Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, Februar 1814
Ständisches Theater in Prag.
Am 19. Febr. wurde z. erst. M. gegeben: Welche ist die Braut? Lustspiel in 5 Acten von Joh. Weissenthurn. Ein recht werthes Geschenk hat die geschätzte Dichterin der, an guten Lustspielen so armen deutschen Bühne, mit diesem Stücke gemacht: denn es stellt uns ein Sittengemälde der Welt in den höhern Ständen, nach dem Leben, mit ihren Gebrechen und Thorheiten auf; und es wäre sehr zu wünschen, daß die glückliche Beobachterin uns mehrere ihrer treu aufgefaßten Weltansichten im Gewand des Lustspiels mittheilte, und die sentimentale Dichterbahn seltener beträte. Sie besitzt die Kunst, jeden‡ ihrer Lustspiel-Charaktere eine neue theatralische Eigenheit zu verleihen, obwohl uns ihre Personen als schon Bekannte in ihren Hauptzügen ansprechen. Am interessansten belebt der Rath von Blümlein, ein schmarozender Schmeichler und wucherndern Heuchler, einer jener Blutigel, die sich in den Häußern der Großen ansetzen, und den Hr. Liebich mit sprechender Wahrheit und einem gefälligen Anstrich von Laune darstellte, die Scene der Modewelt. Mit den Sitten und dem leichten Benehmen der großen Welt, so wie mit der Kunst, jedem Charakter unbeschadet seiner Grundzüge, den Reiz einer anmuthigen Darstellung ¦ zu leihen, beseelt sein lebendiges Spiel das Ganze mit einer Natur, die den Kenner und Nichtkenner zu rauschenden Beifallsbezeugungen hinreißt. Nicht minder trug das verdienstliche Spiel des edeln Waldberg durch Hrn. Bayer und des unverdorbenen Natursohns von Grünau durch Hrn. Polawsky bei, die Darstellung dieses Stücks zu der beifälligsten zu machen. Besonders schön gaben beide die Scene, wo Grünau seine Liebe gegen Nina verräth, und ausgezeichneter Beifall lohnte ihre Künstlerverdienste. Die modesüchtige Baronin von Wendheim wurde von Mad. Junghans mit Fleiß gegeben, und Mad. Löwe interessirte, als ihre Stieftochter Marie, durch tiefgefühlten Ausdruck verschlossener Leiden. Mlle. Brand als Nina gefiel sehr in der naiven Darstellung dieser Rolle, besonders in der Scene, wo sie ihre Liebe gegen Grünau verräth, so wie Mad. Allram ihre Schwester Emy mit Gutmüthigkeit und unbefangener Sitte gab. Der altfränkische, biedre Advocat Wolf wurde von Hrn. Manetitzky recht gut charakterisirt, und Mad. Brede zeichnete sich in der Darstellung der Frau von Dürner als tonangebende Weltdame vortheilhaft aus. Das lebhafte Spiel der minder hervortretenden Rollen, in der schwierigen Gesellschaftsscene (besonders bei der sogleich darauf erfolgten Wiederholung) trug gleichfalls bei, die Darstellung dieses unterhaltenden Stücks zu voldenden‡, das sich mit Beifall auf dem Repertoir erhalten wird. – Nächstens werden wir das Räuschchen von Bretzner und Geschwind eh ’s jemand erfährt von Bock, zwei ältere gute Lustspiele, neu einstudiert, auf unserer Bühne sehen, und wir haben uns schon im voraus einen angenehmen Genuß zu versprechen, da Hr.Liebich den alten Busch und den launigten Hieronimus Billerbeck giebt. – Hr. und Mad. Gley vom Hamburger Theater haben schon mehrere Gastrollen auf unserer Bühne gegeben, die wir nächstens anzeigen werden.
Editorial
Summary
Aufführungsbesprechung
Creation
–
Responsibilities
- Übertragung
- Charlene Jakob
Tradition
-
Text Source: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 18, pp. 71