Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater: 21. April bis 10. Mai 1824 (bis 7. Mai 1824) (Teil 1 von 2)

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Chronik des königl. sächs. Hoftheaters in Dresden.

Nach den Osterfeiertagen begannen die Vorstellungen zuerst wieder,

Am 21. April mit Margherita d’Anjou. (Margarethe von Anjou).

Am 22. April. Neu einstudirt: Siri Brahe, oder: Die Neugierigen. Schauspiel in 3 Akten von Sr. Maiestät Gustav III., König von Schweden. Aus dem Schwedischen übersetzt von Gruttschreiber*. (L. Tieck).

Am 23. April. Preciosa.

Am 24. April. Siri Brahe.

Am 27. April. Wilhelm Tell.

Am 28. April. Euryanthe. Diese dritte Vorstellung der neusten Oper unsers trefflichen Kapellmeisters C. M. v. Weber ward wo möglich noch mit größerm Enthusiasmus aufgenommen, als es bei den vorhergehenden der Fall gewesen war und bewährte von neuem die hohe Wirkung von dieser Meisterarbeit.

Am 29. April. Der Hofmeister in tausend Aengsten, Lustspiel in 1 Akt von Th. Hell, und: Der Unsichtbare, komisches Singspiel in 1 Akt von Costenoble, Musik von Eule.

Am 1. Mai. La Cenerentola (Aschenbrödel). Musik von Rossini. – Eine junge, erst sechszehnjährige Schülerin unsers Chor-Directors Herrn Mieksch, dessen Verdienste um die Bildung jener Anstalt im Allgemeinen, wie einzelner Sänger und Sängerinnen insbesondere längst rühnlich anerkannnt sind, Demoiselle Clara Wagner, die Schwester unserer, mit gleich ansprechenden Talenten für ihr Fach begabten, Hofschauspielerin Rosalie Wagner, betrat in dieser in dieser Darstellung zum Erstenmale die italiänische Bühne, sich in der Rolle der Angelina versuchend. Mit Vergnügen bemerkte das Publikum, wie die Stimme dieser jungen Debütantin an Wohlklang, Stärke und Umfang höchst ausgezeichnet sey, und so jungendlichem Alter schon jetzt des Guten sehr viel, der angenehmsten Hoffnungen aber bei aber bei fortgesetzter Ausbildung noch mehrere gewähre. Sehen wir aufs Einzelne ein, so zeigte sich noch besonders Deutlichkeit und Ausdruck im declamatorischen Gesange, vornämlich im Recitative, ein ansprechendes Tragen der Stimme, Gewandtheit und Geschmack in den Verzierungen und eine richtige Vertheilung des Athems, dessen Mangel, trotz der Befangenheit eines ersten Auftetens, nie bemerkbar wurde. Diese Befangenheit mußte beim Gesange in fremder Sprache um so mehr zunehmen, aber auch hier zeigte sich eine freie, gut accentuirte und verständliche Aussprache. Das Spiel selbst war angemessen und unbefangen, so daß die ganze Erscheinung in jeder Hinsicht den Beifall verdiente, dem ihr das Publikum besonders im Duette des ersten Aktes und der Schluß-Cavatine, bei welcher bedeutende Schwiergkeiten und Nettigkeit, Präcision und Wohllaut überwunden wurden, zollte. Die junge Künstlerin wird bei fortgesetztem Fleiße und fleißiger Uebung gewiß eine sehr ehrenwerte Stelle unter Deutschlands Gesangkünstlerinnen einnehmen. Herr Tourny fand die Rolle des Don Ramiro mit lobenswerthem Fleiße und sichtlichem Bestreben auch in äußerer Haltung. Es wird ihm gewiß noch gelingen, manche kleine Angewöhnung zu überwinden, und uns dadurch immer brauchbarer zu werden. Mit hinreißenden Tönen gab uns Sgra. Funk als Clorinda die ¦ schöne Arie des zweiten Akts. Der Schmelz ihrer Stimme glich deren Kraft, und die Präcision des Vortrags dessen Wohllaut, so daß alle Hörer sich zum lautesten Beifalle hingerissen fühlten. Zeigt uns doch diese treffiche Künstlerin mit jeder Rolle immer mehr, wie ihre ganze Seele sich durch ihre Kunstleistungen kund gebe und das ausgezeichnetste Talent mit der sichersten Vorstellung Hand in Hand gehe.

