Carl Maria von Weber an Caroline von Weber in Dresden
London, Montag, 29. und Dienstag, 30. Mai 1826 (Nr. 32)

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A

Madame

Madame la Baronne de Weber.

a

Dresde.

en Saxe.

Das war sonderbar, meine geliebte Mukkin. vor ein paar Stunden erhalte ich deinen lieben Brief No: 21. vom 20t huj: kann aber durchaus aus einigen Stellen nicht klug werden, zerbreche mir den Kopf, und bringe keinen Zusammenhang hinein. so eben komt aber No 20t vom 18t nach, und klärt alles auf. also zuerst zu ihm.       Was bin ich erschrokken. Du arme Weibe, so gelitten hast du, und wolltest es mir verbergen? ja ja, die Wahrheit wär immer beßer. da hättest du geruht, und Rothe mir geschrieben wie es dir geht. ich hätte mich freylich sehr geängstiget, jedoch gewußt daß alle Hülfe dir Nahe ist, und auf Gott vertraut, unser einziger Hort! Nun! ihm Dank und Preiß, daß es vorüber ist, und ich dich nun Gesund weiß.

d: 30t      liebe Mukkin abermals muß ich meine Kürze und Abgerißenheit entschuldigen. ich habe aber so mancherley zu thun. das schreiben wird mir auch etwas sauer, weil meine Hände so zittern. und dann lebt schon die Ungeduld in mir, du wirst nicht viele viele Briefe mehr von mir sehen, denn vernimm meinen grausamen Befehl — — Antworte mir nicht mehr auf diesen Brief nach London, sondern gleich nach Frankfurt post restant. Du staunst? ja, ja, ich gehe nicht nach Paris. was soll ich da, ich kann nicht gehen, nicht sprechen. Geschäfte will ich Jahre lang verbannt wißen. also — beßer, den geraden Weg zur Heymath. von Calais über Brüssel, Cölln, Coblenz den Rhein herunter nach Frankfurt, welche herrliche Fahrt. obwohl ich nun etwas langsam werde Reisen müßen, und zuweilen einen halben Tag ruhen. so gewinnen wir doch wenigstens 14 Tage. und die lezten Tage des Junys hoffe ich [in] deinen Armen zu liegen.       Nun was sagt sie Frau Mukkin zu dieser Neuigkeit? ich hoffe sie springt und tanzt ein bißel toll mit den Buben herum. und ich könnte nun wohl eigentlich den Brief schließen, denn, beßeres kann nicht nachkommen.

Die Finanz Affairen gehen nicht gut die lezte Zeit. Mein Concert d: 26 war als Concert eines der brillantesten, Orchester, Chöre, alles das Beste*. alles hatte sich beeifert mir zu dienen, der berühmte Kramer spielte Bratsche, Z: B: u: s: w:      Beyfall über alle Maaßen enthusiastisch. in der Kantate*, ein Chor da capo gerufen. pp

Aber die Einnahme die ich bis jezt noch nicht ganz weiß, war sehr mittelmäßig, und wirft mich sehr in meinem Planen zurük.

Mein Benefiz ist künftigen Montag, d: 5t Juny. Die erste Vorstellung des ganz nach dem Original hergestellten Freyschützen*. wer weiß ob er dann noch so gefällt. Die ersten Eindrükke bestimmen alles. nun die erste Vorstellung ist gewiß voll. dann muß ich ihn freylich noch 4 mal umsonst dirigiren, wofür ich 100 £ bekommen hätte, hätte ich die fünf Einnahmen genommen, ich denke aber, sicher ist sicher.

und nun weiß ich nichts mehr, geliebte Mukkin, als daß ich deiner Liebe von Herzen die kleine Betrügerei verzeihe, und dir herzlich gute Bußen gebe.      Der H: Attestat Aussteller sey herzlich bedankt.

ich habe nun den Kopf voll von Stationen, Nachtquartieren. Geldsorten | den Einkäufen, hiesigen Geschenken, Trinkgeldern pp liebes Kind ich werde mich knapp halten müßen. so vieles ist mir entgangen, auf das ich rechnete. pp — hoffe also nicht auf prachtvolle Geschenke.      Gott segne Euch Alle + + +. wir haben hier auch elend Wetter, Regen, pp ich hoffe also auf gutes zur Reise. so Gott will gehts von hier d: 12t Juny ab.      Wenn Gott nur ein bißel mehr Kraft schenken wollte. nun, — auf der Reise geht gewiß alles beßer, nur aus diesem Clima raus.

Ich umarme Euch innigst Ihr Geliebten. Ewig der nur Euch lebende Vater Carl.

Apparat

Zusammenfassung

Privates; teilt mit, Caroline möge fortan gleich nach Frankfurt schreiben, da er ohne den Umweg über Paris direkt nach Hause reisen werde; erläutert Reiseroute; Konzert am 26. Mai sei erfolgreich gewesen, habe aber nicht die erhoffte Einnahme erbracht

Incipit

Das war sonderbar, meine geliebte Mukkin

Generalvermerk

Die Zuordnung des Adressenblattes (von Jähns) erscheint fraglich, da es kleiner als Bl. 1 ist und eine festere Struktur hat.

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Brief in zwei Teilen
  • 1. Fragment: Umschlagblatt
    Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Weberiana Cl. II A a 3, Nr. 23

    Quellenbeschreibung

    • PSt: F 26 | 7 6
    • am unteren rechten Rand der Rectoseite von F. W. Jähns (Blei): „verte!“
    • am unteren Rand der Versoseite Vermerk von F. W. Jähns (Tinte): „Umstehend Adresse des vorletzten an seine Gattin nach Dresden gerichteten eigen|händigen Briefes von Carl Maria von Weber, zum Briefe No 32, aus London | vom 29. u 30. Mai 1826 datirt, gehörig, 5 Tage vor seinem Tode geschrieben. Mit Vor|behalt des Briefes No 33 vom 2. Juni, das Letzte, was Weber in seine Heimath schrieb.“
    • verso außerdem von Jähns ein †

    Provenienz

    • vermutlich zu jenen 60 Weber-Briefen gehörig, die Max Maria von Weber Anfang 1854 an Friedrich Wilhelm Jähns verkaufte; vgl. Max Jähns, Friedrich Wilhelm Jähns und Max Jähns. Ein Familiengemälde für die Freunde, hg. von Karl Koetschau, Dresden 1906, S. 403
  • 2. Fragment: Brieftext
    Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. C. M. v. Weber 238

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (2 b. S. o. Adr.)
    • Siegelloch
    • Bl. 2 bis auf 1 cm Rand abgeschnitten
    • Blaustiftmarkierungen von Max Maria von Weber

    Provenienz

    • Weber-Familiennachlass

    Dazugehörige Textwiedergaben

    • MMW II, S. 699–700 (Auszug)
    • Reise-Briefe, S. 213–215
    • tV: Weckerlin, Jean-Baptiste, Musiciana, Paris 1877, S. 191 (Auszug vom 30 Mai; in frz.)
    • Einstein, Alfred: Briefe deutscher Musiker, Zürich 1955, S. 162–164

Textkonstitution

  • s„ch“ überschrieben mit „s
  • „und“über der Zeile hinzugefügt

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