auserwählt, füllte die Logen. Der erste Akt gieng gut vorüber, bis auf einige Kleinigkeiten. im 2t Akt wo nach dem Sturm die Reiza und Huon kommen sollen, — kommt Niemand, das Theater steht eine Zeitlang leer, endlich komt Fawcett und kündigt an daß ein Stük Dekoration Miss Paton auf den Kopf gefallen sei, daß er bitte wenn ein Arzt anwesend wäre er möge aufs Theater kommen, daß Miß Paton aber hoffe nach einiger Erholung weiter spielen zu können. — sie erholte sich aber nicht. nach langem Warten mußten wir die Probe ohne Sie‡ fortsezzen. ihre große Arie pp weglaßen*. So gieng die Probe übrigens noch glüklich genug zu Ende. und der Beifall und die Hoffnung auf Furore den andern Tag war allgemein. es wurde abermals eine Probe angesezt um 12 Uhr Gestern für Miß Paton. sie kam aber nicht, und erklärte sie müße sich für den Abend schonen. wir probirten also noch andere Dinge. ich aß um 4 Uhr zu Hause mit Smart, und fuhr um 6 Uhr in etwas gespannter Stimmung ins Theater. — aber, — alles gieng vortrefflich. Paton sang herrlich, und die Vorstellung griff so ineinander mit solchem Feuer und Liebe, wie du wohl weißt daß meine Musik das Glük hat bei den Menschen hervorzubringen. Wie oft habe ich dabey an dich gedacht, — lieber Gott, du wärst wenigstens krank geworden‡ vor Angst. Aber ist das nicht eigen? mit meinem Stern? aber ich verlaße mich auch auf ihn aus Erfahrung, und weiß daß er mich nicht im Stiche läßt.
Ich möchte dir nun gern manches ausführlich beschreiben, aber ich kann nicht und muß das der mündlichen Unterhaltung in Hosterw: überlaßen. Die Pracht und Vollkommenheit der Dekorationen geht über alle Beschreibung, und ich werde es wohl so, nie wieder sehen. man sagt daß die Oper gegen 7000 £ ohngefähr 49000 rh: kostet.
Die Vorstellungen gehen nun täglich fort. so lange es die Sänger aushalten. Die ersten 12 habe ich zu dirig: übernommen. dann habe ich es gewiß satt; und mir graut jezt schon vor dem Gedanken daß sie die Oper werden in Dresden sehen wollen. zum Glük können wir sie nicht besezzen; und an einem andern Ort sie selbst aufführen, d‡azu sollen mich nicht 10 Pferde ziehen. ade für jezt. muß noch manchen andern Brief schreiben. was gäbe ich drum wenn ich deine Freude sehen könnte wenn du d‡iesen Brief eröffnest. daß ich so lange lange warten muß ehe ich das erfahre. fast einen Monat, das ist recht betrübt. ich umarme dich innigst. ade ade für heut. —
d: 14t heute sind es fast 8 Tage daß ich deinen lezten Brief erhielt. Du böse böse Mukkin, wie kannst du so grausam sein? rührt dich nicht mein Flehen? zitterst du nicht bei meinen Vorwürfen? —
Die 2t Vorstellung gestern gieng ebenso gut, und ich wurde wieder hervorgejubelt. heute ist die 3t und so fort alle Tage. Vorher war ich bei einem großen, öffentlichen Dinér für die Wittwen und Waisen der Musiker, wo der Herzog von Sußex präsidirte. ich konnte aber natürlich nicht das Ende abwarten da ich ins Theater mußte.
