Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater: darunter “Camilla” von Ferdinando Paër, Oktober 1814
inklusive eines Gedichtes auf Therese Grünbaum

Back

Show markers in text

Prag. – Den 1. Oct.: Camilla, Oper in 3 Aufzügen von Paer. Mad. Werner gab die Camilla zur sechsten Gastrolle, blieb aber im Gesang und Spiel so weit hinter Mad. Grünbaum zurück, daß ihr nur sehr getheilter Beyfall gezollt wurde.

Den 3. Oct. zum Besten der Mad. Werner: Der lustige Schuster, oder: Die verwandelten Weiber, Oper in 2 ¦ Aufz. von Paer. Mad. Werner betrat an diesem Abend als Schusterinn unsere Bühne zum letzten Mahle, und theilte den enthusiastischen Beyfall mit Mad. Grünbaum, die als Frau v. Walter den höchsten Kunstforderungen entsprach. Gewiß werden wenige Bühnen im Stande seyn, diese beyden Rollen so zu besetzen. Waren die beyden Charaktere des Herrn von Weller (Herr Kainz) und seines Freundes (Herr Grünbaum) nur einigermaßen gut dargestellt worden, und fehlte es Herrn Allram, der den Schuster meister|haft spielt, nicht an Stimme, so würde diese Oper gewiß dem Publicum viele genußreiche Abende gewähren, da wir die frohe Aussicht haben, die Parthie der Schusterinn auch in der Zukunft durch Dlle. Brand sehr gut besetzt zu sehen. Nur müssen wir die Direction ersuchen, die entsetzliche Länge derselben, die von 7 bis halb 11 Uhr spielte, in etwas zu verkürzen, wozu sich wohl Gelegenheit findet.

Den 11.: Zum Besten der Schröderschen Kinder: Medea, Melodrama von Brandes, mit Musik von Benda. Der kleine Declamator, Lustspiel in 1 A. von Kotzebue, und: Das Dankfest, allegorisches Divertissement von Kindern getanzt. Mad. Schröder feyert in dem ersten einen ihrer höchsten Triumphe, und wurde auch dießmahl, wie immer, mit der lebhaftesten Anerkennung ihres hohen Verdienstes belohnt. Auch das zweyte Stück, so wenig Interesse und Leben es an sich hat, gewann durch den richtigen Vortrag der kleinen Schröder, und erhielt vielen Beyfall. Das Ballet ist eine recht anmuthige Kleinigkeit, und zeigt, daß unter dem gewaltigen Kinderreichthum der Prager Bühne – gewiß kann kein Theater in Teutschland die vielbeweinten Hussiten mit einem glänzenderen Zuge geben – manche Talente sich ausbilden, die zu den größten Hoffnungen berechtigen.

Den 15.: Der Korsar aus Liebe, Oper in 2 A. nach dem Italienischen (l’amor marinaro) mit Musik von Weigl. Herr Bassi, ehemaliges Mitglied der italienischen Oper, betrat als Capellmeister Cisolfaute zum ersten Mahle wieder die Prager Bühne, die einst eine ihrer schönsten Zierden in ihm erkannte. Rauschender Beyfall begrüßte den langentbehrten Liebling, der die Jugendblüthe seiner Kunst dieser Stadt geweiht hatte, und dessen Don Juan, Axur, Papageno, Graf in Figaro, Notar in Molinara u. s. w. alle ältern Kunstfreunde sich noch mit der lebhaftesten Freude erinnern; und wenn gleich ein Theil seines ehemaligen Publicums nicht mehr im Theater zu finden ist, so ist doch der Sinn für die Kunst nicht verschwunden, und gerechter Beyfall lohnte auch dießmahl sein Bestreben. Seine Stimme ist schon sehr schwach, aber sein Vortrag untadelhaft, und die Präcision desselben bezeichnet den Meister. Als Schauspieler war er von jeher in den widersprechendsten Charakteren gleich groß; und es ist nicht möglich, die kleinsten Nuancen dieses echt komischen Charakters mit mehr Geist aufzufassen und darzustellen, als Herr Bassi solches gethan hat. Nur ist zu bedauern, daß seine wenige Kunde der teutschen Sprache uns des Vergnügens berauben wird, ihn auch in ernsten Rollen zu bewundern.

