Bühnenfeier der Leipziger Schlacht

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Bühnenfeyer der Leipziger Schlacht.

Zur Feyer des achtzehnten Oktobers, welche man sehr schicklich das Allerdeutschenfest zu nennen vorgeschlagen hat, ist in dem Volke selbst der glücklichste Einfall wach geworden. Die Feuer auf den Bergen und Anhöhen führen durch das Dunkel der herbstlichen Nacht eine sichtbare Kette der Vereinigung für alle deutsche Lande, über alle inländische Gränzlinien, über alle sich durchkreuzende Spaltungen des Tages hinweg. Zum Erstenmal wieder seit Jahrhunderten empfängt Deutschland in der Leipziger Schlacht ein lebendiges, seine ganze Volksthümlichkeit umfassendes Andenken. Deswegen auch ist dieses Fest überall mit so leidenschaftlichem Eifer ergriffen worden, als der erste Keim künftiger Bildungen, den zu entwickeln die ganze Folgezeit emsig bemüht seyn wird. Dieser Eine Punkt des Gemeinsamen, das uns von jeher im Geiste reichlich verband, ist sichtbar und ein Kernpunkt geworden für Alles, was späterhin sich als Gemeinsames darthun möchte.

Aber nicht blos die treue Einfalt des untern Volkes heiligt dieses Fest zum daurenden Denkmal, sondern auch die freye Bildung in dem höhern Leben der Kunst ergreift mit freudigem Erstaunen diesen volksthümlichen Stoff, nach welchem sie mit neidischem Blick auf andre Völker bisher so vergeblich bey uns sich umgesehen hatte.

Der Dichter und Mahler, der Bildhauer und Baumeister werden fürder nicht des Gegenstandes, der für alle Deutsche den gleichen Antheil und Reiz in Anspruch neh¦men kann, entbehren, und das Allerdeutschenfest tritt in eine Zeit, da Schönheit und Wahrheit in hoher Blüthe zu seiner Verherrlichung bereit sind, und jedes deutsche Andenken auch ein künstlerisches werden kann.

Schon haben Dichter diesem Tage feurige Gesänge gewidmet, und welche höhere Weihe könnte den künftigen Wetteifer zu fernerer Verherrlichung auffordern, als daß Goethe diesem Tage ein Lied gesungen?

Aber bey Weitem das Größte und Wirkendste, was die Kunst auszuüben vermag, bleibt die dramatische Feyer einer Volksbegebenheit. Ein großes Trauerspiel, voll Geist und Kraft, aus dem Leben der Gegenwart kühn ergriffen, deutsch in Stoff, Behandlung und Absicht, und würdig der Höhe, zu welcher unsre ersten Geister sich emporgeschwungen, sollte am 18. Oktober auf allen Bühnen Deutschlands aufgeführt, und jedes folgende Jahr bis in die fernste Zukunft regelmäßig an diesem Tage wiederholt werden. Wer die unendliche Kraft der Zeit und ihr namenlos wirksames Ausbilden zu erwägen vermag, der wird in einer solchen Wiederholung, in einer solchen lebendigen Aufbewahrung eines würdigen Werkes eine riesenhafte Anstalt der Vaterlandsliebe und des vaterländischen Zusammenhalts erblicken.

Den Gedanken dazu fasste zuerst, und schon in seiner ganzen Ausdehnung, der Direktor des ständischen Theaters zu Prag, der würdige Karl Liebich, durch jede Bürgertugend, durch edlen Sinn und durch herrliche Künstler | Gaben ausgezeichnet, und nach Verdienst geehrt und geliebt von seinen Mitbürgern.

Dieser eifrige Mann schritt sogleich ans Werk, und da seinem Gedanken nur das Beste und Würdigste entsprechen konnte, so wandte er sich zuvörderst an den ersten unsrer Dichter, an Goethe, welchem er seine Absichten ausführlich mittheilte, und den er zur Schöpfung eines solchen volksthümlichen Dichterwerks aufforderte. Die Hoffnung und der Wunsch, dasselbe von dieser Hand unternommen zu sehen, gab das glücklichste Zeichen, auf welcher Stufe das Ganze gedacht war.