Ah! da kommt eben dein lieber No: 9. vom 31t M: und 1t Aprill. Der macht mich aber betrübt, weil ich sehe wie du dich wieder ängstigest, und wie du in der Angst dich selbst betrügst. du schreibst d: 31t beinahe 8 Tage habe ich nun wieder keinen Brief. ich sehe nach und finde daß du d: 26 meine beiden 10 und 11 erhalten hast. vom 26 zum 31t sind aber nur 5 Tage, und mit dem 1t Aprill 6. gewiß bekömst du aber wieder 2 zugleich. ich schreibe regelmäßig alle Wochen 2 mal, darauf kannst du dich verlaßen. dein Brief ist auch recht lange gelaufen. 14 Tage. das ist recht traurig. Wenn ich Zeit finde werde ich der Henikstein ein paar Zeilen nach Wien | schreiben über den Erfolg des Oberon. Mein Gott wie ließt du meine Briefe, schon in No: 10 muß stehen, daß ich nach dem Dinér bei Braham bei Mad: Coutts in Gesellschaft war und 2 mal spielte. In No: 12 komt es deßgleichen. Der König fängt an sich zu erholen. sieht aber noch Niemand, und ist in Windsor. — O unsre Kamine lodern auch noch gar hübsch, und ich bin gar froh wenn ich es Abends beim Nachhause kommen finde. deine Abend Gesellschaften kosten Geld, meine bringen welches, doch glaube ich wirst du sie öfter haben als ich. gräme dich nur nicht etwa um des Geldes willen. Unser Dresdener Volk wird ja gar sehr diffiziel, am Ende fürchte ich mich dort für den Oberon. wenn ich verreißt bin ist nie eine Direktions Note in meinem Hause. Mathilde ist nicht gekauft, also konnte der naseweise Musje M: seine Mühe sparen.
Zum Abführen hast du wieder genommen? das gefällt mir gar nicht, denn bis du dich entschließest einzunehmen. — Nun, ich will mich nicht ängstigen, ich werde dir mit gutem Beyspiel voran gehn. — Wie du deinen Brief schriebst, saß ich allerdings und arbeitete. Nun ists aber Alle — Juhe!
Der Max muß sehr komisch mitunter sein. ja wohl bleibt der Vater lange aus — und wie lang wird ihm diese Zeit. O Gott!!! das ist nicht zu beschreiben wie ich jeden Tag zähle. und mit mir der gute Fürstenau. Der war so theilnehmend er hatte ordentlich Fieber bei der Aufführung und war außer sich vor Freuden. da dieser No: 9 so lange unterwegs war so hoffe ich bald wieder auf einen Brief von Dir. bitte, bitte, schreibe alle Woche 2 mal.
Da sind so viele die wollen mich aufs Land haben, um mich recht zu pflegen und zu hätscheln, aber ich kann nicht wohl London verlaßen, ich muß auf den Verdienst lauern. Noch wollen die Abend Parthien gar nicht recht in Zug kommen. Auch muß ich nachgerade mein Concert vorbereiten, denn hier muß man weit ausholen in der RiesenStadt.
Ich umarme Euch innigst, ihr einzig und heißgeliebten, Gott schütz Euch und erhalte euch gesund, den alten Vater werdet ihr schon nicht vergeßen, so wenig als Er Euch. Gott segne Euch + + +. ewig Euer treuer Vater Carl.
Grüße an alle Freunde.
Was für Farbe sollte Dein Schawl, und welche das Tuch haben?
heute hab ich auch an Lüttichau geschrieben.
So eben sehe ich daß du dich in der No: deines Briefes geirrt hast der vom 27t war No: 9, und dieser muß No: 10 haben.
Editorial
Summary
ausführlicher Bericht über den großen Erfolg des Oberon und die durch einen Unfall der Paton etwas missglückte Generalprobe; Verpflichtung Webers, die ersten 12 Aufführungen selbst zu dirigieren; Privates; Vorsatz, wegen zu erwartender Einkünfte auf möglichst vielen Abendgesellschaften zu spielen; Konzertvorbereitung
Incipit
“Meine innigst geliebte Lina! durch Gottes Gnade”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 226Physical Description
- 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest und -loch
- PSt: Rundst.: F 26 | 5 2
- Bleistift- und Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Weber-Familiennachlass
Corresponding sources
-
MMW II, S. 682, 685–686, 690 (Auszüge)
-
Reise-Briefe, S. 156–161
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“A”“a” overwritten with “A”
-
“Sie”added in the margin
-
“… du wärst wenigstens krank geworden”folgt unlesbarer gestrichener Wortanfang
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“d”“s” overwritten with “d”
-
“d”deleted text illegible
Commentary
-
“… gehabt wie vielleicht noch niemals”Uraufführung des Oberon am 12. April 1826 im Covent Garden Theatre.
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“… größten Enthusiasmus unterbrochen. Brahams Arie”Die Alternativfassung von Nr. 5 im I. Akt, die Weber für den Sänger neu komponierte; vgl. Kommentare in Briefen Webers an seine Frau Caroline.
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“… Fatimes Romanze und das Quartett”Nr. 10 und Nr. 11.
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“… 3 t Akt Fatimes Ballade”Nr. 16.
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“… ihre große Arie pp weglaßen”Nr. 13 Ozean-Arie.