Caroline von Weber an Friedrich Wilhelm und Ida Jähns in Berlin
Dresden, erhalten Montag, 31. Oktober 1842

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Meine lieben armen Kinder!

Wenn ich auch eine lange Zeit vergehen lies ohne Euch zu schreiben, so war drum meine Theilnahme an Allem was Euch betroffen gewiss nicht minder gross und herzlich, aber leider war meine Zeit in den letzten 4 Wochen so in Anspruch genomen dass nur die späten Abendstunden mir zum Schreiben übrig geblieben sind, wo ich dann aber vor Angst, und Unruh, welche mich den Tag über gequält, ganz ermattet die Ruhe suchen musste. Kaum war ich nehmlich aus dem Lämchen* ins neue Logie* gezogen, (was auch mit tausend Quelereyen verknüpft war) als unser armer Brauer krank wurde, und das, von ihm so lang gefürchtete Nervenfieber bekam. — Obgleich nun wohl Mutter und Schwester zu seiner Pflege da waren, so sind das jedoch so unpraktische Geschöpfe dass sie sich in solcher Noth gar nicht zu helfen wissen. Mutter Weber musste in allen zum Rechten sehen, und den dummen Leuten eintrichtern was sie zu thun hätten. Gott lob! Die Gefahr ist nun vorüber und seit gestern ist der arme Mann wieder eine halbe Stunde aus dem Bett gewesen. Da aber, wie Ihr wohl selbst wisst, keine Noth allein kommt, so musste in diesen Schreckenstagen die Ehrhardt auch noch in Wochen kommen, und fest auf meine Pflege hoffen. — Zwar ging alles gut, und Mutter und Kind waren gesund, aber ein paar Tage nach der Entbindung, machte man die schrekliche Entdekung dass das Kindermädchen eine schlechte Krankheit habe und dass man sie gleich fortthun müsse. Nun kam die rechte Noth! Denn die ältesten Kinder sind erst 1 und 2 Jahr alt, bedürfen also noch der grössten Aufsicht, und die Mutter und das kleinste Kind noch der ununterbrochenen Pflege. — Da hätte man wirklich doppelt sein mögen um allen zu helfen und Recht zu thun. Doch auch diese Noth ist durch ein gutes gesundes Kindermädchen gehoben, und auch die Wöchnerin nun wieder aus dem Bett. Ihr könnt aber denken, meine guten Kinder dass ich wohl die innigste Theilnahme für Euch fühlen, aber warlich nicht schreiben konnte. Dein letzter Brief meine gute Ida hat mich aber sehr erschrekt, und ich wünschte, da ich nun so ins Krankenpflegen hinein gekomen bin, den armen Wilhelm auch hätscheln zu können. Wer hatte gedacht, dass die schöne Reise solche Folgen haben würde?* Dass sich die Sonne Eures Glückes so lange verfinstern könnte? Ach wie traurig ist’s doch dass man in solchen Fällen auch so gar nichts für die geliebte Freunde thun kann! Dass man sich begnügen muss mit Liebe und innigen Bedauern ihrer zu gedenken. Aber verliert nur beide den Muth nicht meine Kinder, denn dann ist alles erst recht schlimm —. Auch diese Wolken werden vorüber ziehen, und der Sturm wird die Blüthen Eures Lebens nur beugen aber nicht entblättern. Wilhelm soll nur die Sache ja nicht schwarz sehen und sich hipochondrische Grillen machen, denn ich glaube fest, die Sache ist so schlim nicht als die Ärtzte es machen. Es ist ja jetzt Mode bey den Herrn, aus der Mücke einen Elepfanten zu machen, damit ihr Verdienst desto grösser erscheint, und villeicht ist in diesen Augenblick schon alles wieder gut. Gebe Gott dass ich diese frohe Nachricht bald erhalte. Mit meiner Gesundheit geht es recht gut, denn ausser Kreuzweh, hätte ich kein Uebel. Auch Max und Alex sind Gott lob! gesund und munter, und haben beide viel zu thun. Alex malt jetzt mein Portrait, und ich glaube es wird recht gut*. Fortreisen darf er jetzt aber in keinen Fall, denn Ehrhardt ist sehr streng, und würde sehr böse sein, wollte er jetzt seine Arbeit unterbrechen. Nicht einmal nach Altenburg zum Max darf er auf ein paar Tage. Wäre aber auch Ehrhardts Verbot nicht, so könnte ich ihn doch nicht reisen lassen, denn die Mutter hat den ältesten Sohn ganz einrichten müssen, und hat ihm für 2 Stuben Möbel pp gekauft, da ist dann die Kasse gesprengt, und für den jüngsten kann jetzt nichts mehr gereicht werden. Auch muss sich ja Max im Dec. zum Soldaten stellen, und wird er tauglich befunden muss er sich mit 200 Thl. loskaufen. Bey solchen Aussichten muss man alle unnöthigen Ausgaben zu vermeiden suchen, und sparen wo man kann. Villeicht ist künftiges Frühjahr mehr Fluth in der Kasse dann soll er kommen dass verspreche ich Euch. Max befindet sich wohl in Altenburg, und ich glaube er wird dort ehr heimisch werden als in Leipzig. Kürzlich hat er die Freude gehabt dass er zum Mitglied der naturhistorischen Gesellschaft in A ......* ist ernant worden, das hat ihn sehr geschmeichelt, und mich erfreut, denn der Umgang mit geistreichen Männern thut dem Max noth, und hällt ihn von seinen rohen Cameraden ferne. Die Weihnachts-Tage werde ich wohl in Altenburg bey ihm zubringen denn Urlaub bekomt er jetzt sehr schwer, und allein kann ich ihn an diesen Tagen nicht wissen. Ach wie lange wird’s werden so geht Alex auch in die weite Welt und die arme alte Mutter ist ganz allein — — Nun, wenn die Kinder nur gut und glücklich sind so darf man nicht klagen.

