Carl Vietsch an Carl Maria von Weber in Stuttgart oder Ludwigsburg
Carlsruhe, Donnerstag, 29. September 1808
1808.
Mein Verehrungswürdiger
Herr und Freund!
Recht lange habe ich keine Zeile von Ihnen erhalten und Sie wißen doch daß mir jede Nachricht von Ihrem Wohlseyn, von Ihrem Glüke und Ihrer Zufriedenheit sehr willkommen ist und von Herzen erfreut. Daß Sie gesund und zufrieden sind hat mir H: Dautreveaux gesagt und ich habe dies mit wahrer Theilnahme vernommen. Was macht Ihr alter braver H: Vater? – auch diesem bitte mein 1000faches Compl: zu machen und jeder Freund und Freundinnen | hier in Carls Ruhe wären alle wohl.
Nun mein bester Herr Baron ersuche ich Sie beifolgendes Schreiben à cachet vol.‡ zu lesen und so dann unserem gnädigsten Herrn gefälligst zu übergeben und die Sache aus der Ansicht zu nehmen, wie sie ist, und nach Ihrer rechtlichen DenkungsArt zu handeln und zu urtheilen. Welche Schüchternheit fühlt man Pferde zu handeln oder in Beschlag zu nehmen wenn kein Geld in der Tasche ist und wenn man auch die Pferde bis zu einem gewißen Termin in Beschlag zu nehmen das Glüke hat und dieser Termin nicht eingehalten werden kan, wer trägt den Schaden, die | Verantwortung? Sie fühlen gewiß das Unangenehme der Sache – der gute Herzog verliert obendrein u. selbst der Verkäufer ist entre deux gesezt – will er es abwarten – u. anderer Liebhaber mit Geld in der Tasche kommt u. will kaufen. – A..fade‡ leidet der Herzog in doppelter Hinsicht.
Nun noch eines mein theuerster Freund. wegen der Ringe Ihres Hn Vaters beim Loeser — Heut‡ hat Lezterer seine rectificirte Rechnung eingegeben u. H: v. Wollzogen* der ein Geschäft mit dem Israelitten hat, will die Ringe annehmen — sie verkaufen u. kommt mehr dafür heraus, Ihnen | das Surplus, geben — auch möchten Sie bestimmen: wer dabei sein soll? Ich fürchte Sie bekommen bei den Geld knappen Zeiten wenig dafür!
Bis hierhin habe ich aus Freundschaft und nach dem Wunsche Ihres Hn Vaters den Juden abgehalten die schönen Ringe zu verkaufen, indeßen wird es mir nun länger nicht möglich seyn, da er sie nun Hn von Wollzogen auf seine Schuld angiebt. Doch es ist nun in Ihren Händen u. Ihrer Entscheidung überlaßen. Mit redlicher Hochschätzung bin ich stets
Ihr
ganz ergebenster
Diener
Carl Vietsch.
Apparat
Zusammenfassung
grüßt von mehreren Bekannten aus Carlsruhe; über die Misslichkeiten bei dem Pferdehandel des Herzogs (legt hierzu Brief bei); über den Verkauf von Ringen Franz Anton von Webers
Incipit
„Recht lange habe ich keine Zeile von Ihnen erhalten“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Stuttgart (D), Landesarchiv Baden-Württemberg - Hauptstaatsarchiv (D-Shsa)
Signatur: Prozeßakte Weber G 246, Bü 5, Fasz. 6Quellenbeschreibung
- 1 DBl. (4 b. S. o. Adr.)
Provenienz
- Liegt in „Bey dem Verhör mit dem v. Weber zu benützende Papiere“ (Stuttgarter Prozessakten)
Textkonstitution
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„A..fade“unsichere Lesung
-
„Heut“unsichere Lesung
Einzelstellenerläuterung
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„vol.“Abk. von „volant“.
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„… eingegeben u. H: v. Wollzogen“Fraglich, welcher der Söhne des Freiherrn Ernst Ludwig von Wolzogen (1723–1774): wohl eher der ältere August (Friedrich Philipp) von Wolzogen (1771–1825), seit 1802 Generaladjutant von Eugen von Württemberg, der auf den Gütern des Herzogs in Carlsruhe lebte, als dessen jüngerer Bruder (Justus Philipp Adolf Wilhelm) Ludwig von Wolzogen (1773–1845), ehemaliger Erzieher und Kammerherr des jüngeren Prinzen Eugen von Württemberg, der mit diesem seit 1807 in russischen Diensten war.