Während die Einbildungkraft mit Innigkeit dieser Hoffnung nachhing, wurde kund, daß Goethe, aufgefordert von der Direktion der königlichen Schauspiele zu Berlin, für die Feyer der Rückkehr des Königs ein Festspiel abgefasst habe, dessen Aufführung in Berlin mit aller Sorgfalt und Pracht vorbereitet werde. Diese Gefälligkeit des hohen Dichters ließ auch der neuen Aufforderung eine günstige Aufnahme hoffen. In der That war Goethe’s Antwort, welche sehr bald erfolgte, ganz dem edlen Sinne gemäß, in welchem Liebich den Antrag gemacht hatte. Aber obwol wahrhaft erfreut und geehrt durch ein solches Verlangen, fand der Dichter dennoch die Entscheidung einer Sache, in welcher der Anspruch und die Gelegenheit lag, das Höchste seines Ruhmes zu berühren, für den Augenblick schwierig, und prüfender Erwägung vorzubehalten. Er versprach weder, noch sagte er ab, sondern verwies, um nicht ganz dem gutgemeinten Ansinnen zu fehlen, mit wohlwollendem Zweifel auf jenes eben vollendete Festspiel, in welchem die ganze Fülle dessen, was die vaterländischen Ereignisse in seinem Innern theilnehmend erregt, mit hingebendem Gefühl ausgesprochen sey.

Verzögernde Umstände machten die Anwendung dieses gütigen Vorschlags für die Bühne zu Prag unmöglich, und es ist die Frage, ob der ursprüngliche Gedanke Liebichs sich mit dem für andre Zwecke berechneten Gedichte hätte vereinigen lassen.

Aber den 18. Oktober feyerte Liebich dennoch schon dieses Jahr auf der Bühne zu Prag, die durch seinen Eifer und sein Talent zu einer der ersten Deutschlands erhoben worden, und gab zum Besten verstümmelter Krieger ein Trauerspiel, Hermann, dessen entsprechender Inhalt die größte Wirkung in den erregten Zuschauern hervorbrachte.

Seiner Aufforderung an alle deutsche Bühnen, zu demselben schönen Zwecke an demselben Tage dasselbe vaterländische Werk aufzuführen, gesellt sich die andre Aufforderung an die deutschen Dichter, die Beruf und Kraft fühlen, eine des erhabnen Zwecks und des allesübertreffenden Ruhmes würdige Dichtung zu dieser Feyer zu liefern. Indem wir im Namen der Jetztlebenden den Anspruch, auf welchen die deutsche Nachwelt ewig sich berufen wird, aussprechen, und keineswegs ablassen zu Verlangen und zu hoffen, daß ¦ unserm größten Dichter gefallen möge, dieses Werk auszuführen, wollen wir jedoch zugleich den jüngern Talenten die eröffnete Bahn verkünden, und erlauben uns in dieser Rücksicht noch einige Schlußbetrachtuugen über die Möglichkelt der Bearbeitung.

Es scheint unthunlich, den Stoff aus der Gegenwart zu entlehnen, und unwirksam, ja schwierig, einen dergleichen aus der deutscheu Vorzeit zu wählen. Der Ausweg einer allegorischen Behandlung kann eben so wenig zu einem glücklichen Ziele führen, da er niemals den lebendigen, volkserregenden Reiz gewährt, welcher der beabsichtigten Feyer unentbehrlich ist. Schwerlich hätten wir in dieser Verlegenheit uns durch eigne Erfindung geholfen; aber glücklicherweise trat uns aus dem Gebiete der Dichtkunst eine hohe Gestalt vor Augen, in deren Anblick uns die große Aufgabe sogleich lösbar erschien. Es ist die Romancia des Cervantes. Die Mischung von allegorischen und geschichtlichen Personen, welche hier dem tiefen Geiste des großen Mannes so herrlich gelungen ist, macht dem Dichter möglich, Gestalten der jetzigen Zeit würdig und erhaben darzustellen, die für sich allein mißlich und unangenehm wirken müssten. Friedrich II., die Königinn von Preußen, Prinz Ludwig Ferdinand, Moreau, Hermann, wären ergreifende Geistererscheinungen, neben welchen Schwarzenberg und Blücher und andre Lebeude in schöner Berührung dastünden, und denen allegorische Personen, wie Germania, Rhein etc. sich mit großer Wirkung anschließen könnten. Die Art und Weise aber, wie aus solchen Grundzügen ein wahrhaft dramatisches Bild erzeugt werden mag, wird Niemand dem Genius vorzeichnen wollen.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Schaffer, Sebastian

Tradition

  • Text Source: Morgenblatt für gebildete Stände, Jg. 8, Nr. 288 (2. Dezember 1814), pp. 1149–1150

Text Constitution

  • “Künstler Gaben”sic!

Commentary

  • daurendenrecte “dauernden”.
  • Lebeuderecte “Lebende”.

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