Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 29. Januar 1817

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Am 29. Januar: Il Barbiere di Seviglia, komisches Singspiel in 4 Akten, mit Musik vom Kön. Sächs. Kapellmeister Franz Morlacchi. Diese treffliche Oper unsers genialen Kapellmeisters Morlacchi wurde heute mit so viel Feuer, Lust und Liebe gegeben, daß man fühlte, alle Sänger wetteiferten, damit der vor kurzem zurückgekehrte Künstler das Vaterland, in welchem noch im letzten Herbst seine große Oper: Die Danaiden, mit so enthusiastischem Beifall aufgenommen wurde*, nicht vermissen möchte. Zu den reizendsten komischen Opern gehört gewiß der Barbier von Sevilla; jugendfrisches Leben, südliche Wärme beseelt das Ganze, und kann man die Instrumentirung einer Oper ihr Kolorit nennen, so ist hier der sinnigste und reichste Farbenschmelz. Schon in der Ouverture fühlen wir in den seelenvollen Melodien der blasenden Instrumente den Ausdruck der innigen, alle Schwierigkeiten besiegenden Liebe Rosina’s und Almaviva’s, während Scherz und neckender Muthwille sich in den Saiteninstrumenten ausspricht.

Höchst charakteristisch, mit leichter Gewandtheit und origineller Lieblichkeit ist alles nun durchgeführt, jede Scene trägt zum Zauber des Ganzen bei, selbst jeder untergeordnete Zug ist mit feinsinniger Meisterhand entworfen. Wie reizend erscheint gleich in ihrer ersten Scene Rosina’s Schalkhaftigkeit vereint mit ihrem erwachenden Gefühl. Wie rasch greift hier schon Figaro’s lustige Schlauheit in alles ein, wie hinreißend süß ist die Romanze des Grafen, wie wird die Aufmerksamkeit selbst durch die unterbrochne Cadenz derselben gespannt, alles ist in diesem ersten Akt angelegt und vorbereitet, nicht enträthselt. Herrlich steigert sich nun im zweiten die Entwicklung der Intrigue. Reizender kann man sich nichts denken als das erste Duett zwischen Rosina und Figaro, so muthwillig, so mißtrauisch und zutraulich zugleich, so jugendhell und freudig; einzig trefflich in ihrem Spiel ist Sigra. Sandrini sowohl als Sigr. Benincasa in diesen beiden Rollen, die sie mit hinreißendem Feuer geben. Aber auch die kleinern Nebenpartien, wie die Buffonade mit den beiden Bedienten, die ArieBasilio’s, welche die erst leismurmelnde, endlich alles tobend überschallende, immerwachsende Stimme der Verläumdung malt, die ächtkomische Arie Bartolo’s ¦ (welchen Sigr. Bassi ganz nationell und ausgezeichnet brav darstellt) verdienen frohe Anerkennung. Ganz trefflich ist das große Terzett Rosina’s, Almaviva’s und Bartolo’s, und meisterhaft der Schluß desselben, wo die Stimmen der Liebenden, nur von Blasinstrumenten getragen, sich in dem süßesten Bangen immer melodischer verweben, während rasch und kraus die mißtrauischen Zweifel des Vormunds sich dazwischen durchdrängen. Die große Arie Rosina’s ist ein wahrer Triumph der seelenvollen Sängerin sowohl als des trefflichen Violenspielers, Herrn Pohland. Die sanften Töne dieses Instrumentes, die in Klosterwehmuth und Frühlingsahnung getaucht scheinen, sind die sinnigste Begleitung des von Sorge noch beklommenen und doch süße Freude ahnenden Ausdrucks dieser himmlischen Arie. – Immer verstrickter sind nun alle Fäden und so bietet uns der dritte Akt das reichste, hellfarbigste Gemälde. Gleich den Anfang macht das originelle, höchst komische Duett Bartolo’s und des verkleideten Grafen; die Begleitung des Contrabasses zu dem Ausdruck der verzweifelnden Langeweile bei den ewigen Bekomplimentiren zeigt, wie die Musik ächt witzige Laune haben kann. Die Scene der Singstunde mit ihrer lieblich reichen Begleitung gehört, so ausgeführt, zu den köstlichsten Darstellungen. Allerliebst ist der altspanische Bolero, den uns Bartolo als Mustergesang vorträgt, und voll Feuer, Laune, Kraft und Anmuth ist das große Quintett, welches dieser Akt würdig beschließt. Das Gewitter im Zwischenakt ist zwar etwas willkührlich und greift nicht gerade in die Haltung ein, aber es ist schön instrumentirt, und besonders gut nehmen sich am Schluß, wo das Rauschen sich legt, die einander nachhallenden Blasinstrumente aus. Sie deuten schon darauf hin, daß dieser Schlußakt nichts als heitere Aufklärung enthält. Ganz reizend ist im Finale die Wonne der Liebenden, die fröhliche Geschäftigkeit Figaro’s und die Verwirrung und Ueberraschung der Uebrigen ausgedrückt. Die Kostumes sind eben so geschmackvoll als richtig gewählt. Wer gern die trüben Nebel der Alltäglichkeit durch südlichhelles Sonnenlicht verscheucht, wer sich aus dem geregelten Takt steifer Convenienz willig einmal in die raschern Wirbel des schalkhaften, feinen Scherzes wagt, der wird jeder Wiederholung dieser Oper mit immer steigendem Vergnügen beiwohnen.

C.

Editorial

Summary

Aufführungsbericht Dresden: “Il barbiere di Siviglia” von Francesco Morlacchi am 29. 1. 1817

Creation

vor 7. Februar 1817

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 33 (7. Februar 1817), f 2v

    Commentary

    • “… so enthusiastischem Beifall aufgenommen wurde”Morlacchis Danaidi hatten im September 1816 in Perugia im Teatro dell’Accademia Civica in via del Verzaro Premiere.

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