Rezension: Erstdruck der Partitur des “Freischütz” von Carl Maria von Weber, Berlin: Schlesinger, PN S. 3512 (1849)

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Die Partitur von Weber’s Freischütz.

Preis 18 Thaler.
Verlag der Schlesinger’schen Buch- und Musikalienhandlung in Berlin.

Die soeben erschienene Partitur-Ausgabe des Freischütz ist gewiß vom gesammten musikalischen Publicum freudigst begrüßt worden, einmal des jeden Künstler und Liebhaber an’s Herz gewachsenen Gegenstandes willen, dann aber auch weil wir von den dramatischen Meisterwerken unsrer vaterländischen Componisten (die Mozart’schen Opern ausgenommen) noch keine gedruckten Partituren besitzen und zu hoffen ist, daß durch die Herausgabe dieser Partitur sich auch andere Verleger bewogen fühlen werden, die großen bisher nur in den Theater- und einzelnen Privatbibliotheken vorhandenen Schätze der deutschen musikalisch-dramatischen Literatur in dieser für Kenner genußreichsten, für ernst-strebende Kunstjünger aber einzig wahrhaft fördernden Gestalt erscheinen zu lassen. Es stand zu erwarten, daß die Verlagshandlung, nachdem sie seit etwa 28 Jahren mit diesem Werke Webers (seiner andern dort erschienenen Werke nicht zu gedenken) die allerglänzendsten Geschäfte gemacht und gewiß damit mehr erworben hat als Weber mit allen seinen Compositionen zusammengenommen, die Partitur in einer Gestalt erscheinen lassen würde, die den strengsten Anforderungen in jeder Beziehung entspräche. Leider ist diese Erwartung in keiner Weise befriedigt worden. Das Aeußere, wenn es auch grade nicht häßlich zu nennen ist, hat durchaus nichts Hervorstechendes und kann sich namentlich mit Ausgaben Leipziger Verleger durchaus nicht messen. Man sehe sich darauf die neue Partitur-Ausgabe des Don Juan (Breitkopf und Härtel), die der Walpurgisnacht von Mendelssohn (Kistner), die der Hauptmann’schen Messe (Peters) und vieler anderer Werke, die sich doch erst bezahlt machen sollen, an. Das wäre aber das Wenigste. Man durfte mindestens eine in allen Theilen correkte Ausgabe erwarten, und eine solche ist auch in der, der Partitur vorgesetzten, Anmerkung ausdrücklich verheißen. Mit Dreistigkeit ist aber zu behaupten, daß noch nie ein dergestalt von Fehlern, Nachlässigkeiten und Ungenauigkeiten bezüglich der Uebereinstimmung der | Stricharten, der p. und f. Bezeichnungen &c. &c. wimmelndes musikalisches Druckwerk in die Welt gesendet worden ist, wie die bei Adolph Martin Schlesinger in Berlin Anno 1849 erschienene Partitur des Weber’schen Freischütz, und es ist daher schwer zu ergründen, worin die „äußerste Sorgfalt“ deren sich der königl. preuß. Musikdirector Herr F. W. Jähns, der die Herausgabe geleitet, in jener Anmerkung rühmt, bestanden haben mag. Zugegeben, daß, was den Tadel der Stricharten &c. &c. betrifft, die Webersche Originalpartitur selbst nicht überall bei fraglichen Stellen hinlänglichen Aufschluß giebt (wir glauben dies aus tiefer liegenden Gründen, deren Erörterung wir auf ein ander Mal versparen), so war es Pflicht des Herausgebers an solchen Stellen zu redigiren, denn es ist zu widerwärtig, daß dem Lesenden fast auf jedem Systeme sich widersprechende Bezeichnungen der Stricharten, Inconsequenzen in den Nüancirungen in die Augen fallen, und an allen Ecken und Enden etwas zu rathen und zu ergänzen übrig bleibt. Zum Beweise, daß unsre Behauptung keine übertriebene sei, haben wir uns das Vergnügen gemacht einige Nummern etwas schärfer anzusehen und lassen nun hier die stattliche Reihe der darin gefundenen Fehler, Ungenauigkeiten &c. &c. aufmarschieren, wobei wir unsre eigne Unfehlbarkeit nicht preisen und gerne zugestehen wollen, daß sich der Fehler bei noch aufmerksamerer Durchsicht noch viel mehr finden dürften.

