Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 25. Februar 1817

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Am 25. Februar: Der Blitz, Lustspiel in einem Akt in Versen von A. Müllner. Zum Erstenmal. Dieß kleine, neckende, mit Witzstacheln prickelnde, mit schnell eingreifenden Schlagwörtern überraschende, leicht und fließend versifizierte Scherzspiel führt seinen Namen nicht bloß wegen des Einfalls, auf welchem das Ganze beruht, daß sich ein junger Wildfang beim Anblick eines ihm zur Braut bestimmten Mädchens wie vom Blitz gerührt fühlen und sich auf der Stelle verlieben soll, sondern es ist auch selbst nur ein schnell hinfahrender Witzblitz und kann also nur durch die rascheste Darstellung und das fleißigste Einprobiren den Zuschauern eine Augen- und Ohrenweide werden. Mad. Hartwig spielte die Rosalie, den Fritz Herr Kanow, und beide statteten das Stück mit so viel Munterheit und Laune aus, daß fast nichts zu wünschen übrig blieb. Mad. Hartwig verdiente und erhielt den dankbarsten Beifall des Publikums durch die ihr eigene und doch stets in der wahren Kunstregel sich haltende Lebendigkeit und der Beschauung wohlthuende Beweglichkeit, die wir im Gegensatz jener unruhigen, unsteten, übertreibenden, wovon wir auch wohl Augenzeugen waren, die rhythmische nennen möchten. Sie gab besonders die Ungeduld über die schwerbegreifende, halb verblüffte Fassungskraft ihres Liebhabers mit ächt komischer Wahrheit, und als sie mit der Räucherpfanne auftrat, erschien sie als eine höchst behagliche Parodie einer opfernden Vestalin. Ueberhaupt erhalten dergleichen kleine Wechselspiele durch leise Anspielungen auf ernstere Damen einen sehr ergötzlichen Anstrich des Lächerlichen, das bei uns viel zu wenig gepflegt und geübt wird und seine Quelle ganz in der travestirenden Parodie hat. Der Dichter selbst hat dieß sehr geistreich angedeutet, indem er den Liebhaber in der von ihm selbst am reichsten ausgestatteten Scene, wo Fritz den Thurm von Haubenschachteln herein bringt, in Versmaß und Darstellung einen der Vorsprecher oder Coryphäen in Schillers Braut von Messina parodiren und auf dem Cothurn einherschreiten läßt. Herr Kanow gab diese Scene sowohl, als alles vorhergehende, mit ächter Laune und wußte den vom Dichter geistreich erschaffenen Contrast der vorausgehenden Befangenheit und komischen Angst vor den Fesseln des Ehestandes mit dem neu eingetretenen frölichen Leichtsinn und Muthwillen sehr erfreulich hervorzuheben. Ein solches Stück, wenn es besonders der in diesen kleinen Duodramen mit Erfolg gebrauchten Verkleidungen entbehrt und ganz allein auf dem Vortrage beruht, muß durchaus öfterer auf die Bühne kommen, wenn Alles, was der Dichter hineinlegte, auch in der vollendeten Darstellung wiedergegeben werden soll. So würde gleich der Effect des blitzschnellen Verliebtwerdens beim Umdrehen vom Fenster noch mehr ausgemalt werden können, und noch eine Zuthat komischer Schattirung recht wohl vertragen. Manche Intention ¦ des Dichters mag auch nur auf Privatbühnen erreichbar seyn, wo man einem erwählten und gezählten Publikum manches bieten darf, was auf der öffentlichen Bühne Anstoß geben würde. So hat der goldene Hirsch dem scherzenden Dichter manchen Einfall geliehen, der im weiteren Kreise kaum verlauten konnte. Doch wurde, was etwa hier weggenommen worden war, reichlich durch einen sehr zweckmäßig eingelegten, mit dem lautesten Beifall des dabei interessirten Publikums aufgenommenen Doppelvers ausgeglichen (eine Erlaubnis, die in solchen kleinen Dramen sich von jeher sehr gut vertheidigen ließ). Er traf die mit wehenden Federflaggen versehenen Hüte der Zuschauerinnen im Theater, wodurch dem Nachbar allerdings manche Unluft erwächst. Einen anderen doppelten Doppelvers des Dichters, den wir uns wegen seiner ächt epigrammatischen Ründung und Bedeutung aus der Vorstellung mit nach Hause genommen haben, wollen wir hier, da das Stück noch nicht gedruckt ist, unsern Lesern nicht vorenthalten, da gerade den Anfang desselben Mad. Hartwig mit Geberde und Stimme als Meisterin in ihrer Kunst vortrug:

„Der Mann soll seyn der Herr!“ Es ist recht gut gesprochen,Doch lieb‘ ich Gleichgewicht und Macht durch Macht gebrochen.Der Mann hat unser Ohr, es hört, was er befiehlt;Doch unser ist sein Aug; wir lächeln – und er fühlt.

B.

Diesem voran gingen Die Rosen des Herrn von Malesherbes, ein Lieblingsstück des hiesigen Publikums durch die zarte, idealische und doch vollkommen wahre Art und Weise, mit welcher Mad. Schirmer die Rolle der Susette giebt. Heut ward sie von Dem. Lindner dargestellt. Man konnte Lebendigkeit und Feuer in ihrem Spiele nicht verkennen, aber von jener zarten Idealität war leider nichts zu bemerken, und so konnte wenigstens hier diese Susette nur Wenige ansprechen. Noch müssen wir auch Dem. Lindner auf den Uebelstand aufmerksam machen, die letzten Worte eines Satzes so fallen zu lassen, daß sie fast ganz verloren gehen.

In den beiden kleinen Savoyarden, welche dem Blitz folgten, war aber Dem. Lindner, welche darin den Josepho spielte, ganz an ihrer Stelle. Ihre Stimme genügte zu der wenig schwierigen Singparthie, und eben die Beweglichkeit ihrer kleinen Gestalt, welche ihr in Rollen von mehrerer Haltung und Tiefe nachtheilig wird, wirkte hier recht vortheilhaft. Wir dachten zwar noch mit Vergnügen an Dem. Brandt, die uns ohnlängst in derselben Rolle erfreute, fanden uns aber auch durch das rasche, unbefangene, knabenhaft kecke Spiel des heutigen Gastes sehr angenehm unterhalten. Der recht nette Tanz von Dem. Lindner trug noch mehr dazu bei, und so ward sie am Schlusse der Vorstellung von Vielen herausgerufen, denen sie recht artig dankte.

Th. Hell.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Der Blitz“, „Die Rosen des Herrn von Malesherbes“, „Die beiden kleinen Savoyarden“ am 24. Februar 1817

Entstehung

vor 05. März 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Hafenstein, Deborah

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 55 (5. März 1817), Bl. 2v

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