Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 14. und 20. April 1817: A. Müllner, König Yngurd (Teil 6 von 6)

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König Yngurd. (Beschluß.)

So klein die Rolle des Fischers Knaut auch ist, so beruht doch auf dieser ersten Anerkennung Oscars, des alten Ottfrieds jungem Ebenbild, sehr viel. So sah er aus, wie der da, grade so! Die kurze Rolle wurde von Herrn Haffner mit einer hinreissenden Natürlichkeit gespielt und mit dem lautesten Beifallklatschen anerkannt. Dem Kanzler Gyldenbrog, wie er uns hier würdelos vorgeführt wurde, dürfte schwerlich so etwas zutönen. Aber den Kurl werden wir immer gern kommen sehn. Der Reichsgraf Ourdal ist auch im Spiel tüchtiger Haudegen (Hr. Kanow). Er klirrt und spricht gewaltig.

Aus allem, was hier als Resultat mannigfaltiger Besprechung mit unbefangenen Beobachtern mitgetheilt wurde, geht unbestritten hervor, daß schon diese erste Vorstellung im Ganzen eine der gelungensten genannt werden muß und daß, wenn der Dichter den Kranz hoch hing, die Mitbewerber auch Hohes begehrten und errangen. Aus der Stärke kommt Süßigkeit, sagt der Orientale. Die Kunst erstarkt an solchen Aufgaben. Selbst die Scene der Flüchtenden aus dem Schlachtgetümmel im 3ten Akt hatte durch die gute Anordnung auf dem engen Raume nichts Anstößiges. Vorgearbeitet hatte auch hier die verständige Vorschrift des Dichters durch die Bergschlucht. Aber wie gern läßt man auf vielen Bühnen die Statisten, wie Bestien, los! Hier geht alles vernünftig zu. Wenn uns noch etwas zu wünschen übrig bliebe, so wäre es, daß wo Ourdal die Hälfte der Knappen abführt, die, welche in der Schlucht rechts und links als Vorderwacht stehn, nicht zur Hälfte abmarschirten, wodurch ja alle Illusion, daß noch weit mehr hinter ihnen stehn, zerstört wird. Ourdal muß fast mit lauter Unsichtbaren hinten abziehn. Ungern vermißten wir im gothischen Königssaal im Vorgrund einige Säulen, da das Anlehnen daran in der Vorzeichnung des Dichters liegt.

Böttiger.

Am 20. April. König Yngurd: zum Zweitenmale. Es fodert die Gerechtigkeit zu bemerken, daß bei dieser zweiten Vorstellung das Gelungene meist noch geründeter, vieles aber von dem, was in der obigen Beurtheilung mit einigem Zweifel berührt wurde, dießmal ganz untadelhaft, ja vortrefflich gespielt wurde. Herr Hellwig feierte den Sieg seiner Kunst auch noch in einigen Scenen, die das erstemal weniger hervorgehoben worden waren. Nur hätte man das Zerspringen der Klinge einige Momente später gewünscht. Dem. Christ als Irma spielte überall noch weit leidenschaftlicher und eben darum angemessener. Nach dem Maaß ihrer Kräfte kann man vollendeteres nicht verlangen. Mad. Schirmer hob in der Scene vor den Königen, wo Oscar seine Liebe verräth, aber auch sogleich wieder verschleiert, diese Stelle ganz so hervor, wie sie nach der Absicht des Dichters genommen werden muß, declamirte überhaupt vieles noch lebendiger und hatte den Kopfverband sehr geschmackvoll abgeändert. Nur in der Stellung in dem gewaltigen Moment, wo sie dem Mörder zuruft: ende! möchte der Dichter selbst, so malerisch schön sie auch war, seine Intention nicht erreicht gefunden haben, so wenig, als in der zu früh erschlafften Senkung des Mordwerkzeugs in Marduffs Händen. Hier kann keine Milderung statt finden; wer sie anräth, zerstört aus Weichlichkeit die Wirkung. Brunhilde bekam in Mad. Hartwig meisterhaftem Spiel hier und da noch mehr Steigerung des Affekts und der Wahnsinn tönte stärker. Sehr erfreulich war auch manche sichtbare und hörbare Abänderung in Herrn Wilhelmi’s Darstellung des Dänenkönigs, selbst im Anmalen der Gesichtsmaske. Einem solchen Alf ¦ gönnt man schon den Sieg der allein gesetzlichen Legitimität weit lieber. Dem. Zucker als Asla gewann durch furchtloseres Selbstzutrauen und spielte die Befangenheit selbst unbefangen. Vorzüglich bemühte sie sich, die dreimal in verschiedenen Scenen dämonisch eingreifenden Worte: – der Ritter liegt erschlagen, zerschmettert, und weit von ihm liegt sein Schild! mit immer steigender Kraft einklingen zu lassen. Sage doch niemand, dieses oder jenes Organ ist weniger dankbar. Bis auf einen gewissen Grad künstlicher Bildung fürs Declamiren geht es mit jeder Stimme. Aber wo ist die Kunst der jedes Metall der Stimme, auch das sprödeste, hämmernden und einstimmenden Phonaskie der alten Griechen und Römer geblieben, die doch wahrhaft sprechende Völker waren? – Auch in den untergeordneten Rollen ging alles noch runder und eingreifender. Nur des wackern Haffner’s Abwesenheit im Knaut wurde schmerzlich vermißt. In der Anordnung der Scenerei und der Costümes entdeckten die Aufmerksamen mit Vergnügen überall Nachhülfe und höhere Vollendung, für welche gewiß jeder der Direktion und Regie gern seinen Dank zollte. Die Abänderung, nach welcher die Ermordungsscene im Felsengemach, womit bei der ersten Vorstellung der 5te Akt begann, nun aber den Schluß des 4ten machte, that ihre volle Wirkung und würde vom Dichter selbst, hätte er den Effekt beobachten können, vielleicht nicht gemißbilligt worden seyn. Das Stück spielte dießmal ohne weitere wesentliche Abkürzung fast eine halbe Stunde kürzer, gewiß ein großer Gewinn. Aber in den Schlußscenen bleibt immer etwas hemmendes und ermattendes auch für den bereitwilligsten Zuschauer, zumal, wenn der Wahnsinn Brunhildens, wie bei uns geschieht, sein volles Recht erhält und künstlerisch ausgemalt wird. Noch ist für auswärtige Leser zu bemerken, daß von dem, was in der Beurtheilung der ersten Vorstellung in diesen Blättern gesagt ist, unser Künstlerverein bei der zweiten Aufführung durchaus keine Kenntniß haben konnte.

Böttiger.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: König Yngurd von Adolph Müllner am 14. und 20. April 1817

Entstehung

vor 24. April 1817

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Goldlücke, Annelie

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 98 (24. April 1817), Bl. 2v

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