Aufführungsbesprechung Prag, Ständetheater, Januar – Februar 1814

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Ständisches Theater in Prag.

(Januar.)

23. z. erst. M. Die Befreiung von Moskau, im Jahre 1612. Schauspiel in 5 A. von Kaffka. Obgleich die neuesten schrecklichen Schicksale dieser Stadt die Phantasie eines jeden Zuschauers so lebhaft erfüllen, daß es ihm schwer wird, dies Bild durch ein älteres Kriegsgemälde zu verdrängen, so ist es dem Dichter doch gelungen, den Hörer durch das Interesse des Menschlichen und Edeln der Handlung zu fesseln. Es wurde mit Beifall gegeben, den das Zusammenwirken der Darstellung unserer braven Künstler mit dem Dichter theilte. 26. wurde zum Benefiz der Mad. Schröder Schillers Braut von Messina gegeben. Es war eine, von allen Darstellern kunstsinnig gehaltene und mit Begeisterung vollendete Darstellung. Mad. Schröder beschrieb in der Rolle der Fürstin Mutter, den ganzen Cyclus tragischer Kunst. Jede Saite der Empfindung, vom sanften Schmerz bis zur hoffnungslosen Verzweiflung wußte sie so zart und schmelzend als rauschend und stürmisch zu greifen, daß die tiefste Stille im Schauspielsaale ihre allgemeinverbreitete Künstlerwirkung durch hohe Wahrheit und Schönheit ihrer Darstellung bezeugte. Das hiesige kunstliebende Publikum erfreute sich dieses hohen Kunstgenusses, und rufte die Künstlerin nach Endigung des Trauerspieles heraus. – Ihr zur Seite stand Mad. Löwe, die liebeathmende, unglückliche Fürstentochter Beatrice, mit allem Aufwand ihrer Kunst zart, innig und edel darzustellen, und durch ihr wahres Spiel unsere Theilnahme zu erhöhen. – Die beiden Prinzen Emanuel und Cäsar wurden durch Hrn. Polawsky und Hrn. Bayer vortrefflich gegeben. Der sanftere, liebetrunkne Emanuel sprach sich in dem schmeichelnden Organe des Künstlers mit voller Wahrheit aus, und die Beschreibung des Brautschmucks der Geliebten, trug er mit Schönheitssinn und schmelzender Empfindung vor. Männlichgroß und kraftvoll contrastirte Cäsar mit Emanuel in dem durchdach¦ten, und in hoher Wahrheit durchgeführten Spiele des Hrn. Bayer, besonders im letzten Act, wo wir ihn zur Folter schmerzlicher Gefühle mit innigster Theilnahme begleiten, und in seinem heroischen Ende erst die Abspannung und Beruhigung unsers geängsteten Gemüths wiederfinden. – Noch zeichnete sich als Anführer des zweiten Chors Hr. Wilhelmi (ein talentvoller Künstler, besonders im intriguanten Fache) zu seinem Vortheil durch einen gedachten und edeln Vortrag aus. – Auf hohen Befehl ward dies Meisterwerk unsers Schillers bald darauf wiederholt, und Madame Schröder ärndtete abermals den Beifall aller Kunstfreunde ein, und wurde herausgerufen. 29. wurde z. erst. M. gegeben: Männertreue, oder: So sind sie alle. Lustspiel in 1 Act und in Jamben, vom Professor Albert in St Petersburg. Dies gut versifizirte Lustspiel ist ein gelungenes Seitenstück zu Kotzebue‘s Beichte, und wird bei einer so guten Darstellung, wie auf der hiesigen Bühne, überall Beifall finden. Wir hatten das Vergnügen Mad. Brede, die uns eine anhaltende Unpäßlichkeit lang entzogen hatte, als Mariane wieder auftreten zu sehen, und sie beseelte diese Darstellung mit jedem Reize ihres feinsinnigen, launigen Spieles zum allgemeinen Beifall des Publikums, das die Künstlerin nach Endigung des Stücks hervorrief. Hr. Polawsky gabe den Doctor Müller (Marianens Gemahl) ganz als den in seine Frau noch verliebten, eifersüchtigen und doch strauchelnden Sünder, den der Dichter gezeichnet hatte, und schattirte dies Gemälde mit den anmuthigen Farben eines leichten Spiels. Die Nebenrollen, an sich unbedeutend, griffen mit Lebhaftigkeit in das Ganze ein. —

Februar.