Herr Weigl hat diese Oper mit einer seiner gefälligsten und glänzendsten Compositionen ausgestattet, und gleichwohl will sie – vorzüglich in der teutschen Übersetzung – beym Publicum kein großes Glück machen, woran unsers Bedünkens der Stoff Schuld ist, gegen welchen die Bewohner Prags nicht so nachsichtig sind, als manches andere Publicum. Obwohl die Charaktere komisch dargestellt, und vorzüglich das italienische Komödiantenleben auf die brillanteste Weise parodirt ist, so sind doch diese Gegenstände nicht von so allgemeinem Interesse, und vielleicht nur für denjenigen vorzüglich anziehend, der selbst eine Zeit in Italien zugebracht, und das Thun und Treiben dieser Menschenclasse in der Nähe zu beobachten Gelegenheit hatte.

Mad. Grünbaum gab die Claretta ausgezeichnet schön, und riß durch den Zauber ihres Gesanges das Publicum zum lautesten Enthusiasmus hin. Die Herren Allram als falscher Bruder, und Wilhelmi als Graf Quaglia waren ganz an ihrer Stelle. – Auch Dlle. Brand gab die Lucelia recht brav; doch schien sie diese Rolle etwas anzustrengen. Herr Kainz als Korsarencapitän hatte seine Rolle nicht gehörig memorirt, und Herr Grünbaum (Dorimante) ist zum Glück das ganze Stück hindurch in einer gewissen Verlegenheit, die ihm darzustellen sehr wohl gelang. Herr Siebert sang den Pasquale recht artig; nur erschien leider an der Seite eines so vollkommenen Komikers sein Mangel an Humor in seinem ganzen Umfang. ¦

An
Madame Therese Grünbaum,
geborne Müller
.
Den 15. October 1814.Schmeichelnd tönt – tritt in der AbendrötheMantel Hesperus hervor –Aus umlaubten Bogengang der FlöteLispel an des Horchers Ohr.Lieblich murmeln uns des Baches Wellen,Der, gewunden zwischen Blumenstellen,über bunte Kiesel flieht.Süße Wehmuth weckt das LiedPhilomelens, wenn auf ihren ZweigenAlle Waldbewohner schweigen,Und Selenens Wagen selbst verzieht.Herrlich ist des Donners RauschenIn der Felsengründe Wiederhall,Und am kühnen WasserfallDen erhab’nen Melodien zu lauschen. –Aber Flöt’ und Philomele,Donner, Bach und Wasserfall-PäanSprechen minder kräftig uns’re Seele,Als die Stimme Deiner Kehle,Zauberinn, Therese! an.Wie, gehorsam Äols Stürmen,Sich die Wogen in dem OceanJetzo senken, jetzo thürmenSo, vor Deiner Stimme GötterkraftSteigt und sinkt der Strom der Leidenschaft.Willst Du glühen uns und beben machen,Tritt, Vitellia1), vor uns hin!Soll’n wir tändeln, schäckern, lachen,Schweb’ einher als Sängerinn2).Wann soll Dich der Lorber krönen? –Uns entzückt Faniska’s Tugend,Die zu edel, der Tyrannen Lust zu fröhnen.Wir vergießen mit Marien3) Thränen,Wenn auch unbewegt von ihren Klagetönen,Raoul, der Wilde, drohet ihrer Jugend.Wann soll Dich der Lorber krönen? –Wenn der Liebe wundervolles SehnenJulia4) mahlt mit ihren Zaubertönen,Und der hohen Götter MachtIhrem Glücke freundlich lacht? –Auch des Zornes und der Mißgunst RegungLeihst Du wohlgefällige Bewegung,Und verzierst mit schönen BlüthenSelbst Louisens5) wildes WüthenUnd Chlorindens6) neidisch Höhnen.Wann soll Dich der Lorber krönen? –Liebling der Natur, der Kunst Geweihte!Die Du herrschest mit willkommnem ZwangÜber Herzen – Proteus im Gesang!Sicher ist und strahlenvoll Dein Gang.In der Formen buntem Widerstreite,An Gehalt sich immer gleich seyn,Führt in der Vollendung Tempel ein. M.

[Original Footnotes]

Editorial

Authors

  • Anonymus
  • M.

Creation

Responsibilities

Übertragung
Ziegler, Frank

Tradition

    Commentary

    • v. Walterrecte “von Weller”.
    • Brandesrecte “Gotter”.
    • 15.recte “16.
    • Luceliarecte “Lucilla”.
    • 15.recte “16.

      XML

      If you've spotted some error or inaccurateness please do not hesitate to inform us via bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.