Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, Freitag, 20. Januar 1837
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Bald meine Lieben werdet Ihr nun sagen „schon wieder ein Brief aus Dresden?[“] und die Gesichter werden sich dabey bedeutend in die Länge ziehn. Aber ich wage es noch einmal daraufhin, denn da meine letzten Briefe ein gar so jämmerliches Ansehen hatten so kann ich es mir nun auch nicht versagen Euch mitzutheilen das vielleicht noch alles gut gehen wird, und dass die jammernde Mutter nun wieder etwas guten Muthes ist. Ich hatte nehmlich selbst nach Paris geschrieben, und recht offen und herzlich zu Meyerbeer gesprochen, darauf hat er mich denn wissen lassen dass er nur die Ankunft der Musikalien erwarte um sich ganz unserer Angelegenheit zu wittmen. Dass ich hierauf nicht seumte alles was ich auftreiben konnte zusammen zu paken und noch am selben Tage fortzuschiken können Sie sich denken. Sechs Stunden nach Abgang des Paquetes kamen Eure lieben Briefe und die Noten — da habe ich mich wohl Anfangs ein bissel geärgert über meine Eile, aber ich dachte „man muss das Eisen schmieden weil es warm ist[“], und da ich doch fast alles Verlangte zusammen bekam hatte ich keinen bedeutenden Grund länger zu zaudern. Will nun Herr Crantz die Noten, villeicht mit einer Vergütung von meiner Seite, nicht wieder zurück nehmen, so finde ich das zwar natürlich und in der Ordnung, aber doch am Ende einer Frage werth. Was unser kleines Geschäft mit ihm betrifft* guter Jähns so muss ich Sie recht herzlich bitten dasselbe als guter Sohn in der Mutter Namen mit ihm abzuschliessen. Ich kann Sie versichern, ich wüsste nicht was man für die Sachen fordern könnte weil ich in dergleichen Geschäfte gar keine Einsicht habe. Dass man für die Composition nicht gar viel verlangen kann ist mir wohl klar, aber das Nähere muss ich Ihrer und Lichtensteins Einsicht überlassen den Sie ja, wenn es seine Zeit erlaubt, einmal zu Rathe ziehn könnten. Glauben Sie mir, wie Ihr es macht ist mir Recht und ich werde Eure freundliche Fürsorge dankbar erkennen. Was Herrn Crantz auf die Anfrage wegen der Pintos zu antworten, ist wohl leicht zu errathen „wer das Meiste dafür giebt, bekömt sie[“]*. Wäre es Ihnen aber lieb dass Herr Crantz den Vorzug bekäme, so soll ihm meine Zustimmung gewiss nicht fehlen, und ich würde Winkler und Meyerbeer dafür zu stimmen suchen. Die Erklärung in die Zeitung wegen des hässlichen Nach- und Vordruks will ich selbst besorgen lassen, denn ich fühle wohl dass ich anfangen muss für mich selbst zu handeln. Für Ihre freundliche Verwendung bey Herrn Crantz wegen unsern lieben Hosterwitzer Häuschen*, lässt Ihnen einstweil Herr Brauer durch mich herzlich danken. Sobald sein Bruder noch mehrere Exemplare colorirt hat wird er dieselben an Herrn Crantz absenden,
Doch nun genug von Geschäften, nun lasst mich erst noch ein Wörtchen mit meiner guten Ida plaudern. Meine Ahndung dass Ihr armen Leute unwohl sein müsstet, war also nicht ungegründet? Ihr habt würklich die garstige Modekrankheit auch mitgemacht? Liebe[r] Gott! Wenn so viel Menschen bey Euch den Schnupfen haben, und Husten und niessen, so bleibt ja fast keiner mehr übrig der Gott helf! sagen kann. Wie gut dass wir jetzt nicht nach Berlin komen! Denn wenn einem 30000 Menschen etwas Husten, dass muss nicht zum aushalten sein. Nun Gott lob! dass ihr meine lieben, das garstige Uebel überstanden, denn käme so etwas später würde es meiner Ida übel bekommen. Vor dem Aderlassen liebe Frau fürchten Sie sich ja nicht, es thut lange nicht so weh als so ein garstiger Blutegel, und in ihrem Zustandt ist so eine kleine Blutminderung oft sehr nöthig. Wenn Sie denn nun durchaus viele hübsche Handarbeit machen wollen, so versprechen Sie mir nur es nicht zu anhaltent zu treiben, und gegen das Ende hin recht recht viel, aber langsam zu gehen. Auch dann ja nicht viel schwere Speisen zu essen, und sich vor Allen, vor Gemüthsbewegung zu hüthen. Das einfache Jäkchen wäre wohl kein würdiges Taufkleidchen für den kleinen Mann, erlauben Sie immer der Grosmutter das zu besorgen. Das Kissen muss aber nicht zum einsteken gemacht werden sondern blos um das Kind darauf zu legen. Am hübschesten wäre es, von weissen Moll mit rosa unterlegt und ringsherum garniert. Der Junge muss nach meinen Willen im Schleppkleide getauft werden! Ach gute Kinder! könnte ich doch