Carl Maria von Weber an Johann Philipp Samuel Schmidt in Berlin
Dresden, Donnerstag, 9. Juni 1825
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Sind Sie wirklich, mein theurer Freund, noch eine der harmlosen Seelen die einem ZeitungsArtikel glaubten?‡* Wenn ich Ihnen nun sage das der wahrscheinliche Verfaßer jenes Artikels Ein Komponist ist deßen kleine Oper kurz vor der Ihrigen aufs eklatanteste durchfiel, und sie doch in der besagten Zeitung in die Wolken erhoben wurde, zu großem Gelächter und auch Indignation von ganz Dresden*. — ? — ?
Ihr Abend in M: hat‡ keineswegs mißfallen. die Besezzung war so gut, als wir sie haben, und mit denselben Künstlern* mit denen wir Mozartsche, Wintersche, Mehulsche, Cherubinische p Opern, Freyschütz und Euryanthe geben. die Darstellung war rund und präzis. Große Erfolge aber herbei zu führen eignet sich das anspruchslose Werk nicht. nur eingetretene Umstände haben die Wiederholung verhindert, und sie wird so gewiß bald wieder gegeben als der Holzdieb* nie wieder.
Den‡ Vorwurf der Komponisten Eitelkeit muß ich Ihnen auch machen, mein lieber alter Freund, daß Sie mich nicht von dem Streichen der Serenade in Kenntniß setzten!* Sie wißen wie strenge ich daran halte den Componisten nicht willkührlich zu verstümmeln. die nächste Aufführung sieht aber die Seren: verkürzt*, und Hofr: Winkler hat auch etwas Dialog für die handelnden Personen dazu geschrieben.
Ich wünsche Ihnen, allen Komponisten, und besonders auch mir, die Theilnahme, Achtung und Sorgfalt die hier der Kunst und allen Aufführungen gewidmet wird, und es möchte dann wohl beßer in der Welt um Kunst und Künstler stehn.
Der Himmel erhalte Sie froh und gesund, und glauben Sie mit alter herzlicher Freundschaft Ihnen zugethan
Ihren
CMvWeber.
Dresden d: 9t Juny 1825.
[Notizen des Brief-Empfängers auf freien Flächen der beiden beschriebenen Seiten:] Dies ist des verewigten Freundes leztes Schreiben an mich.‡ der‡ Im‡ November und December 1825. war C. M. v. Weber‡ in Berlin zum leztenmale persönlich anwesend war‡, um seine Oper Euryanthe mit dem gelungensten Erfolg selbst in Scene zu setzen. So schwer dem an Husten und Heiserkeit sehr | leidenden Künstler auch die persönli‡ mündliche Mittheilung bereits wurde, weshalb derselbe auch bei den Proben nur dem die Violinisten‡ anführenden Concertmeister und dem künftigen Dirigenten der Oper‡ seine Bemerkungen leise mittheilen konnte, so verließ doch der Humor C. M. v. Weber nie ganz. Mit sarkastischer Laune, doch nicht frei von gerechter Indignation theilte W. besonders seinen vertrauten Freunden die Verhandlungen mit Castil Blaz‡ Blaze wegen der eigenmächtigen Verstümmelung des „Freischütz“ zum Robin de Bois mit*, wodurch dem Componisten das ihm gebührende Honorar unrechtmäßiger Weise entzogen war.
Während seiner Anwesenheit in Berlin beendete Weber den 2ten Act von Oberon* und ver‡ eilte dann nach Dresden in die Arme der geliebten Gattin und Kinder zurück, um nie hieher‡ wiederzukehren.
Berlin im August 1828. J. P. Schmidt.
Apparat
Zusammenfassung
beruhigt Schmidt wegen eines Zeitungsartikels gegen dessen „Abend in Madrid“; der Artikel stamme von einem Komponisten, dessen Oper kurz zuvor durchgefallen, aber in der Zeitung gelobt worden sei; sein Stück werde auf jeden Fall, mit einigen Veränderungen, wiederholt
Incipit
„Sind sie wirklich, mein theurer Freund, noch eine der“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
-
Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 30Quellenbeschreibung
- 1 Bl. (2 b. S. einschl. Adr.)
