Aufführungsbesprechung Hamburg (Apollosaal): Konzert von C. M. von Weber am 21. Oktober 1820 (Teil 2 von 2)
Correspondenz-Nachrichten.
Aus Hamburg.
(Fortsetzung.)
Erst besuchte er seine Vaterstadt Eutin, dann Plön, Schleswig und Kopenhagen, und es waren mehrere unverstellte Begeisterungstimmen von allen diesen Orten her erschollen insgeheim und in öffentlichen Blättern, ehe er mit seinem Concerte hier (d. h. in Hamburg) am 21. Oct. die musikalische season dieses Jahres begann. Eine solche KünstlerreiseT ist wahrlich dem Triumphzuge eines römischen Imperators zu vergleichen; er kommt, kann man, Cäsar parodirend, von ihm sagen, er wird gehört, und alle Herzen sind ihm unterthan. Den Genius, dessen schriftstellerische Arbeiten man schätzte, zum Theil in Beziehung auf das Heft der Zeitgenossen, das eine biographische Notiz von ihm enthält (XI. S. 189-196) erwartete, den Genius, dessen Verehrung als eines musikalischen Komponisten selbst jene Taverne ausbreitet, wo Lützow’s wild verwegene Jagd von einigen Bierstimmen abgebrüllt wird, und (daß ich den Gegensatz mir erlaube) jene zarte Jungfrau oder etwa Gerstäcker, der Baggesens Serenade mit leiseathmendem Vortrage singt, – den Genius, dessen Ruhm, als eines ausgezeichneten Musikanführers, Hamburger, die oft und zahlreich das paradiesische Dresden heimsuchten, bis hieher verbreiteten. Den Genius hat nun endlich auch Aristoxenus von Angesicht zu Angesicht gesehen, hat ihm nachgefühlt die geheimen, zarten Züge seines musikalischen Mikrokosmus, und sich berauscht in dem Zauber seiner selbst von Neidern und Lästerern eingeräumten Genialität. Aber etwas, was nicht für die Menge taugt, und was er daher auch der lieblichen Vespertina verheimlicht, weil sie gottlos genug die unschuldigen Brieflein ihres alten Cicisbeo dem Publikum verräth, – etwas behält Aristoxenus für eine heiligere Verständigung; er meint alle die einzelnen Pinselstriche zu einem Seelen- und Gemüths-Portrait dieses Genialen. Hier begnüge sich seine Freundin mit einem Programm des Concerts. Den Anfang machte eine Jubelouvertüre, von dem Komponisten, dem Concertgeber selbst, dirigirt. Sie ist in Dresden weit bekannt, war sie doch ein schöner Juwel in dem Blumenkranze, den das dankbare Talent dem hochgefeierten Sachsenkönige, dem ehrwürdigen Vater des Vaterlandes, an dessen und des ganzen Landes Jubeltage darbrachte! Eine imposante Wirkung, die wahren Enthusiasmus erregt, macht am Schlusse das God save the King, von allen blasenden Instrumenten ausgehalten, während die Saiten-Instrumente mit geschwinden, verworrenen Laufern und Figuren das edelste aller Volkslieder gewissermaßen als dunkle Hintergründe hervortreten lassen. Ein Klavier-Concert mit Orchester¦begleitung folgte einer mittelmäßig gesungenen Arie aus Griselda. Vorzüglich setzte das herrliche Adagio in Entzücken, und jeden Satz beschloß der rauschendeste Beifall, wie er selten hier in Concerten noch gehört worden ist. Ueberraschend war der von der Mittelstimme ausgehaltene Canto fermo, mit punktirten Accorden begleitet, und unvergeßlich bleibt das auf dem Wiener Instrumente fast vollkommen gelungene crescendo, dem Anschwellen eines Wasserstromes, oder dem Herabwälzen einer Meereswoge vergleichbar. Meisterhaft wurde die geniale Ouvertüre zu Kinds Freischützen, bekanntlich der Oper, mit welcher das neue Schauspielhaus in Berlin eröffnet werden soll, dirigirt. Eine solche Direction beseelt den Koloß eines Orchesters, und verknüpft die heterogensten Ripienisten zu einem wirkungsvollen Totaleindruck. Das Concert endigte mit einer Phantasie und Variationen, in denen ungemein viel Mannigfaltigkeit, sowohl des Rhytmus als der Modulation sich entwickelte. Unter mehreren andern Bemerkenswerthen sind der Pausen zu erwähnen, die mit kluger Berechnung angebracht und durch die heilige Stille, welche sie bewirkten und in der kaum das Athmen der Zuhörer vernommen wurde, recht geeignet waren, eine magische Bezauberung zu verbreiten.
Der würdige Gelehrte, Prof. Z., bemerkte von der ganzen Woche, in welche Weber’s Concert fiel, das die schöne Woche des deutschen Siegsfestes, eine zweite Charwoche zu nennen, nicht würdiger hätte begonnen werden können, als mit Händel, und geschlossen, als mit Weber. Welcher Musikfreund kennt nicht, sagt er, den geistreichen Komponisten und Künstler, der jetzt in dieser Hinsicht eine Zierde des deutschen Namens ist? Wir sagen noch mehr, nicht bloß geistreich ist der Gefeierte zu nennen, sondern reich mit Kenntnissen ausgerüstet, reicher, wie seit Mattheson und Forkel Viele‡ in der Kunst, erfüllt von wahrer Genialität, die nicht mit erlernter (dieß könnte auch der Geistreiche), sondern mit natürlicher Gewandtheit aus einem unermeßlichen Schatze die richtigen Kunstmittel findet und beherrscht zur Erreichung des ästhetischen Beifalls. – Des Professors Charwoche begann mit Händel*. […]
Editorial
Creation
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Responsibilities
- Übertragung
- Jakob, Charlene
Tradition
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Text Source: Abend-Zeitung, Jg. 4, Nr. 296 (12. Dezember 1820)
Thematic Commentaries
Text Constitution
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“Viele”sic!
Commentary
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“… Professors Charwoche begann mit Händel”Am 16. Oktober 1820 leitete Johann Jacob Behrens in der Hamburger Petri-Kirche ein Benefizkonzert zugunsten des Hamburger „Krankenhofes“, in dem u. a. zwei Händel-Bearbeitungen von J. H. Clasing zur Aufführung kamen: das Oratorium Empfindungen am Grabe Jesu (Bearbeitung von HWV 264) sowie der 100. Psalm (das mit dem Utrechter Te Deum kombinierte Jubilate HWV 279); vgl. u. a. die Anzeige in: Hamburgische Adreß-Comtoir-Nachrichten, Jg. 53, Nr. 163 (16. Oktober 1820) sowie die Fortsetzung dieses Beitrags in der Abend-Zeitung, Jg. 4, Nr. 297 (13. Dezember 1820).