Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
Wien, Sonntag, 5. Oktober und Montag, 6. Oktober 1823 (Nr. 9)

Zurück

Zeige Markierungen im Text

Absolute Chronologie

Vorausgehend

Folgend


Korrespondenzstelle

Vorausgehend

Folgend

Den besten guten Morgen, mein vielgeliebtes Leben. ich will noch ein paar Augenblikke mit dir plaudern ehe Haßlinger mich nach Baden abholt.      Gestern schikte ich einen Brief vom Speisehaus aus weg, wo ich noch schnell die lezten Worte dazu krazte, da es schon so spät geworden war.      ja, beste Mukkin, du kannst Dir keine Idee von der Wärme machen mit der die Sänger ihre Parthien ergriffen. —

d: 6t früh. So weit Gestern, als mich Haßlinger abholte. Nachdem ich Dir also einige herzliche Morgenbußel gegeben habe, und die gute Mäzze, die noch schläft, + + + habe, faße ich den gestern abgerißenen Faden von Vorgestern wieder auf. — Da die Chöre und alles versammelt waren, und man von dieser Oper keine Leseprobe machen kann, so ergriff ich das Mittel, es ihnen vorzulesen. Die Aufmerksamkeit, und die Theilnahme daran war sehr groß. Der Regißeur Gottdank fragte mich, ob ich nicht ein Engagement beim Schauspiel brauche. — Nun entließ ich die Chöre, und fieng mit den Solosängern an zu probiren. Haitzingers erste Romanze* wollte ich überschlagen, die anderen gaben es aber nicht zu, Er mußte sie singen.      und so ging es fort mit einem Eifer der alles vergeßen machte; bis die Grünbaum die im Finale des 2t Aktes* müßig da saß, meinte, ihre Kinder würden wohl Hunger haben; da fuhr ihr alles auf den Pelz daß es noch ganz früh sein müße, ich sah nach der Uhr, ½ 4 Uhr.      Nun rannten wir natürlich alle nach den FreßAnstalten, und ich ging dann in der Leopoldstadt die Aline zu sehen.      gute Mukkin was habe ich da gelacht. Das Dings ist exzellent, und wie wird es gespielt? ganz vortrefflich.      Der Raimund, die Huber, und Schuster sind große Künstler*.      dann war noch LudlamT bis 12 Uhr zu Ehren des Kaisers*. ich war recht hundemüde, und mußte Gestern um 6 Uhr wieder heraus, weil, um 7 ½ die Parthie nach Baaden verabredet war. Diese fand auch statt mit Haßlinger, Piringer und Benedikt; aber leider in dem schändlichsten Regenwetter.      Die Hauptsache war, Beethoven zu sehen.      dieser empfing mich mit einer Liebe die rührend war, gewiß 6-7 mal umarmte er mich aufs herzlichste, und rief endlich in voller Begeisterung ja du bist ein Teufelskerl ein braver Kerl. Wir brachten den Mittag mit einander zu, sehr fröhlich und vergnügt. Dieser rauhe zurükstoßende Mensch, machte mir ordentlich die Cour, bediente mich bei Tische mit einer Sorgfalt wie seine Dame, pp kurz dieser Tag wird mir immer höchst merkwürdig bleiben, so wie Allen die dabei waren.      Es gewährte mir eine eigne Erhebung, mich von diesem großen Geiste, mit solcher liebevollen Achtung überschüttet zu sehen.      Wie betrübend ist seine Taubheit | man muß ihm alles aufschreiben*.      Wir besahen die Bäder*, und tranken aus der Quelle*. fuhren nach 5 Uhr wieder nach Wien zurük, wo ich noch ein Feenballet sah, das an Zartheit der Erfindung und Pracht der Dekorationen wahrhaft neu, überraschend, Feenhaft war. Ismaans Grab*.      darauf legte ich mich gleich in Bett, denn der Tag hatte mich sehr angegriffen.      Jezt habe ich getreulich referirt; jezt frage ich wie es der vielgeliebten Weibe und Max geht, träume mich zu ihnen.      der dumme Bub kostet mich viel Geld.      wo ich ein Kind sehe, muß ich ihm was schenken, und die Kinder haben mich alle lieb.      neulich begegnete ich einem gar hübschen Jungen auf der Straße. in Maxens Alter; der gab mir gleich Pot, und wie ich weggieng, strekte er die Händchen nach mir und rief immer fort Papa, das rührte mich so, daß ich bald geflennt hätte, und mich fort machen mußte.      Jezt kommt der Fee, und nun ade.      um 10 Uhr habe ich wieder Probe.      ade, ade, ade.