Eine grosse Oper von Wagner (Rienzi) macht jetzt hier grosses Glück, und ich glaube Meyerbeer bekommt in diesen jungen Componisten einen bedeutenden Nebenbuhler. Leider spielt die Oper 5 Stunden, und mit dem besten Willen kann ich sie nicht auf einmal hören. Die ersten 3 Acte haben mir aber sehr gefallen. Nur sehr überladen in der Instrumentierung. Schreibe mir doch ja bald meine gute Ida wie es mit Wilhelm geht, Du glaubst nicht in welcher Sorge ich um ihn bin. Auch um Dich a[e]ngstige ich mich, denn Deine Stimung schien mir höchst trübselig.

Ach könnte ich nur einen Augenblick zu Euch fliegen um zu sehen wie alles steht! Gott beschütze Euch Ihr Lieben und wende alles Uebel von Euch. Mit Liebe umarmt Euch die Mutter

Apparat

Zusammenfassung

private Mitteilungen und: „Alex malt jetzt mein Portrait, und ich glaube es wird recht gut“; Max hat sich in Altenburg eingelebt, ist Mitglied in der Naturhistorischen Gesellschaft in Altenburg geworden, wird im Dezember gemustert, wird er für tauglich befunden, muss er sich mit 200 Talern loskaufen; beschreibt ihre Eindrücke von der Aufführung von Wagners Rienzi

Incipit

Wenn ich auch eine lange Zeit vergehen lies

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Frank Ziegler Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: Dresden (D), Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek (D-Dl)
    Signatur: Mscr. Dresd. App. 2097, 78

    Quellenbeschreibung

    • masch. Übertragung nach dem verschollenen Original (Nr. 77 des Konvoluts)
    • 5 S.
    • am Kopf die Notiz: „Empfangen den 31. Oktober 42.“

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MJ, S. 202 (Auszug)
    • Weberiana 12 (2002), S. 26 (Auszug)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… ich nehmlich aus dem Lämchen“Landgasthaus „Lämmchen“ im gleichnamigen Vorwerk der Dresdner Johannstadt; vgl. den Brief vom Januar 1842.
    • „… dem Lämchen ins neue Logie“C. von Weber wohnte nun im Haus Dippoldiswaldaer Gasse Nr. 5; vgl. Dresdner Adress-Handbuch auf das Jahr 1843, S. 299.
    • „… Reise solche Folgen haben würde?“Jähns reiste 1842 nach Leipzig, Meißen, Dresden, Teplitz, Prag, Königgrätz, Brünn, Wien, Mürzzuschlag, Graz, Linz und Regensburg; zur Reise und der nachfolgenden Krankheit von F. W. Jähns vgl. Max Jähns, Familiengemälde, S. 193–198.
    • „… glaube es wird recht gut“Das Ölgemälde befindet sich im Bestand des Dresdner Stadtmuseums und wird im Weber-Haus in Hosterwitz präsentiert.
    • „… naturhistorischen Gesellschaft in A ......“Die am 2. Juli 1817 gegründete Naturforschende Gesellschaft des Osterlandes.

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