Aufführungsbesprechung Dresden, Hoftheater vom 22. April bis 2. Mai 1819

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Donnerstag, den 22. April. die Zauberflöte, große Oper in 3 Akt., Musik von Mozard. Herr Klengel beschloß heute als Tamino seine Gastrollen, so wie Hr. Meyer seine Debütrollen als Sarastro. Ich habe die Mittheilung meiner Beobachtungen über die Darstellungen beider Künstler bis jetzt zurückgehalten, weil ich das: Ex ungue leonem, so richtig und treffend es in den meisten Fällen ist, doch auf Kunstleistungen, besonders aber auf musikalische und theatralische Darstellungen, wo der Künstler von so unendlich vielen Zufälligkeiten und Nebenumständen abhängt, nicht so anwendbar finde, obgleich es auch hier nicht ganz außer Acht zu lassen ist. Ein, auch nur einigermaßen bestimmtes Resultat über den Werth eines Künstlers (besonders des dramatischen) kann, wie ich glaube, nur aus der Vergleichung mehrerer und verschiedenartiger Darstellungen desselben hervorgehen und uns zeigen, ob der Darsteller blos abgerichtete recitirende oder singende Maschine, oder eigentlicher selbst denkender und fühlender, mehrseitig gebildeter Künstler sey. Dies nun angewandt auf die oben angezeigten Darstellungen der Herren Klengel und Meyer, so haben wir in Beiden ein Paar wackere Künstler kennen gelernt, deren Besitz jeder Bühne werth seyn muß. Hr. Klengel hat einen angenehmen, geschmeidigen Tenor, viel Biegsamkeit des Organs, bedeutende Kunstfertigkeit, und in Manier und Vortrag erkennt man den kunstmäßig ausgebildeten Sänger von Gefühl und Einsicht, der zugleich als Schauspieler eine achtungswerthe Ausnahme unter den meisten Sängern machte. Alle diese guten Eigenschaften des Hrn. Kl., noch durch seine guten musikalischen Kenntnisse unterstützt, würden sich aber noch mehr herausheben und die Gemüther mehr ansprechen, wenn Hr. Kl. sich im Gebrauch von Manieren und Verzierungen aller Art, und in der zu häufigen Anwendung des Falsets, wodurch die reine Bruststimme unterdrückt wird, etwas mehr einschränkte. Sehr wohl weiß ich, was auch Hr. Kl. und mit ihm fast alle jetzige Sänger und Sängerinnen mir hiergegen einwerfen werden, nämlich: daß ein großer (an manchen Orten auch wohl der größte) Theil des Publikums nicht genug solchen Confektes bekommen kann, und daß eine Kette von Trillerchen, ein chromatischer Laufer, ein Salto mortale von der ungestrichenen zur 2 oder gar 3 gestrichenen Oktave u. dergl. m., die Hände der Zuhörer mehr und leichter in Bewegung und Entzücken setzt (denn von der Scala kann hier die Rede nicht seyn), als der rührendste, schönste, einfache Gesang. Freilich ist das leider so; allein ist denn aber jener Theil eines Publikums auch gerade der competente Richter, dessen Urtheil und Geschmack dem wahren Künstler zur Richtschnur dienen kann und soll?