Mein geliebtes Herz, du würdest schon über manche Stelle Thränen vergießen, so schön haben die Leute heute auf der 2t Probe gesungen. ich habe nur Noth sie zu halten, daß ihr Feuer sie nicht zu sehr hinreißt, und mich mit nimmt. das sind doch schöne Augenblikke, indem man sieht, daß man das menschliche Herz getroffen hat, und ergreifft.      ich hoffe auf einen glüklichen Erfolg, wenigstens wird es gewiß nicht an den Sängern liegen.      Nun lebe wohl, geliebtes Leben, es ist 2 Uhr vorbei.

Heute Abend gehe ich an die Ouverture. Gott gebe da auch seinen Seegen.      so wie ich Euch jezt aus Grund des Herzens seegne + + + :      bleib Gesund und brav, und behalte lieb deinen alten HamsterKönig Carl. [im Kußsymbol:] Millionen
Bußen

Alles schöne an die Freunde.

Apparat

Zusammenfassung

ausführlicher, zufriedener Bericht über erste Euryanthe-Probe; über Besuch der Aline; einen Ausflug nach Baden mit Besuch bei Beethoven; über dessen Charakter; Privates; über die erfolgreiche zweite Probe und Vorsatz, heute an die Ouvertüre zu gehen

Incipit

Den besten guten Morgen, mein vielgeliebtes

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 167

    Quellenbeschreibung

    • 1 Bl. (2 b. S. o. Adr.)

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • Reisebriefe, S. 34–36
    • Worbs 1982, S. 109–111

Textkonstitution

  • „dann“über der Zeile hinzugefügt

Einzelstellenerläuterung

  • „… zu probiren. Haitzingers erste Romanze“Nr. 2.
  • „… Finale des 2 t Aktes“Nr. 14.
  • „… und Schuster sind große Künstler“Laut Kritiker des Sammlers, Jg. 14, Nr. 127 (22. Oktober 1822), S. 508 war die Partie des Barbier Bims eine der „besten Rollen, die je für Hrn. Raimund geschrieben wurden“.
  • „… Uhr zu Ehren des Kaisers“Zu dessen Namenstag.
  • „… man muß ihm alles aufschreiben“In Beethovens Konversationsheften ist die Unterhaltung nicht dokumentiert.
  • „… . Wir besahen die Bäder“Vermutlich das Josefsbad (Barockbau von 1697 mit Kuppelbau von 1803/04) und das Frauenbad (1821 von Charles Moreau), beide am Josefsplatz, wohl nicht das etwas abgelegenere Leopoldsbad (1812) und das Engelsbad (1821 von Joseph Kornhäusel) hinter dem Sauerhof.
  • „… und tranken aus der Quelle“Laut Tagebuch speiste die Gesellschaft gemeinsam mit Beethoven, dessen Neffen und A. Eckschlager im Sauerhof südwestlich der Stadt.
  • „… überraschend, Feenhaft war. Ismaans Grab“Vorstellung in der Hofoper (Kärntnertortheater). Den am selben Abend gespielten Akt I von Tancred mit A. Brunner (als Gast) in der Titelpartie scheint Weber nicht angehört zu haben.

    XML

    Wenn Ihnen auf dieser Seite ein Fehler oder eine Ungenauigkeit aufgefallen ist,
    so bitten wir um eine kurze Nachricht an bugs [@] weber-gesamtausgabe.de.