- PSt: DRESDEN | 9. Jun. 25
- Schmidt notierte (mit Tinte) am unteren Rand der Briefseite und vor allem auf den frei gebliebenen Teilen der Adressenseite jenen Beitrag über Weber, der – als Nachtrag zum Brief – auf S. 146 von Heft 35 der Cäcilia (1828) abgedruckt wurde. Gottfried Weber ergänzte die Texte der beiden Fußnoten (zur ersten mit Bleistift, teils verdeutlicht mit Tinte, zur zweiten mit Tinte). Das Original diente dem Setzer der Zeitschrift somit als direkte Vorlage. Im Brieftext finden sich nur wenige Eingriffe von Schmidt, seltener im Text (Unterstreichung von „Ein Komponist“, Änderung von „der Holzdieb“ zu „Der Aepfeldieb“), überwiegend NB. am Rand, auch einige wieder gestrichene Randbemerkungen (unter anderm eine, die Marschner als Autor der genannten Besprechungen bloßstellt).
Dazugehörige Textwiedergaben
-
Schmidt, J.P.: „Drei weitere Briefe von C.M.von Weber an Hrn. Hofrath J.P. Schmitt“ in: Caecilia Bd. 9 (1828), Heft 35, S. 145f.
-
La Mara: „Aus romantischer Zeit“ in: Neue MZ 35 (1914), S. 216
Textkonstitution
-
„glaubten?“„glauben“ überschrieben mit „glaubten?“
-
„… Ihr Abend in M: hat“darunter unleserlicher verworfener Wortanfang
-
„Den“„Einen“ überschrieben mit „Den“
-
„.“„,“ durchgestrichen und ersetzt mit „.“
-
„der“durchgestrichen
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„Im“„im“ überschrieben mit „Im“
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„war C. M. v. Weber“über der Zeile hinzugefügt
-
„war“durchgestrichen
-
„persönli“durchgestrichen
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„… Proben nur dem die Violinisten“korrigiert aus Violinen
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„und dem künftigen Dirigenten der Oper“über der Zeile hinzugefügt
-
„Blaz“durchgestrichen
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„36“durchgestrichen
-
„ver“durchgestrichen
-
„hieher“über der Zeile hinzugefügt
Einzelstellenerläuterung
-
„… Seelen die einem ZeitungsArtikel glaubten?“Gemeint ist der anonym publizierte, von Heinrich Marschner verfasste Bericht aus Dresden vom April 1825, in dem auch die Dresdner Erstaufführung von Schmidts Oper Ein Abend in Madrid am 17. März 1825 thematisiert ist, der es nach Marschners Meinung an „derjenigen Leichtigkeit im Spiel, wie es eine solche Oper erfordert“, gefehlt habe; vgl. Berliner allgemeine musikalische Zeitung, Jg. 2, Nr. 11 (16. März 1825), S. 87.
-
„… auch Indignation von ganz Dresden“Marschners Holzdieb erlebte am 22. Februar 1822 in Dresden seine Uraufführung, knapp einen Monat vor der Premiere von Schmidts Oper. Laut Bericht in der AmZ, Jg. 27, Nr. 20 (18. Mai 1825), Sp. 334f. missfielen beide Werke beim Publikum (dort mit falscher Datierung der Holzdieb-UA mit 24. Februar). Die von Weber erwähnte, von Marschner verfasste (aber anonym publizierte) positive Besprechung des Holzdiebs findet sich in der Berliner allgemeinen musikalischen Zeitung, Jg. 2, Nr. 18 (4. Mai 1825), S. 139.
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„… haben, und mit denselben Künstlern“Es sangen K. Keller (Baron), A. Mayer (Florville), C. Veltheim (Frau von Florville), F. Miller (Sanchette), G. W. Wilhelmi (Lorenz).
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„… wieder gegeben als der Holzdieb“Von J. P. Schmidt durchgestrichen und mit „Der Aepfeldieb“ überschrieben.
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„… der Serenade in Kenntniß setzten!“Von Schmidt am Rande Bl. 1r angemerkt: „Es war nur Vergeßenheit die Ursache der unterlaßenen Mittheilung einer auf der Berliner Bühne bewirkten Abkürzung. J. P. S.“
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„4.“recte „7.“