Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Prag, Sonntag, 5. Juni 1814
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Von Einem Tage zu dem andern ver[schob ich] die Antwort auf deinen lieben Brief vom 30t Aprill, mein theurer Bruder, weil ich immer hoffte daß so manches sich entscheiden sollte, und ich dadurch in den Stand gesezt würde dir eine bestimmte Antwort über meine Reise zu Euch, geben zu können. Bis jezt hängt dieses noch von 1000 Zufälligkeiten ab, und ich bin nur durch die Gelegenheit der Abreise Müllers* verleitet worden, dir vor der Hand zu schreiben, daß mir deine Liebe innig wohl thut, daß ich dir fast in Allem Recht gebe, und daß ich bestimmt mich entschloßen habe nach Berlin zu kommen. Wann dieß aber geschehen wird, ob in 3—4 oder 8 Wochen kann ich nocht nicht wißen, und überhaupt wünschte ich daß du die Sache noch in Dunkelheit ließest weil ich mir von der Freude einer Ueberraschung gar viel verspreche. doch stelle ich lezteres ganz deinem Gutfinden anheim. Wenn dieser Brief kurz wird so wundre dich nicht, denn es reut mich schon jeder Federstrich den ich mache, weil alles sich in Bälde so gar schön und gut wird Mündlich abthun laßen. Auf jeden Fall erfährst du von mir noch bestimmt Art und Zeit meiner Reise, und wo möglich Tag und Stunde meiner Ankunft in Berlin. Bey dir zu wohnen lieber Bruder wird mir das erfreulichste und erhebendste sein, aber ich glaube doch vorher eine Art von Anfrage bey Beers machen zu müßen wenn ich hin komme, denn die könnten es übel nehmen, und glauben ich sey nicht mit Ihnen zufrieden gewesen. Wenn du mir noch etwas zu schikken oder zu schreiben hast, so thue es nur noch hieher per Adresse Ballabene et Comp: da ich vielleicht noch den ganzen Juni hier sizze.
Unsrer guten Koch sage alles Erdenkliche von mir, daß ich aber jezt außer Stand wäre an Sie zu schreiben. Wie sehr ich in Arbeit stekke kann dir Müller erzählen. seit dem 10t Sept: 1813 gebe ich künftigen Sonntag die 23te Oper*. Müller bringt auch einen ganz neugebohrnen Canon mit. der liebe Theilnahmvolle Brief von dem guten Jettch: Jordan hat mich herzlich erfreut, und es ist recht schlecht von mir daß ich noch nicht geantwortet habe, aber es ist mir bey Gott jezt unmöglich da ich den Kopf zu voll habe, und mein Gemüth zu unruhig ist, das langsam aufs Papier zu krazzen was ich bald freudig von den Lippen strömen laßen kann.
Also jezt Punktum, Grüße an Alle, bald liebster Bruder hofft dir selbst sagen zu können wie innig er dich liebt, dein treuster Bruder Weber Prag d: 5t Juny 1814.
Apparat
Zusammenfassung
bittet, bevorstehende Ankunft in Berlin als Überraschung im Dunkeln zu lassen; Privates
Incipit
„Von Einem Tage zu dem andern verschob ich die Antwort“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
Signatur: PB 37, Nr. 6Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- Textverlust durch Siegeleinriss in Zeile 1
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 29–30
-
Rudorff 1900, S. 38–39
Einzelstellenerläuterung
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„… die Gelegenheit der Abreise Müllers“Die Identität des genannten Müller ist ungewiss; möglicherweise handelt es sich um Wilhelm Müller, dessen Anwesenheit in Prag bislang allerdings nur für Oktober 1813 gesichert ist; vgl. Karl Goedeke, Grundriss zur Geschichte der deutschen Dichtung, 2. Aufl., Bd. 8, Berlin 2011, S. 255.
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„… Sonntag die 23 te Oper“Vgl. dazu die Aufstellung im Prager Notizen-Buch; nicht mitgezählt sind die dort notierte Schauspielmusik zum Österreichischen Feldlager sowie das Pasticcio Andromeda und Perseus.