Carl Maria von Weber an Hinrich Lichtenstein in Berlin
Dresden, Mittwoch, 18. Mai 1825
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Sr: Wohlgebohren
Herrn Profeßor und Dr:
Hinrich Liechtenstein‡
Director
des zoologischen Museums pp
über
nach
In Abwesenheit des H: Profeßors von der Frau Profeßorin gefälligst zu eröffnen.
Meinen besten Gruß an Mann und Frau zuvor. dann die Notiz, daß ich deinen Brief lieber Mann vom 13t huj:, mit dem Postzeichen, nach Abgang der Post, und vom 14t, d: 17t erhielten. da aber nur Montag und Donnerstag /: 16t und 19t :/ die Post von hier nach Berlin geht, so spaziert heute dieser Brief über Leipzig um so schnell als möglich zurük zu gelangen; und nun die Bitte an Sie holde Frau, einliegenden Brief* sogleich an Logier zu schikken, und zwar als wie von Hinrich für ihn zurükgelaßen.
Wie gütig bist du mein theurer Bruder, bei deiner kostbaren Zeit, mir alles sogar so maulrecht zu machen. die Sache selbst, das kann ich nicht läugnen ist mir zuwider geworden, und ich bin eben noch vernünftig genug sie nicht ganz fahren zu laßen. bei meinem Widerwillen gegen alle dettaillirte Geldgeschäfte halte ich es nun für das beste, geradezu Kembles Vorschlag anzunehmen. Freylich, schlägt die Oper ein, so gewinnt Er enorm. Wie wäre es daher wenn man sich für diesen Fall die 6 oder 10t Einnahme versprechen ließe? freilich ist das auch so vielen Auslegungen und möglichen Chicanen unterworfen — — Unter solchen Umständen brauchte ich am Ende gar nicht selbst nach London zu gehen. die Reise kostet mich gewiß über 200 £.
Wunderlich, was die Leute wollen!, wenn ihnen die Preziosa nicht faßlich genug ist, was soll man denn schreiben? und daßelbe Publikum läßt die Overture der Euryanthe repetiren? und ist in Enthusiasmus bei Kampf und Sieg? Nun ich laße mich nicht irren, und schreibe wie ich muß und kann. Könnte ich nur erst wieder, aber mein Trübsinn ist noch immer derselbe. Ein Rutscher zu Euch, Ihr lieben, möchte wohl gut sein, aber wer weiß ob was draus wird, da die Zusammenkunft mit Logier bei dem ganz einfach sich gestaltenden Geschäft nicht durchaus nothwendig erscheint, ich auch jede zufällige Ausgabe scheuen muß.
Die ersten Vorstellungen des Alcidor versäumst du wohl durch deine Reise? schade für mich, aber gewiß erheiternder und beßer für dich, und das ist die Hauptsache. Schleßinger ist mir 2 Tage auf dem Halse geseßen und hat mich fast todt gesprochen. seine Offerten waren aber anständig und ich habe sie nicht abgewiesen wenn gleich noch nicht angenommen. Er bietet für den KlavierAuszug des Oberons mit dem EigenthumsRecht für Frankreich und Deutschland 1500 rh: eben so für die Pintos*. wird auch wohl auf die 2000 rh: zu bringen sein.
Besonders bitte ich dich nun dem guten, so theilnehmenden und gefälligen Freunde Logier meinen herzlichsten Dank zu sagen. Vielleicht ist der Zufall mir einst so günstig auch Ihm meine Achtung und Eifer Ihm nüzlich zu sein, beweisen zu können.
Ich drükke dich innigst an mein Herz, du treuer, liebreich sorgender Bruder, Gott lohne es dir in Gesundheit an dir und den deinigen. Lina grüßt Euch bestens.
immer und immer
dein W:
Dresden d: 19‡ 18t May 1825.
Apparat
Zusammenfassung
Rücksendung eines Briefes für Logier betreffend; Verhandlungen mit Kemble, dessen Angebot W. annehmen will; betr. Aufnahme der Preciosa, Euryanthe und Kampf und Sieg – Weber will sich vom Publikumsgeschmack nicht beeinflussen lassen; klagt, dass er nicht arbeiten könne; betr. Aufführung des Alcidor und Besuch in Berlin; ist zufrieden über Verhandlungen mit Schlesinger u. lässt Logier danken
Incipit
„Meinen besten Gruß an Mann und Frau zuvor“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Leipzig (D), Leipziger Stadtbibliothek – Musikbibliothek (D-LEm)
Signatur: PB 37 (Nr. 72)Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- Siegelrest
- PSt: DRESDEN | 19. Mai 25
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Rudorff: Westermanns illustrierte deutsche Monats-Hefte, 44. Jg. (1899), 87. Bd., S. 389
-
Rudorff 1900, S. 228–231
Textkonstitution
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„Liechtenstein“sic!
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„19“durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… holde Frau , einliegenden Brief“Lichtenstein hatte, um Weber bei den Verhandlungen bezüglich des Oberon-Honorars und der Reisekosten von und nach London zu unterstützen, J. B. Logier gebeten, mit F. W. Collard in London Kontakt aufzunehmen und dort entsprechende Informationen einzuholen; vgl. den Brief von Logier an Collard vom April 1825. Laut Tagebuch legte Weber diesem Brief an Lichtenstein einen „Brief von Collard“ (wohl dessen Antwort an Logier) bei, den Lichtenstein ihm zur Kenntnis gebracht hatte, damit das Schreiben wieder an seinen ursprünglichen Adressaten Logier zurück gelange.
-
„… eben so für die Pintos“Vgl. die Tagebuchnotizen vom 7. und 8. Mai 1825.