Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Donnerstag, 15. Mai 1817
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Sr Wohlgebohren
dem Königl. Profeßor, und Director
des Zoologischen Museums
Herrn Dr: Lichtenstein
zu
Mein vielgeliebter Bruder!
Welch eine große herzliche Freude hast du mir durch deinen liebevollen Brief vom 10t huj. gemacht. Seit lange hat mich nichts so innig und rührend ergriffen, als dieser so schön ausgesprochene Beweiß deiner Liebe und deines Vertrauens*. der Himmel wird uns alle davor bewahren daß ich je von meinem väterlichen Rechte über die kleine Marie Gebrauch machen müßte, aber ich kann ehrlich die Hand aufs Herz legen und den dort oben zum Zeugen anrufen, daß es mir theuer und werth gleich einem eigenen Kinde sein soll. Den 18t werde ich im Geiste bei Euch sein, und meinen herzlichsten Seegen zum Gedeihen des holden Wesens aussprechen. Soll etwas von meinem Wesen über daßelbe kommen, so sei es der wahre reine Wille zum Guten, und der Welt und Kunst zu nüzzen, deßen ich mir mit vollster Ueberzeugung bewußt bin. bisher habe ich aus wahrer Religion, und im ganzen Gefühl der hohen Pflicht die sich mit dieser Ehrenlast eint, sie stets von mir zu halten gesucht, aber hier fühle ich mich wirklich mit‡ dazu berufen, da mein Herz mit Freuden, der Pflicht Vorschriften erfüllen helfen wird. Ich umarme dich und die treffliche Mutter mit wahrer Brudertreue, ihr vielgeliebten Gevattersleute.
Meinen sehr verehrten Mitgevattern meine achtungsvollsten Grüße, und Sie möchten gerne den Entfernten in ihren Kreis aufnehmen.
Du wirst ganz froh sein daß die gute Victoire wieder auf dem Zeuge ist, denn in einer Haushaltung wo man schon einmal an der lieblichen Frau Leitung derselben gewohnt ist, ist es gar arg und mangelhaft wenn sie fehlt.
Gott erhalte Muttern und Kind die Gesundheit, das ist das Erste und beste. bald kommen nun alle die Klippen der Zahnwerdung pp. Freue mich auch darauf so einen Menschen sich nach und nach entwikklen zu sehen. Muß etwas ganz eigenes und wirklich unbeschreibliches sein.
Die armen Treutlerschen Brautleute dauern mich recht. das lange Warten ist auf jeden Fall eine böse Sache. ist auch bei mir hohe Zeit daß es ein Ende nimmt. Meine gute Lina wird herzlichen Antheil an Eurem Glüke nehmen, ich schreibe ihr Morgen davon.
Mir geht es übrigens außer vieler Arbeit recht gut. Mein GeschäftsGang ist in der besten Ordnung und geht mit Lust und Liebe. in wenigen Tagen wird die treffliche Sängerin Grünbaum aus Prag, die bey uns den grösten Enthusiasmus erregt hat, /: wie billig :/ auch zu Euch nach Berlin kommen. ich glaube dir Freude zu machen wenn ich sie dir empfehle.
Jezt gehe ich bald an die Composition meiner neuen Oper. überhaupt hoffe ich den Sommer über viel zu arbeiten, so bald nicht mehr so viele Gastrollen kommen, und der Stamm meines OpernPersonales sich mehr formirt. bis hieher ist wirklich schon viel geschehen. seit dem 13t Jan: wo ich hier ankam und 14 Tage die ich weg war, also in 3 ½ Monat im Ganzen, ist einstudirt und gegeben worden. Joseph. das Hausgesinde. Fanchon*, die Savoyarden* Ostade*, Helene, Joh: v: Paris. das Lottoloos*. und Uebermorgen Blaubart*.
Nun muß ich schließen. Grüße mir alle meine Freunde aufs beste, vorzüglich dein
Elterliches Haus, pp ich umarme dich und deine liebe
Victoire aufs herzlichste, Gott schenke Euch und meinem kleinen
Pathchen den Seegen, den Euch aus Grund der Seele wünscht, Euer Ewig treuer Freund, Bruder
und Gevatter Carl
Maria von Weber
Dresden d: 15t May 1817.
Apparat
Zusammenfassung
ist gerührt, Pate der jüngst geborenen Marie Lichtenstein zu werden; teilt mit, dass er hoffe, bald an die Komposition einer neuen Oper gehen zu können; listet die bisher in Dresden zur Aufführung gebrachten Opern auf
Incipit
„Welch eine große herzliche Freude hast du mir“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
Signatur: PB 37, Nr. 20Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
Dazugehörige Textwiedergaben
-
MMW II, S. 95–96
-
Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 167
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Rudorff 1900, S. 71–74
Textkonstitution
-
„mit“überschrieben
Einzelstellenerläuterung
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„… deiner Liebe und deines Vertrauens“Antrag der Patenschaft anlässlich der Taufe von Marie Lichtenstein am 18. Mai 1817.
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„… . das Hausgesinde . Fanchon“Premieren (in Reihenfolge der Nennung) am 30. Januar, 18. und 24. Februar 1817.
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„… . Fanchon , die Savoyarden“Das Werk hatte bereits vor Webers Ankunft in Dresden am 2. Dezember 1816 Premiere; Weber studierte es nach und dirigierte es erstmals am 25. Februar 1817.
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„… Fanchon , die Savoyarden Ostade“Das Werk hatte bereits vor Webers Ankunft in Dresden am 28. März 1816 Premiere; Weber studierte es nach und dirigierte es erstmals am 15. April 1817.
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„… v: Paris . das Lottoloos“Premieren (in Reihenfolge der Nennung) am 22. April, 3. und 11. Mai 1817.
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„… Lottoloos . und Uebermorgen Blaubart“Die Erstaufführung fand erst am 18. Mai 1817 statt.