Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 15. November 1817 (Teil 1 von 4)

Zeige Markierungen im Text

Am 15. November. Der Weinberg an der Elbe. Ländliches Lust- und Festspiel in 1 Akt, erfunden und gedichtet von Friedrich Kind.

An dem mit Jubel begrüßten Tage, der jedem Sachsen stets in die Brust geschrieben bleibt, an dem Vermählungsfeste vom 28. October, wo, um mit unserm Kind zu sprechen, der Völker

vereinte Wonne jedes Herz belebt,da Ein Gebet, der Liebe Glück zu gründenempor am Arno, an der Elbe strebt,

wurde auf der Leipziger Bühne ein sehr gemüthliches, allegorisches Festspiel: Der Tag der Liebe, zur feierlichen Anerkennung des schönen Festes mit Beifall aufgeführt. Auf dem Dresdner Hoftheater vermählte sich der Wohllaut toscanischer Rede mit dem Wohlklang deutscher Tonkunst in einer von unserm Maria von Weber komponirten, meisterhaft aufgeführten, allegorischen Festcantate, L’accoglienza betitelt, welches den Tag vor der Abreise Ihro K. Hoheit, der Prinzessin Maria Anna Carolina, nach Toskana gegeben wurde. Aber auch die deutsche Kunst hatte diesem Tage volle, unverwelkliche Kränze ihrer Huldigung zubereitet. Der mit Recht gefeierte Dichter des auf unsrer Bühne stets mit neuem Genusse gesehenen Vandyk, Friedrich Kind, hatte ein Lust- und Festspiel dazu gedichtet, welches in sinnigem Einklang alle Schwesterkünste, die unser kunstliebendes Dresden pflegt, in Anspruch nahm. Die unaufschiebbare Abreise der erhabnen Braut, gestattete die unmittelbare Aufführung nicht. Doch überreichte ihr der Dichter selbst noch das ihr geweihete Drama, dessen Aufführung nun auf den 15. November festgesetzt wurde, dem die drei festlichen Horen drei Kränze flochten, weil er der Geburtstag der Braut, der Namenstag des Bräutigams und der erste des ersehnten Eintritts in dem neuen, erhabenen Familienkreise war.

Diesen Tag verherrlichte nun bei uns jenes Festspiel. Man hatte manches von dem wunderbaren Schluß desselben gehört. Mehr als eine Frage schwebte auf den Lippen der heute in überfließender Zahl versammelten Zuschauer. So dürfte der Prolog kaum fehlen. Theodor Hell hatte ihn mit der ihm eigenen, anmuthigen Gewandheit gedichtet und darin keine der Blüthen einzuweben vergessen, die dem heutigen Feste sich, aus dem Verhältniß des zartesten Familienlebens und der treuesten Huldigung, entfaltete. Er konnte nicht würdiger gesprochen werden, als von der Künstlerin, deren vieljährige Verdienste um unsre Bühne, deren mannigfaltige Kunstleistungen uns um so unvergeßlicher bleiben müssen, als in erneuertem Rollenfach sie selbst stets neu und reinen Kunstgenuß gewährend erscheinen wird. Mad. Hartwig trug ihn mit dem tiefsten und eben daher auch überall tiefes Mitgefühl weckenden Ausdruck als Meisterin vor. Be ¦ geistern wollte sie im Blick und Geberde der Begeisterten selbst, als sie die lusterglühten Blicke schilderte, die

Hinschauend in ein fernes Blüthenlandaus Wunsch und Hoffnung bauen eine BrückeHinüber an des Arno Pinienstrand

So vorbereitet trat nun das Festspiel selbst ein. Auf einem Weinberge oberhalb Dresdens an der Elbe soll zur Feier des Tages, der jedes Sachsen Brust mit Freude schwellt, das Winzer- und Vermählungsfest zugleich durch eine ländliche Feier begangen werden. Es sind Gäste aus der Stadt dazu eingeladen. Das kleine Drama zerfällt also in zwei Hauptscenen. In der ersten Abtheilung sehen wir die Vorbereitung, in der zweiten die Ausführung des Festspiels. Bei hohen Vermählungen sind schon oft auch andre Brautpaare mit verheirathet worden. Dieß hat auch schon mancher Dichter bei ähnlicher Veranlassung zum Stoff eines Gelegenheitsstücks, das dabei officiell gespielt werden sollte, gewählt und unsre Theater-Literatur kennt von dem berühmten Aminta und Pastor fido, den guten alten italischen Schäfer-Dramen, bis auf unsre Tage eine zahlreiche Sippschaft solcher favole boscareccie, ländlicher Festspiele u. s. w. Einem so verbrauchten Stoff wußte nun aber unser Dichter dadurch eine eben so überraschende, als zartgefühlte Neuheit zu verleihen, daß er die ersehnte Vereinigung zweier Liebenden an eine bei der Ausführung dieses Festes zu erfüllende Bedingung knüpfte, und daß diese Bedingung selbst zur sinnreichsten Feier desselben sich gestaltete. Vater Heinau, der wackre, kunstliebende Weinbergsherr, hat den löblichen Eigensinn, nur das neue und originelle in der Kunst zu achten. Wilhelm, sein Sohn, ein Dichter von ächter Musenweihe, der, wie der Erfolg zeigte, Petrarchische Klinggedichte (Sonnets) zu machen weiß, benutzt diese geniale Eigenheit seines Vaters, um die Einwilligung seines Vaters zur Verbindung seiner einzigen Tochter, der holden Anna mit seinem Herzensfreund Florentin, dem als Hausfreund aufgenommenen Maler, zu erschmeicheln. Der Maler hat sich mit dem Dichter zur Ausführung eines höchstoriginellen Gedankens, der auch als solcher dem durch den Heirathsantrag überraschten Vater angekündigt wird, gerade zur heutigen patriotischen Vermählungsfeier heimlich vereinigt. Mit einer Liebeserklärung des Malers an die Blumen-flechtende Anna beginnt das Stück. Dann Verabredung zwischen den Liebenden und dem Dramaturgen Wilhelm. Dann Erscheinen des Vaters, dessen Eitelkeit und Neugierde von dem ihm das Jawort abschmeichelnden Kleeblatt mannigfach gereizt wird. Eine lustige Scene zwischen dem Theater-Decorateur Peter Bunkl und dem, einen Rundgesang zum Feste überbringenden Schriftsetzer Wall macht das Mittelglied der zwei Hauptscenen.

(Die Fortsetzung folgt.)

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden: „Der Weinberg an der Elbe“ von Friedrich Kind am 15. November 1817

Entstehung

vor 24. November 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 281 (24. November 1817), Bl. 2v

        XML

        Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
        so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.