Prag, Ständetheater: Todesnachricht Carl Liebich (21.12.), Würdigung und Gedicht von Carl Meisl
Todesfall.
Prag. – Einer der unglücklichsten Verluste, welcher die teutsche Schauspielkunst seit längerer Zeit bedrohte, hat sie durch den Hintritt des herrlichen Carl Liebich, Director des k. ständ. Theaters zu Prag, betroffen. Dieser würdige Priester der Musen, welchen der größte jetzt lebende Kenner des teutschen Schauspielwesens und der Kunst überhaupt, Ludwig Tieck, selbst über den unsterblichen Iffland erhob, verschied nach einem langen | und schmerzlichen Krankenlager am 21. December früh um 4 Uhr in den Armen seiner tiefgebeugten Gattinn und eines theilnehmenden Freundes. Mensch und Künstler im höchsten und edelsten Sinne des Wortes, verlieren die Welt und seine Freunde an ihm so viel als die Kunst! –
Liebich gehörte unter die kleine Zahl von Schauspielern, die in voller Ausdehnung des Wortes die Natur neu zu gebären verstehen, wo bey dem höchsten Kunstaufwand doch nirgends eine Manier oder Absichtlichkeit hervorleuchtet. Dieß und seine außerordentliche Sicherheit in der Charakterzeichnung gaben ihm die große Gewalt über das menschliche Gemüth, das, ihm immer unterthan, durch ein Wort, durch eine einzige, oft kleine Bewegung zu Schmerz und Lust hingerissen wurde.
Alles, was ihn kannte oder sah, theilt den Schmerz seiner Witwe ¦ und Freunde, und es werden Jahre vergehen, ehe sich dieses Andenken in den kunstliebenden Gemüthern schwächen wird. G.
Editorial
Authors
- G.
- Karl Meisl
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Tradition
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Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 8, Nr. 156 (28. Dezember 1816), pp. 639f.