Friedrich Kind an Karl Theodor Winkler in Dresden
zwischern Februar 1825 und Dezember 1826

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Lieber Freund,

Habe doch künftig die Güte in Correspondenz-Nachrichten, die näher oder entfernter mich mit berühren, dieselbe Vorsicht zu brauchen, welche Du, wie mir bekannt, gegen andre in Deiner Nähe ausübst. Dein S.T. Correspondent in Paris findet die Unordnung der Beschwörungsscene nicht nach seinem Geschmack und meint daher, sie möge wohl vom Dichter so angegeben seyn*. Da hat er nun freilich Recht, wenn die Scene im Franz. so ist, wie sie im deutschen Druck angegeben ist, — denn um die Französischen und Englischen Verballhornungen, wovon auch das Schlechtere gütigst mir beigeschrieben wird, habe ich mich nie bekünmert — allein diese freundliche Insinuation enthält auch per contrarium eine andre — zumal nach einigem, was früher erwähnt wird — nämlich die, als rühre die Erfindung u Unordnung des Ganzen wohl von W. her, mit andren Worten, u. mit Metastasio zu reden, als habe ich, wie vielleicht manche andere Operndichter, eben Menschen nach dem Rohr gemacht. Omne simile claudicat — auch sage das ich nicht, sondern Metastasio hat den Frevel begangen. — Daß aber der ganze Plan, die ganze Zusammenstellung von mir herrührt, weiß W. — es wißen es noch mehrere welche die Oper in einem kleinen Kreise (am 4. März 1817.) zuerst vorlesen hörten*. Auf Webers Wunsch ist nichts geschehen, als dass die 1ste u 2te (in der That unentbehrliche) Scene des 1sten Acts wegblieb, dass die Romanze von der seel. Base späterhin eingeschoben ward (die am meisten angetastet worden ist) u daß hie u da einige Worte Samiels verändert, auch der 2te Vers des Jägerchors zugefügt wurde. — Ich bin es müde, mich mißhandeln zu lassen; ich rechne es für einen der schwärzesten | Tage meines Lebens, da ich W. die Oper zusagte, habe aber bis jetzt alles in mich verschloßen. Würde ich endlich mit Hadern dazu greifen, die Geschichte dieser Oper, mit den vorhandenen Originalbriefen unterstützt, öffentlich bekannt zu machen, es würde manches in einem ganz andern Lichte erscheinen, als es diejenigen darzustellen gewußt haben, welche überzeugt waren, daß W—s Triumphwagen über die Glieder seines Freundes hinwegrollen müße! — Wenn übrigens W. jene, Deinem Herrn Corresp. mißfällige Unordnung nicht zweckmäßig, nicht für das Ganze vorteilhaft gefunden hätte, warum konnte er mich nicht um eine Abänderung ersuchen, die ja mit wenig Strichen oder Ziffern zu bewirken gewesen wäre? — Genug hirvon! In einem Blatte, das wenigstens meinen Namen mit an der Stirn trägt, erscheint alles von mir tacite zugestanden, welchem ich nicht widerspreche — (Und wie sollte ich das — ? —[)] und muß zu mal, wenn in einer ganz kürzlich vorhergehenden Numer ein junger Dichter (über dessen Lob ich mich übrigens herzliche freue) sie vom Componisten bei weitem nicht erreicht prätonisirt worden ist, doppelt auffällig werden.

Das Breslauer Briefchen liegt wieder bei, mit Bitte um Nachsicht, daß es erst jetzt kommt. Dein Corresp. ist schwerlich auf der rechten Fährte; es kommt aber auf diese ganze Elendigkeit nicht an — eine menschl. Erbärmlichkeit mehr oder weniger — was thuts?

Deine 3. Pinto’s sind bereits in der Berl. Zeit. angekündigt. Nun, Du wirst Dich wohl beßer vorgesehen haben als ich — also meinen Glückwunsch!

Kind

Apparat

Zusammenfassung

reagiert ärgerlich auf eine Besprechung des Freischütz aus Paris mit Angriffen auf das Libretto; beschreibt Webers Einflussnahme auf das Libretto; äußert erneut seine Verärgerung, dass der Erfolg der Oper allein Weber zugerechnet werde; schickt einen Breslauer Korrespondenzbericht zurück; erwähnt die Ankündigung der Oper Die drei Pintos in einer Berliner Zeitung

Incipit

Habe doch künftig die Güte in Correspondenz-Nachrichten

Generalvermerk

Der undatierte Brief erwähnt die Pariser und Londoner Bearbeitungen des Freischütz, kann also nicht vor Februar 1825 geschrieben sein; ab Nr. 43 der Abend-Zeitung vom 19. Februar 1825 findet sich der erste Korrespondenzbericht aus Paris, der nach der dortigen Freischütz-Premiere (7. Dezember 1824) verfasst wurde, der Robin des bois selbst wird in Nr. 46 vom 23. Februar 1825 erstmalig in einem Bericht vom 1. Januar 1825 erwähnt (auf S. 184); der Beitrag ist allerdings nicht mit Sigle gezeichnet. Da Kind 1826 die Mitredaktion der Abend-Zeitung zurücklegte, dürfte der Brief, in dem er behauptet, das Blatt trage seinen „Namen mit an der Stirn“ (also auf dem Titelblatt), nicht danach entstanden sein.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz

Überlieferung

  • Textzeuge: New Haven (US), Yale University, Beinecke Rare Book and Manuscript Library (US-NHub), Winkler Collection

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S.)

Textkonstitution

  • „S.T.“unsichere Lesung
  • „er“über der Zeile hinzugefügt
  • „und muß“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… vom Dichter so angegeben seyn“Bezogen auf die französische Freischütz-Bearbeitung Robin des bois.
  • „… März 1817.) zuerst vorlesen hörten“Vgl. Tagebuch vom selben Tag.

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