Am 2. Mai. König Lear.

Am 3. Mai. Euryanthe.

Am 7. Mai. Heute ward das Theater am Linke’schen Bade für die Vorstellungen dieses Sommers mit einem Prologe eröffnet, welcher in No. 115 dieser Blätter abgedruckt worden ist, und welchen Mad. Schirmer mit ungemeiner Lieblichkeit und dem Reize eines gediegenen Vortrags sprach. Darauf folgte zum erstenmale: Der Nachschlüssel. Drama in 3 Akten nach Frédéric und Laqueyrie, von Vogel. In Wien, München und andern Orten ist dieses Drama bereits unter dem wohl zu treu dem Französischen entlehnten Namen, der falsche Schlüssel, (worunter wir den unrechten Schlüssel verstehen, während der Nachschlüssel uns den Gedanken eines nachgemachten Schlüssels giebt) aufgeführt worden, und hat bei mehrmaligen Vorstellungen Beifall gefunden. Hier schien das Stück nicht ganz dieslbe günstige Wirkung hervorzubringen, wenigstens war der ihm am Schlusse gezollte Beifall nur lau. Wir glauben, daß es mit seinen übrigen französischen Verwandten recht gut in die Schranken treten könne, und nur den Nachtheil gegen jene habe, daß es erstlich hie und da, besonders in der ganzen Rolle Eduards, zu sehr an das Ifflandische "Verbrechen aus Ehrsucht" erinnere, und in zu gewöhnlichen bürgerlichen verhältnissen spiele, während bei seinen Vettern noch ein Anstrich des Romantischen hinzu komme, oder äußere Ausschmückung durch Tanz, Musik, Scenerie u. s. w. sie anziehend mache. Auch ist die Rolle Emiliens zu unbedeutend, die der Marthe aber zu weinerlich, um wie andere Frauen in ähnlichen Arbeiten ein besonderes Interessen zu erregen, wenn auch, wie hier, die Darstellerinnen Fleiß und Talent darauf verwenden. Um für Eduard, den Haupthebel des ganzen Stücks, sich zu interessiren, müßte dann auch dessen Gestalt mit irgend einer Auszeichnung vergesellschaftet seyn, er ist aber unstreitig die am flechsten gehaltene Person des ganzen Stücks und man erfährt eigentlich nichts von ihm, als daß er ein Spieler, Herumschwärmer, Leichtgläubiger sey, sich dadurch zu Verbrechen verleiten lasse, zugebe, daß ein Anderes die Schuld für ihn übernehme, und sich mit der ihm angeborenen Schwäche zuletzt durch weiter nichts, als durch das allerschwächste, einen Selbstmord, zu helfen wisse. Endlich ist auch die Kur des plötzlich hartherzig werdenden Vaters am Schlusse , wo man ihm anfangs den Tod seines Sohnes vorspiegelt, wohl allzu peinlich, um die gewünschte Wirkung auf die Zuschauer hervorbringen zu können. Paul bleibt allerdings die anziehendste Person des Stücks, aber nicht sleten kann man sich des Gedankens erwehren, daß sein Edelmuth doch an Ueberspannung gränze, und es pflichtwidrig sey, Aeltern, Geliebte, Wohlthäter, sich selbst glücklich zu machen, um einen Uebelthäter, dem ja in dem Vaterherze doch zuletzt noch Verzeihung bereitet werden mußte, nicht als solchen kund zu geben.

(Die Fortsetzung folgt.)

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Dubke, Esther

Tradition

  • Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 8, Nr. 116 (14. Mai 1824), pp. 464

    Commentary

    • “… dem Schwedischen übersetzt von Gruttschreiber”Das von Johann Adam von Gruttschreiber übersetzte Schauspiel kam am Dresdner Hoftheater nach den hier genannten beiden Aufführungen (22./24. April) nochmals am 28. Oktober 1824 zur Aufführung und verschwand dann vom Spielplan.

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