Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Freitag, 19. Mai 1826 (Nr. 29)
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Nicht bald, mein geliebtes Herz, hat mich ein Brief von dir so erfreut als dein Lieber vom 8t huj: /: N: 21‡ :/. ich weiß nicht, es sieht so eine ruhige wohlthuende Heiterkeit aus dem Ganzen, was ich schon dem Einfluß der Hosterwitzer Ruhe zuschreiben möchte, und was mich sehr erfreut und erquikt. der Himmel erhalte dich dabey, und daß ich bald mit einstimmen möge. Poz Tausend, was für Courage, den Freytag!! du schreitest ja recht fort in der Aufklärung, und ein schöner Abend belohnte dich gleich. wie sehne ich mich nach dieser Ruhe. ja, Ruhe, wird wohl nur immer mein Feldgeschrey sein. es geht nicht mehr. und du sollst mich‡ nicht nöthig haben mich daran zu errinnern.
Der alte Schwarz hat auch keine Ruhe. allerdings müßen wir ihm Zimmer geben*. aber nur Wohn und Kinderstube. Du schreibst eine Menge hübsche Neuigkeiten, ich kann dir nicht mit viel ähnlichem dienen. als daß Oberon heute zum 28t male ist.
Ueber so eine Frau wie die Zahlhaß kann ich mich ordentlich ärgern, wenn du dir nur nicht mit dem Mädchen eine rechte Last aufgebunden hast. schikke sie ja zurük wenn sie nicht gut thut, und dann giebt es Feindschaft —
ich freue mich daß sich Rothe in Hosterw: gefällt. so ein Gewohnheits Mann ist gar schwer zu befriedigen. Er quält sich also mit Musje Max? Der gute Mann. ich fürchte Max wird sehr schnell faßen, und eben so schnell vergeßen, ich traue dem Buben gar keine Tiefe zu. Herr Alex im Stall, das ist gesund. überhaupt traue ich diesem Burschen Lebens Glük zu. — Ja wohl, gute Mukkin, habe ich das Meinige gethan. Höher geht es nicht, also hütet euch vorm Fall. und wir wollen gewiß raffiniren wie wir uns das Leben angenehm machen wollen. meine DienstGeschäfte werden mich vor Müßiggang schützen, und hoffentlich doch nicht quälen, denn ich nehme mir gewiß nichts zu Herzen. und somit wüßte ich nicht wo die sorgenvollen Stunden herkommen sollten. Engagements nehme ich nicht an, also drängt mich auch nichts, und ich dächte wir sähen die schönste Zukunft vor uns, in so fern uns Gott mit Gesundheit begnadigt es genießen zu können. die Mukkin verspricht auch Geduld mit dem armen Krittel Peter zu haben, was will ich mehr. und es fehlt also nichts — als die Kleinigkeit daß ich noch in London und du in Hosterwitz sizest. Die Zeit rükt aber gewaltsam heran. ich erklärte Gestern Kemble er möchte Anstalten machen, denn ich wollte d: 9t Juny abreisen. er erschrak allerdings darüber, aber ich weiß das hilft, und wenn ich auch ein paar Tage zugeben muß, so kann ich doch bald der Mukkin zurufen, nun nicht mehr hieher antworten.
Vorgestern habe ich wieder mit Smart eine gar schöne Fahrt um die Hügelreihe von London gemacht, und in Hamstedt gegeßen. Der gute Mann schleppt mich aus wo er kann, und ich thue es gern, denn die herrliche Luft erquikt mich, aber das kostet alles so viel, daß du erschrekken würdest wenn ich dir es sagte, und da mache ich mir denn auch ein Gewißen draus.
Gestern war Brahams Benefice, wo ich früh Probe hatte, und Abends die Overture vom Beherrscher der Geister dirigirte*. ja, so ein Benefiz, Respekt. ungeheures Haus. aber auch so spektakuleus und unruhig wovon Ihr euch gar keinen Begriff machen könnte‡*. |
Heute über 8 Tage ist mein Concert*. ich kann sagen daß mir ordentlich das Herz schlägt wenn ich daran denke. ich bin so gespannt auf den Erfolg, — es sind die beiden lezten, und Haupt Drukker, das Concert und das Benefice.
Wenn ich bedenke was sie mich kosten, und wenn sie dann nicht so ausfielen wie ich sie bescheidentlich berechtigt bin zu erwarten — es wäre sehr hart. doch man muß den Muth nicht sinken laßen, und auf den vertrauen der uns so oft seine unendliche Gnade bewiesen hat. Du wirst dich wundern mein theures Leben, mich so ernst in dieser Sache gestimmt zu sehen, wenn du aber bedenkst daß Geld zu erwerben der einzige Zwek meiner Reise nach London war, daß die Erreichung dieses Zwekkes mit‡ manchen nicht unbedeutenden Opfern und Anstrengungen verknüpft war, so wirst du begreifflich finden wie ich jezt etwas so wichtig finden kann, was in meinem ganzen Leben sonst nur für mich eine sehr untergeordnete Rolle gespielt hat. Nun, in kurzem werde ich über alles dieses auch im Klaren seyn, und wißen ob ich mich grämen oder freuen kann. Bete, daß dem alten Vater seine Wünsche, die nur für Euch berechnet sind, in Erfüllung gehen, und er recht glüklich und heiter sein kann.
Nun lebt wohl Ihr Vielgeliebten, im schönen Hosterwitz, hoffentlich habt ihr nun auch so schönes Wetter wie wir, und genießt den Rasen und die Blüthen in vollen Zügen. Gott erhalte Euch Gesund und heiter und denkt recht oft an Euren alten nur in Euch lebenden treuen Vater Carl.
[im Kußsymbol:] Millionen
gute Bußen
Editorial
Summary
Privates, bes. über das Leben in Hosterwitz; Bericht über Ausflugsfahrt mit Smart, Konzerte in London und Hoffnung auf ein in finanzieller Hinsicht erfolgreiches Benefizkonzert; Abreisepläne
Incipit
“Nicht bald, mein geliebtes Herz, hat mich ein Brief”
Responsibilities
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Tradition
-
Text Source: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Shelf mark: Mus. ep. C. M. v. Weber 236Physical Description
- urspr. 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.), Bl. 2 bis auf 1 cm Rand abgeschnitten
- Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber
Provenance
- Weber-Familiennachlass
Corresponding sources
-
MMW II, S. 697/698 (Auszug)
-
Reise-Briefe, S. 203–206
Thematic Commentaries
Text Constitution
-
“mich”crossed out
-
“e”crossed out
-
“… die Erreichung dieses Zwekkes mit”folgt durchstrichenes unleserliches Wort
Commentary
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“21”recte “23”.
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“… vom Beherrscher der Geister dirigirte”Zum Programm von Brahams Benefiz vgl. den Kommentar zur Tagebuchnotiz vom 18. Mai 1826.
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“… keinen Begriff machen könnt e”Den Lärm an diesem Abend beschreibt I. Moscheles in seinem Brief an Max Maria von Weber vom 15. September 1861. Vgl. dazu auch den Bericht in: The Theatrical Observer; and Daily Bills of the Play, Nr. 1389 (19. Mai 1826): „From the rising of the curtain up to 12 o’clock, the pit and galleries were one scene of riot and confusion. Mr. Farren and Mr. Duruset addressed the audience, but could not be heard.“
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“… 8 Tage ist mein Concert”Zum Konzert am 26. Mai 1826 vgl. den entsprechenden Tagebucheintrag sowie den Brief an die Ehefrau vom 29. Mai 1826 inkl. Kommentar.