Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 12. April 1817
Am 12. April. L’Adelina, von Generali.
Jeder Wunsch, der uns neulich blieb, wurde befriedigt und übertroffen! Daß die reizende Musik dieser Oper bei der zweiten Vorstellung, weit mehr vom gleichen Geist durchdrungen, ausgeführt werden würde, daß das treffliche Künstlerpaar uns nun schon befreundeter erscheinen und diese Wohllautsvollen Stimmen uns noch mehr ansprechen würden, dies konnte man ahnen, daß uns aber die hohe Freude bereitet war, im Zwischenakt unsers Konzertmeisters Polledro herrliches Spiel zu bewundern, dies war eine köstliche Überraschung! Er gab uns die kunstvollste, originellste, pikanteste Polacca, raschen Wirbel flogen die Töne hin, muthwillig gaukelnd schienen sie wie scherzende Sylphen sich bald neckend zu verfolgen, bald freundlich zu verweben! zur sinnigen Sprache wurde jeder dieser Klänge, bald schwangen sie sich hellfreudig und fragend in die Höhe, bald antworteten die vielstimmigen Doppelgriffe mit humoristischer Laune. Ueber den einzig schönen Vortrag und die unbeschreibliche Kunstfertigkeit dieses Meisters giebt es nur eine Stimme. – Doch wir versprachen noch ein ausführlicheres Wort auch über diese Oper zu sagen und erfüllen dieß gern. In der Ouvertüre schon fühlen wir uns in ein heiteres ländliches Leben versetzt, aber die rührenden gebundnen Töne der Blasinstrumente verkünden uns bald, daß es nicht ungetrübt bleibt. Die erste Scene malt in ihrer Musik das fröhliche Treiben des thätigen Hausvaters und der Seinen so wie seines gutmüthig drolligen, gelehrt sein wollenden Freundes, auf das Gemüthlichste aus; es wird uns wohl unter so lieben herzlichen Menschen! Voll rührender banger Sehnsucht naht sich nun Adelina und ausdrucksvoll ist gleich ihre erste Cavatina. Unbefangner und schöner noch als neulich sang Mad. Weixelbaum; glockenrein, sanft und voll Innigkeit und Gemüth ist ihre Stimme, ihre Methode trefflich, sie häuft die Verzierungen nicht, und alle die sie macht sind rund und schön und vollendet. Die Briefscene nun ist ganz herrlich, die Rolle des Warner, wurde durch Herrn Bassi, der sie wegen plötzlicher Krankheit des Herrn Miksch übernommen hatte, besonders in Hinsicht des Spiels recht gut vorgestellt. Das langanhaltende ¦ tremolando der Saiteninstrumente macht bei dem Lesens des Briefes große Wirkung, dies unbestimmte Beben der Saiten, welches immer in einem erschütternden Akkord nach dem andern verhallt, tönt wie die Griffe des verhüllten Schicksals in die Lebenslyra! Sehr schön ist der darauffolgende dreistimmige Gesang, so die hoffenden Worte des freundlichen Vermittlers sich so karakteristisch in das bange Ahnen vom Vater und in die Wehmuth der Töchter verweben. Mit immer steigender Kraft wird das Ahnen zur furchtbaren Gewißheit, und der Moment der halbausgesprochnen Verwünschung ist höchst ergreifend, das ganze Finale voll Wahrheit, Feuer und Leben. Herr Weixelbaum sang im 2ten Akt wieder mit dem angenehmsten Vortrag und biegsam schöner Stimme. Alle die eingelegten Stücke wurden trefflich ausgeführt, besonders das große Duett, wo gleich bei den ersten Tönen Adelinens die höchste Reinheit sich mit der vollkommensten Beherrschung der Kraft vereinte. Ganz dürften strenge Kenner vielleicht nicht einverstanden seyn, mit dem zu öftern bald langsamer, bald schneller werden, und nur ein sehr ausgezeichnetes Orchester versteht es da, so zu folgen, doch wo es wie heute ausgeführt wird, folgt man gern dem Drang des Gefühls. Ganz köstlich wurde die große komische Arie vom Sign. Benincasa sowohl als von dem Orchester ausgeführt, diese leicht hingeworfnen Staccato’s, dieß rasche Feuer unterstützte den trefflichen Gesang so, daß alles begeistert wurde. Wunderschön ist Adelinens darauf folgende große eingelegte Scene mit den rührenden Waldhornsolo’s, und sehr originell, voll südlichheller Laune, das Finale. Es geht wohl für ein rührendes Drama zu schnell in die schwärmende Lustigkeit über, doch der liebe Geist froher Eintracht, der schon im Anfang in dieser glücklichen Familie herrscht, entschuldigt dieß einigermaßen, und reizend gehalten ist es in der Instrumentirung, wie hier die Blasinstrumente, die stets Adelinens treue Begleiter sind, und die bei ihrem ersten Auftreten so zart ihren Schmerz verkünden, nun auch am ausgelassensten jubeln und die Violinen dagegen mit den zweimaligen herunterrollenden Lauf der raschesten Töne so kühn und kräftig darein greifen wie die Vaterfreude in das Entzücken der Jugend! Die wärmste Theilnahme der Zuhörer belohnte die schön gelungene Aufführung.
C.Editorial
Creation
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Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 102 (29. April 1817), f 2v