Arie der Agathe. (Wie nahte mir der Schlummer.)
Seite. Takt.
110 4 ist der Punkt bei der ½ Note in der Clar. falsch.
112 1 des Recit. stehn in der Singstimme 5 Viertel.
" 2 " " fehlt auf dem 4. Viertel der Baß.
" 3, 4 u. 5 des Recit. fehlt der Baß.
113 5 2. Note der 2. Violine steht gisgis statt egis
" 1 des 2. Systems fehlt in den Fag. der Punkt bei der 1. Note.
114 3 vorletzte Note der Singstimme steht 1/8 statt 1/16.
" 5 steht nicht angezeigt, daß die Hörner in E stimmen, da auf dem vorhergehenden Systeme C-Hörner sind.
115 2 des 3. Systems muß das d im Baß auf dem 1. Viertel stehn.
116 5 1. Note der Singst. steht f statt g.
117 14 fehlt im Cello der Baßschlüssel, nach dem vorhergehenden Tenorschlüssel.
" " muß es im Fag. heißen dis-e.
" 16 die letzten Noten der Singst. heißen cis-h statt dis-cis.
" 13 muß in beiden Violinen die 2. Note 1/8 und die 3. ¼ sein, nicht umgekehrt.
" 14 ist der große Bogen in den Flöten gewiß falsch, der Auftakt ist abgestoßen.
" 16 steht im Cello fis statt dis.
118 3 fehlt auf 5 Zeilen die Pause mit Fermate.
" 8, 9 u. 10 was sollen die Bogen in den Violinen?
119 3 letzte Note in der 2. Geige steht a statt e.
" 3 " " " " Singstimme steht a statt g.
" 8 steht im 2. Horn a statt g.
" steht in der Singst. 2 Mal Zähre statt Zähren (als Reim auf bewähren).
" 6 fehlt in der Clar. das fz.
" 16, 17 u. 18 steht in der Clar. e, g statt g h und fehlt das p.
" 15 fehlt im Fag. u. Hörnern das p.
120 5 u. 7. Was soll das p in den Clarinetten wenn alle übrigen Instrumente f spielen?
" 7 1. Violine steht fis statt a.
" 8 4. Note in der Clar. steht g statt b.
121 10 steht im Fagott e statt dis.
Finale des dritten Acts.
Seite. Takt.
216 1 2. Oboe d statt es.
" 3 wozu das Bequadrat vor d im 2. Fag.?
" 2 im Tenor u. Baß ist der Punkt bei der ½ Note falsch. |
217 3 fehlt im Chorbaß das Bequadrat vor b.
" 5 u. 6. Was soll der Bogen über den Oboen?
218 2 fehlt der Punkt an der ½ Note im Baß.
" 3 fehlt das Bequadrat im Sopran.
" 4 u. 5 fehlen die Pausen in Ob. u. Clar.
219 6 steht im Chorbaß f statt g.
220 1 fehlt bei den Fagotten Schlüssel und Vorzeichnung.
" 12 steht in der Bratsche as statt c.
221 6 Cuno, 2. Note steht e statt f.
222 3 in den C-Hörnern steht a statt g.
" 2 Wie stehen die Noten untereinander?
223 1 In den Hörnern eine ¾ Note?
" " fehlt in der Bratsche die ½ Pause.
" 2 fehlt im Chorbaß der Punkt bei der 1. Note.
224 1 u. 2 muß das Zeichen 𝆒 𝆓 in 2. Geige u. Bratsche wie in der 1. sein.
" 2 stehn in der Bratsche 1/16 Th. statt 1/32 Theilen.
" 4 steht in der Bratsche g statt a.
" 5 fehlt in den Violinen das fp.
" " u. folgende ist die Stelle in den Oboen gebunden, im Fagott nicht.
" 8 steht im 1. Fag. eis statt e.
225 4 steht im Baß a statt g.
" 6 sind die Noten bei „liebliche“ falsch abgetheilt.
" " letzte Note in der Singst. e statt g.
" 8 fehlt nach dem colla parte das a tempo.
226 4 das p im Baß eine Note später.
227 " sollte bei der Pauke ein p stehen.
" 6 fehlt in der 2. Geige das pp.
" 1 fehlt im Fagott der Schlüssel.
228 " desgleichen.
231 4 das 2. gis in Oboe 1 muß wegen des unisono e sein.
232 1 3. Viertel im Baß steht f statt e.
" 9 " " " " " d " e.
" 10 in der 1. Violine f statt a.
233 3 " " " " steht hf statt he.
" 4 fehlt in der Bratsche das Kreuz vor f und der Punkt an der obern Note.
" 10 Max. die 3. Note 1/8 nicht 1/16.
" 15 in der Bratsche steht f statt a.
" 21 steht im Fag. 1 ganze Note statt ½.
236 10 Bratsche nicht mit Fag. u. Singstimme übereinstimmend.
237 2 u. 3. Die Flöten sind gebunden, die Clar. nicht.
" 5 Punkt bei der 2. Oboe am g falsch.
238 " die 3 letzten Noten in der Bratsche falsch, steht d, e, fis statt a, h, cis.