Hr. Kl. nehme diese allgemeine Bemerkung nicht als individuelle, unfreundliche Beziehung auf sich, sondern die Offenheit, mit der ich ihn auf das, was auf irgend eine Art seine wahren Verdienste in ihrer Wirkung einigermaßen stören kann, aufmerksam mache, als Beweis meiner Anerkennung derselben an. Möge er überall die freundliche, wohlwollende Aufnahme finden, die er als Künstler und als Mensch in gleichem Maße verdient. – Hr. Meyer ist bereits Mitglied unsrer Bühne und gewiß eine erfreuliche Acquisition. Wir besitzen bereits an Hrn. Toussaint einen wackern, angenehmen Bassisten, und ¦ können daher durch die Vereinigung beider Künstler viel Gutes erwarten, da wir überzeugt seyn können, daß Beide keiner andern Rivalität sich hingeben werden, als der: des edeln Wetteifers im Besten für die Kunst und unser Vergnügen. Hr. Meyer hat eine volle, angenehme Baßstimme, und eine bedeutende und kräftige Tiefe, die um so wirksamer und erfreulicher ist, je seltner sie immer mehr unter den Bassisten wird, woran zum Theil die neuesten italienischen und besonders französischen Componisten Schuld haben, welche keine Abstufung der verschiedenen Stimmengattungen mehr beachten und oft den Sänger zu widernatürlicher Ueberschreitung des natürlichen Umfangs seiner Stimme nöthigen. Deshalb vermeide Hr. M. jede erzwungene, seine natürliche Bruststimme überschreitende Höhe, die nach und nach seine schöne Tiefe unausbleiblich schwächen und zerstören würde, und folge nicht dem Wahne mancher gegenwärtiger, sonst vortrefflicher Bassisten, die durch einen unmäßigen (ich kann wohl sagen: unnatürlichen) Umfang der Stimme vom Baß bis in den Alt zu imponiren und zu glänzen denken, dadurch ihre Stimme verderben und eine Art Amphybien werden, die von einem Element in das andere streifen und in keinem heimisch sind. Hr. Meyer ist ein gebildeter Musiker, selbst Componist und routinirter Schauspieler. Vorzüge, die ihm besonders als dramatischer Sänger sehr zu statten kommen, und wir können uns noch manchen angenehmen Genuß von ihm versprechen. Seine Intonation ist rein und sicher; er hat Fertigkeit und einen gebildeten Vortrag; doch ist dieser zuweilen etwas manierirt. Und auch Hr. M. thue des Guten in Verzierungen, besonders auf Vokale, wie i und o, nicht zu viel, beobachte aber dagegen mitunter mehr Deutlichkeit in der Aussprache, vorzüglich im Gesange. Von einem so gebildeten Künstler darf ich hoffen, er werde, wie jeder wahre Künstler, dergleichen wohlgemeinte Bemerkungen mit Wohlwollen aufnehmen.

Diligite homines, interficite errores sine saevitia, pro veritate certate.

Friedrich Uber.

Am 24sten. Gianni die Parigi.

Am 25sten. Das Vogelschießen.

Am 26sten. Die Waise und der Mörder. Mad. Schirmer ward, nach der Entfaltung des trefflichsten Spiels als Victorin, mit vollem Rechte herausgerufen. Möchte man nur bei solchen Gelegenheiten, aus Achtung für die Künstler, sich blos der Nennung des Namens bedienen, und das gebieterische Heraus! raus! weniger erschallen lassen, der Beifall würde freundlicher, das Erscheinen ungezwungener sich gestalten. Nur ein Vorschlag.

Am 27sten. Don Carlos.

Am 28sten. Camilla. Hr. Meyer debütirte auch in der italienischen Oper heut als Herzog Hubert.

Am 29. Die beiden Klingsberge. Noch spielt Veteran Christ den alten Grafen mit bewundernswerther Gewandheit. Der jüngere wird von Hrn. Julius im feinen Welttone der Gegenwart trefflich gegeben, und Mad. Hartwig, die wir nach ihrer Krankheit zum ersten Male wieder als Gräfin auftreten sahen, vollendete durch gehaltenes, fein-neckendes Spiel das Kleeblatt.

Am 1. Mai. Simson. (s. Nr. 107 u. f. dieser Blätter.)

Am 2ten. Dasselbe.

Apparat

Verfasst von

Zusammenfassung

Chronik Dresden, Hoftheater vom 22. April bis 2. Mai 1819; dabei besonders über „Die Zauberflöte“ von Mozart

Entstehung

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Fukerider, Andreas

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 3, Nr. 112 (11. Mai 1819), Bl. 2v

Textkonstitution

  • „Mozard“sic!

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