Am 11. gab Mad. Schröder im kleinen Redoutensaale ein Deklamatorium. – So trüglich der allgemeine Beifall da ist, wo ihn die Lacher spenden; so untrüglich verbürgt Aufmerksamkeit, steigendes Interesse des gesammten Publikums, das in tiefster Stille den | Saal beschleicht, und den Bedienten mit der Leuchte am Eingang, wie den Gebildeten fesselt – daß Natur und Wahrheit die ernste Sprache zu aller Herzen reden. Mad. Schröder gab durch den seelenvollen Vortrag mehrerer Gedichte den Beweis, daß die unverkünstelte Darstellung allein die wahre kunstvolle ist. Sie trat nicht aus der Gränze der Rednerin heraus, veränderte ihren festen Standpunct durch keinen Vor- und Rücktritt und ihre Gesten waren ausdrückend, selten nur malend und darstellend. Eine Apotheose Schillers von Th. Hell eröffnete den Vortrag. Dieser folgte: Wolken und Weiber und Männer und Wind, ein wenig bekanntes, aus dem Englischen übersetztes Gedicht voll Laune und Witz, das sich schon im Wieland’schen Merkur 1776 abgedruckt befindet. Hr. Gerstel (Mitglied des Ständischen Theaters) hatte die Parthie der Wolken und Weiber übernommen, und sprach sie mit lautem Beifall des Publikums. Aeußerst launig entgegnete nun Mad. Schröder: Männer und Wind, und setzte durch ihren lichten Vortrag die Schönheiten dieses schweren Gedichts für den Genuß des Hörers deutlich auseinander. Mit süßer Schwermuth erfüllte die Rednerin jedes Herz durch den meisterhaften Vortrag des schönen Gedichts: An Psyche. (Gegenstück zu Goethe’s Lied: Kennst du das Land &c.) Eine dazu von Clasing in Hamburg eingerichtete Musik Bethovens fiel bei bedeutungsvolleren Stellen des Gedichts von der entfernten Gallerie wie Geisterstimmen ein, und erhöhte die schauerliche Wirkung dieser Grabesphantasie ungemein. Mit reizender Naivität sprach die jüngere Tochter der Künstlerin das Gedicht: Die Blümchen, und entzückte die Zuhörer durch einfache Wahrheit aus kindlichem Munde. Hierauf gab uns die Künstlerin Schillers Meisterlied: Die Glocke. Sie entwickelte in dem Vortrage desselben die Zartheit und hohe Kraft ihrer Kunst zur Bewundrung der Zuhörer. Neu schien jedem in dieser Darstellung das bekannte, so oft von Schwätzern gemißhandelte Gedicht, denn jede seiner Schönheiten trat durch die wahre Kunst der Rednerin hervor, und mehrere Stellen wurden ein lebendes Gemälde. Mit Sturmeskraft und Eile rauschten die Worte unaufhaltsam des Brandes schreckliche Fortwälzung zu malen, bis sie das Riesengroß der Dichtung, welches die Rednerin mit unerschöpfter Kraft aussprach, in ihrem Wirbel hemmten. – Des Kaisers Hut, nach einer wahren Anekdote, ein hochherziges Gedicht, trug die deutsche Künstlerin, zum Beschluß, mit patriotischer Begeistrung vor, und krönte damit die Reihe ihrer meisterhaften Rededarstellungen.

Qdt.

Editorial

Summary

Aufführungsbesprechung

Creation

Responsibilities

Übertragung
Charlene Jakob

Tradition

  • Text Source: Allgemeiner Deutscher Theater-Anzeiger, Jg. 4 (1814), Nr. 16, pp. 61–62

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