239 3 2. Geige, 3. Achtel das b nicht vor g sondern vor h.
" " " " das letzte Achtel muß heißen gb.
" 5 im Adagio Esdur steht im Fag. ein Kreuz statt eines Bequadrat.
" 6 steht in einigen Stimmen die Fermate auf der Note, in andern nicht.
240 7 Was sollen die Doppelstriche in der 1. Violine?
" 8 1. Violine, die 4 Achtel müssen heißen c, es, d, c.
" " Ottokar, letzte Note steht b statt c.
" 11 letzte Note in den Flöten steht g statt as.
241 1 Was ist falsch, die Clarinette oder der Baß?
" " steht im Fagott Baß- statt Tenorschlüssel.
" 5 fehlt im Fagott der Baßschlüssel.
" " Eremit, Punkt an der 1. Note falsch.
242 Wo geht das p im Andante con moto an?
" 9 Eremit, fehlt am 1. g der Punkt.
243 3 des Adagio, in einigen Instrumenten steht die Fermate auf der Note, in andern nicht?
244 1 ist das Bequadrat auf dem 3. Viertel des Basses falsch. |
244 1 fehlt bei der 2. Note der Flöte das Kreuz. Auch die Triole ist neu.
" 2 ff. fehlen in Geigen u. Bratschen die, die ganzen Noten verbindenden Bogen.
" " (auf dem 3. System) muß in der Flöte das Bequadrat vor d u. nicht vor h stehn.
" 6 (3. System) fehlt bei den Fagotten der Baßschlüssel u. die Bogen.
245 7 letzte Note der Bratsche steht e statt fis.
" 8 2. Clarinette Doppel-fis u. nicht f. Ebenso Takt 10.
" 11 u. 12 fehlt im 2. Sopran das Kreuz vor g.
246 8 1. Note in der Flöte steht cis statt ais.
" 9 fehlt bei Corni die Bezeichnung in E.
" 11 fehlt der Baßschlüssel bei der Pauke.
247 8 letzte Note im Cello steht e statt cis.
248 12 Aennchen, letzte Note steht d statt e.
250 2 Agathe, letzte Note steht cis statt dis.
" 6 1. Note in der 1. Violine e statt cis.
253 3 steht in der Bratsche ef statt eg.
254 1 steht in der Flöte nur g, muß heißen eg.
" " letzte Note im Chorbaß nicht ¼ sondern 1/16.
" 3 " " " " steht c statt d.
255 5 letzte Note in der 2. Oboe nicht d sondern dis.
" 6 fehlt der Bogen in Violine 1.
256 4 letzte Note in der 2. Oboe nicht d sondern dis.
" " " " im 2. Fagott " " " "
257 5 fehlen in Violinen die Stricharten.
" 1 steht nicht da, daß der Chor eintritt.
258 3 letzte Note in der 2. Oboe nicht f sondern e.
" " " " in Baßposaune steht c statt cis.
" 4 beim 3. Viertel in den Fag. fehlt der Punkt.
" 3 letzte Note im 2. Sopran steht b statt a.
" 4 muß wahrscheinlich im 2. Sopran u. Tenor, wie bei allen anderen Stimmen u. Instrumenten, beim 3. Viertel ein Punkt u. die letzte Note 1/8 sein.
" 6 letzte Note im Chorbaß nicht f sondern g.
259 1 3. u. 4. Viertel im Sopran steht c statt h.
" 4
1. Note im Tenor c ??
" " " Baß e ??
260 2 u. 3 fehlen in Viol. die Stricharten.
261 5 3. Viertel in der Clar. 1 steht d statt cis.
262 fehlen in Clar. die Bogen.

So geht es durch die ganze Partitur, und wenn wir zu dem allen noch der theilweise höchst unübersichtlichen Uebereinanderstellung der Instrumente (man sehe sich pag. 254 u. ff. an, und sage ob jemals in der Welt eine Partitur auf so verrückte Weise arrangirt worden ist) gedenken, so dürfen wir gradezu aussprechen, daß die Partitur eine durchaus unbrauchbare sei, halten uns verpflichtet vor deren Ankauf zu warnen, die Schlesinger’sche Handlung aber aufzufordern: sie möge die in dieser unwürdigen Gestalt abgedruckten und ausgegebenen Exemplare zurückfordern und vernichten, eine strenge Revision des ganzen Werkes durch einen der Sache Kundigen vornehmen lassen, und so diese erste Ausgabe und was sie damit auf sich geladen, vergessen zu machen suchen. J.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Jakob, Charlene

Tradition

  • Text Source: Signale für die musikalische Welt, Jg. 7 (1849), Nr. 37, pp. 289–292

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