Aufführungsbesprechung Wien, Hofoperntheater Kärnthnerthore: “Oberon” von Carl Maria von Weber am 4. Februar 1829

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(K. K. Hoftheater nächst dem Kärtnerthore.) Oberon, König der Elfen. Große romantische Feenoper, nach dem von Planché C. M. von Webers Composition untergelegten Texte für die teutsche Bühne bearbeitet, von Th. Hell.

Es war in den öffentlichen Blättern angekündigt worden, daß die in Rede stehende Hofbühne mit dieser Oper eröffnet werden würde. – Es ist das letzte Werk eines Teutschland zu früh entrissenen, genialen Tonsetzers, der sich durch mehrere frühere Werke den ersten Ehrenplatz unter den Tonsetzern seiner Zeit errungen hatte; und die Kritik hatte so viel für und gegen dieses Werk gesprochen, daß die Erwartung bey seinem endlichen Erscheinen nicht anders als auf das Höchste gespannt seyn mußte. Sie erfolgte endlich am 4. Februar. 1829.

Ein eben so zahlreiches als auserwähltes Publicum war versammelt, um den Namen des verewigten Tondichters seine Ehrfurcht zu bezeigen; der musikalische Theil desselben hatte mit Enthusiasmus von dem Werke gesprochen, etwas Seltenes und Großes verheißen, und siehe! der große Geist erschien im einfachen Gewande; was Wunder, wenn er mißverstanden wurde! Wir üben eine traurige Pflicht, indem wir unsere Verehrung für den unsterblichen Weber im Trauergewande des Leichenbitters abzustatten kommen. Was an uns liegt, soll redlich geschehen, dieser allzurasch eingeleiteten Function Einhalt zu thun, und wir wollen, nachdem wir die Thatsache als solche aufgestellt haben, im ernsteren Tone, als wir uns bisher veranlaßt fühlten, über ein Werk sprechen, das, wie die Folge uns vielleicht bald lehren wird, die größten und unbestreitbarsten Ansprüche auf die öffentliche Achtung hat.

Es ist kein Zweifel, Weber’s letztes Werk war keine fröhliche, im offenen Glanz freundlicher Himmelslüfte entblühte Blume; es ist die Frucht eines herben, männlichen Geistes. Schon darum ist es minder faßlich als manches, was geradezu gefällt. Selbst die Melodien sind höchst charakteristisch, können also auch nur bey ganz vorzüglichem charakteristischen Gesang, der auch die feinsten Nüancen aufzufassen weiß, nur bey Stimmen, für die sie berechnet sind, in ihrer ganzen Schönheit hervortreten. Die Aufführung eines solchen Werkes kann gut seyn, und das Werk selbst doch noch immer unverstanden bleiben; denn es fordert nicht blos schöne Stimmen, Fertigkeit in Coloraturen und das Verständniß im Allgemeinen, sonern die zarteste, bis in das letzte Detail getreue, in Herz und Seele übergegangene Auffassung, und wie die großen Werke der Dichtkunst, wahre Reproduction. Wie oft haben Schillers große, zum National-Interesse gewordenen, und Göthe’s, die weite Welt mit warmer Kunstliebe anwehenden Trage¦dien die bittersten Urtheile erfahren? In Weber’s Oberon zuckt ein Funke der heiligen Lebenssonne so glänzend, daß er sogleich als herrliches Gestirn auftaucht, sobald die Nebel, die der Morgendämmerung vorangehen, schwinden. Das Publicum lasse dieses Werk zu wiederhohlten Mahlen, und unter verschiedenen Besetzungen an sich vorübergehen, und es nimmt gewiß noch sein strenges Urtheil zurück.

Wir sagen nicht, das k. k. Hoftheater nächst dem Kärthnerthore könne dermahlen den Oberon nicht würdig in die Scene setzen; auch dieß wäre zu hart. Aber um schon die ersten Vorstellungen so hinzustellen, daß sie ganz faßlich wären, dazu reichten seine jetzigen Kräfte noch nicht hin. Lassen wir noch manche Härten sich abschleifen, manches zufällige Mißlingen sich ausgleichen, alles nach und nach vertrauter mit dem Geiste der Tondichtung, seiner selbst mächtiger werden, und man wird wenigstens zugeben, der Oberon, in der Vollkommenheit gegeben, in der alle Tonwerke der nun berühmtesten Meister ihren Ruhm begründeten, stehe als ein schöpferisch gedachtes und meisterhaft ausgeführtes Tonwerk da, über das die Zeit ihre Wogen noch lange hinjagen wird, ohne es zu verschwemmen.

Über die Aufführung läßt sich im Ganzen sagen, daß Jeder nach Kräften und Manche über ihre Kraft hinaus sich anstrengten. Wir wollen zuerst von den neu aufgetretenen Mitgliedern sprechen, nähmlich von Hrn. Holzmiller, Mad. Waldmüller und Dlle. Felder.

Hr. Holzmiller hat eine schöne, in der letzten Zeit nur zu sehr forcirte Bruststimme. Die viele Anstrengung vor der Production war Ursache, daß sie bey der Production zu schwach war. Hr. Holzmiller wollte diesem Fehler durch neue Anstrengung abhelfen, und benahm sich überhaupt, theils nicht geschickt, theils nicht mäßig genug.

Mad. Waldmüller gefiel durch die Kraft ihrer Stimme. Es that wohl, diese markigen Töne zu hören.

Dlle. Felder (Roschane) zeigte viel Talent. Übrigens declamirte sie um das zu viel, um was Andere zu wenig. Der Umstand, daß Dlle. Lindenheim schon den ersten Tag während des dritten Actes heiser wurde, und den zweyten Tag beynahe sprachlos auf die Bühne kam, verdient Beachtung. – Von Seite des Publicums war es schön, den guten Willen dieser schätzbaren, wenn auch noch allzu wenig routinirten Sängerinn zu achten, ohne welche die Vorstellung von Webers Oberon schon den zweyten Tag unterbleiben mußte.

Dlle. Hardmayer sang den größten Theil ihres Partes ganz vortrefflich, obwohl sie keine so große Stimme hat, wie sie hier erforderlich wäre. Den zweyten Tag schien sie besser bey Stimme. Ihrem ausgezeichneten Talente als Sängerinn widerfuhr alle Anerkennung. Möge sie doch recht überzeugt seyn von dem dringenden Bedürdniß der Declamation in der Rede! Möge sie doch darin wenigstens nur das dringend Nothwendige zu leisten trachten, sonst wird dieses Gebrechen auch den schönsten Eindruck wieder verwischen.

Hr. Hölzel (Scherasmin) hat ohne Zweifel ein echtes Talent für das Komische; nur scheint es ihm am Muthe zu gebrechen, es anzuwenden.

Hr. Hillebrand als Almansor gefiel mit Recht, denn er zeigt viel Anstand, Kraft und ein schönes Organ. Dlle. Achten (Oberon) erfüllte jede billige Forderung, und erntete auch in diesem, vom Compositeur wenig bedachten Part, ungetheilten und gerechten Beyfall.

Die Decorationen sind prächtig. Schade, daß eben die Hauptmomente nicht mit glücklichen Maschinerien bedacht, und die Arrangements der Gruppirungen und eingeflochtenen Ballete nicht mit regerer Phantasie behandelt wurden.

Manuel.

Editorial

Creation

Responsibilities

Übertragung
Schreiter, Solveig

Tradition

  • Text Source: Der Sammler. Ein Unterhaltungsblatt, Jg. 21, Nr. 21 (17. Februar 1829), pp. 84

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