dabey sein! oder könnte ich Ida pflegen! gewiss wollte ich wie ein Drache wachen dass keine theilnehmend-vorwitzige Freundin Ihr vor der Zeit nahen und schaden sollte. — Doch sie haben ja eine gute sorgliche Mutter die mit gereifter Erfahrung Ihnen zur Seite stehen wird, ich Arme hatte Niemand und habe drum so schmerzliches Lehrgeld geben müssen. — Sie werden sich wundern gute Ida dass es mit dem gewürkten Zeug so lange dauert, auch dass die Baumwolle so lange nicht kommt, aber ich hatte Ihnen wohl schon geschrieben dass beide Leute erst den Fastenmarkt hierher kommen an die ich meine Bestellungen zu machen habe, und dass das Zeuch wohl nicht viel vor Ostern fertig werden wird. Die Baumwolle aber werde ich gleich nach dem Markt abschiken. Vor kurzen ist hier Euryanthe wieder neu einstudiert gegeben worden*, und mit solchen Beyfall aufgenommen wie fast noch nie. Ich war das erstemal in einer Loge, konnte es aber vor Rührung fast nicht ertragen so unter fremden Menschen zu sitzen. Als ich heraus ging erwarteten mich ein ganzer Trupp Bekanter, und unbekante Menschen die mich umarmten, die mir glückwünschten als hätte ich die Oper gemacht. Ach meine Freunde wie schön, wie erhebend ist das Gefühl einen solchen Mann sein genant zu haben. Die Kinder waren von der Musik, von den Enthusiasmuss des Publicums auch so ergriffen dass wir alle noch lange zu Hause herzlich vor des Vaters Bilde weinten. Ich weiss, und fühle es, in seiner Musik ist er mir nahe, besonders in der Euryanthe lebt sein Geist sein Herz, da spricht er noch zu mir wie in den schönsten Tagen meines Glücks. Doch nun genug für heute.
Ich umarme Euch herzlich gute Kinder. Grüsst Lichtenstein viel vielmal!! Die Kinder grüssen und küssen Euch auch. Stets unverändertEure treueCarolina v. Weber.
Apparat
Zusammenfassung
teilt mit, dass sie Meyerbeer nach Paris geschrieben habe und dieser ihr geantwortet habe, dass er nur die Ankunft der Noten abwarte und sich dann an die Arbeit machen werde; kurz nachdem sie die Noten nach Paris abgeschickt hatte, kamen auch die von J. besorgten; vielleicht nimmt sie Cranz gegen eine kleine Vergütung von ihr zurück; J. hat offensichtlich die ungedruckten Kompositionen von Weber Cranz angeboten; sie bittet J. dieses Geschäft selbst zu übernehmen da sie nicht weiß, was man verlangen kann; überlässt es ganz ihm und Lichtenstein, den er zu Rate ziehen möchte; Cranz hat Interesse am Verlag der Pintos geäußert, sie ist nicht dagegen, aber wer das Meiste bietet, bekommt sie; wegen der Nachdrucke will sie selbst eine Erklärung in die Zeitung setzen lassen, dankt für seine Verwendung wegen der Hosterwitzer Lithographie bei Cranz; persönliche Mitteilungen an Ida, berichtet von einer Neuinszenierung der Euryanthe, die sehr erfolgreich war; sie wurde gefeiert als hätte sie die Oper komponiert; Äußerung über die Euryanthe und dadurch die enge Verbindung zu Weber
Incipit
„Bald meine Lieben werdet Ihr nun sagen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Frank Ziegler, Eveline Bartlitz
Überlieferung
-
Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 18Quellenbeschreibung
- masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 19 des Konvoluts)
- 5 S.
Dazugehörige Textwiedergaben
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Weberiana 12 (2002), S. 31 (Auszug)
-
Weberiana 27 (2017), S. 58f. (Auszug)
Einzelstellenerläuterung
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„… kleines Geschäft mit ihm betrifft“Vermutlich Verhandlungen über die Publikation ungedruckter Werke Webers (vgl. dazu auch die beiden folgenden Briefe vom 21. Februar sowie vom März/April 1837); solche Absichten lassen sich bislang allerdings nicht eindeutig nachweisen, da keine diesbezügliche Korrespondenz zwischen Jähns und dem Verlag Cranz bekannt ist. Einige „Nachgelassene Werke“ Webers publizierte Jähns erst 1839/40 bei Schlesinger in Berlin.
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„… dafür giebt, bekömt sie ““Neben der französischen Ausgabe, um die sich Maurice Schlesinger beworben hatte, wetteiferten um die deutsche Ausgabe mehrere Verlage, neben Cranz auch A. M. Schlesinger in Berlin und Breitkopf & Härtel in Leipzig; vgl. Meyerbeer, Briefwechsel und Tagebücher, Bd. 3, S. 170.
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„… wieder neu einstudiert gegeben worden“Premiere am 8. Januar 1837.