Caroline von Weber an Carl Maria von Weber in London
Hosterwitz, Mittwoch, 31. Mai 1826

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To charles Maria v: Weber

No 91 Portland Street. Portland

Place. by Sir george Smart

per Hollande

London

Von einen weiten weiten Spaziergang nach Hause kommend, und recht froh und heiter über den herlichen Abend, fand ich Deinen lieben Brief No 29 vom 19t May. Ich habe mich überwunden gestern Abend nicht darauf zu antworten, denn er hat mich gar so wehmüthig gemacht. Du arme arme Männe! ich kann es Dir nicht beschreiben wie weh es mir thut wenn ich Dich in solcher Stimung weiß! Ich denke mir dann immer daß Du Dich recht schwach fühlst —.  Du lieber Gott! laß doch ja das Sorgen um das leidige Geld. Die Buben werden nicht verhungern wenn sie nur was lernen wollen. bitte bitte mein lieber Alter gräme dich ja nicht wenn Conzert und Benefice* nicht so gut ausfallen als wir wünschen, erhalte uns den geliebten Mann und Vater, und wir sind reich und glüklich. Ich habe gestern noch bis 10 Uhr einsam im Garten geseßen und für den Muks gebetet, dann bin ich wieder viel ruhiger ins Bettel gegangen. Heute nun lese ich Deinen Brief gewiß schon zum 6t mahl und suche und suche nach etwas Erfreulichen damit mein, villeicht vor letzter Brief nach Londen doch nicht ein gar so ernsthaftes Gesicht hat, aber leider hatte die Männe gewiß wieder einen recht trüben Tag gehabt denn der ganze Brief ist ernst und ich mögte sagen: feierlich. Nun ich will mich dadurch aber nicht verführen laßen und es auch werden, villeicht ist nun schon wieder  Alles beßer und der nächste Brief ist wieder freundlicher.

Das Kind von der Zahlhas hat mir noch keinen Vertruß gemacht im Gegentheil ist sie mir eine Erleichterung, weil sie den Max beschäftigt, und ich ihn nicht immer auf den Halse habe. Daß Du keine Engagements annimst ist mir eine recht tröstliche Versicherung, es wäre aber auch gar nicht gut gethan, Du must mit Geist und Körper Ruhe haben.      Vorgestern haben mich auch Böttigers wieder besucht. Sie komen alle Wochen einmal heraus weil Prinz Johan Unterricht nimmt. Er hat mir wieder vielerley hübsches aus den Zeitungen erzählt. auch in der Eleganten und dem Morgenblat steht viel was mich erfreut hat. Uiber einen Artikel in der Wiener Zeitung aus Londen muste ich recht lachen, da bist Du beschrieben wie in einen Stekbrief, und man bedauert nur der Brille wegen Deine ausdruksvollen Augen nicht sehen zu können*. Ja sogar daß Du, als Du das erstemal | im Theater die sonderbare Art von Oper gesehen, die Mundwinkel etwas spöttisch gezogen habest, wollen sie bemerkt haben*. Du bist übler dran wie ein Monarch, denn alles lauert auf Dich, und wenn Du jemanten die Hand trükst, so wird der dadurch berühmt. Wer sollte wohl denken das der vergötterte Weber eigendlich ein recht armer Mann ist? ach es ist gar so betrübt das zu wißen.      hier hat sich jetzt ein recht rührender Fall ereichnet. Die Hofsekretärin Ernst starb vor 5 Tagen; er wird an ihren Todes Tage krank und stirbt als die Gloken zu ihren Begräbniß geleutet werden — — wer keine, oder versorgte Kinder hat, kann sich kein größeres Glük wünschen als so zu sterben —. Der arme Titche Tiedche ist leider auch gefährlich krank. Böttiger fürchtet sehr für ihn. Von Kellers bekam ich auch ein paar Zeilen wo er mir unterandern schreibt daß die Dewrient wieder sehr an Uibelkeiten leidet nun das wäre ortendlich zum lachen —.      Heute wird wohl italienische Oper hier sein, doch weiß ich noch nicht was*. Morlachi will wieder nach Marienbad gehen er braucht jetzt die Buttermilch Cur und befindet sich sehr wohl. ja! ja! Unkraut pp Morgen ziehen Rothes heraus — übermorgen besuchen mich Kellers da werde ich Allerley Neues erfahren, für jetzt aber weiß ich nichts mehr.      Laß Dich nur nochmal inständig bitten geliebter Mann, Dich ja nicht zu ärgern wenn nicht alles so geht wie wir hofften, Du hast das Unmögliche gethan das muß Dich beruhigen. Reise auch ja recht langsam gönne Dir Rast damit die Reise Dich nicht zu sehr angreift. Gott gebe nur daß Du gut Wetter hast dann hoffe ich wird die Ruhe im Wagen Dir wohl thun. Ich denke mir das, wie das Wiedersehen eines Freundes wenn Du Dein Wagerl wiedersiehst. |

Der nächste Monat wird mir nun recht lang vorkomen besonderst wenn ich Dich abgereist weiß, man glaubt dann alles schon überstanden — nun das härteste ist es auch wohl. Ehe Dein gestricher Brief kam glaubte ich mich aller Angst überhoben (bis auf die Reise) aber da ich nun weiß wie viel Werth mein guter Mann auf die Einnahmen setzt, so werde ich nun mit Zittern die nächsten Briefe erbrechen —. Das Wetter ist jetzt hier warm und schön. Die Blüte ist vorbey, hat aber durch die Kälte sehr gelitten so das wir wenig Obst bekomen werden. Uibrigens sind aber sogar die Bauren zufrieden. Die Kinder sind den ganzen Tag im Freyen. Max ist trefflich zu Fuß. Rothe ist wohl, und ganz glüklich in Erwartung seiner Familie. Ich und die Kinder baden fleisig und es bekomt uns sehr gut. Du wirst wohl auch im Hause baden mein Alter, es ist doch bequemer. Die Brunnencur werden wir zusamen anfangen. Ich freue mich recht darauf mit Dir allein herum zu schlendern ach Gott! wäre es nur schon so weit — noch lange lange 6 Wochen!!       Die Leute sind brav und ärgern mich wenig. Die HottoT sehen prächtig aus und laufen wie die Teufel. Felsners halten Friede. nun ist alles berichtet. Grüße wir Herrn Smart schönstens, und danke ihm herzlich in meinen Nahmen für alle Sorgfalt die er für Dich hat. Wenn er einmal bey uns komt — na er soll sehen! —.      Gott gebe d dieser Brief Dich heiterer findet mein geliebter Carl, und daß Er das innige Gebet Deiner Lina erhört hat.

Leb wohl mein Leben, ich gebe Dir gute + + +. Die Kinder küßen Dich, und die alte Mukin auch ewig Deine treue. Dich unentlich liebende Lina

Apparat

Zusammenfassung

ist besorgt über seinen letzten so ernsten Brief (Nr. 29), berichtet Theater-Neuigkeiten

Incipit

Von einen weiten weiten Spaziergang nach Hause kommend

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Joachim Veit

Überlieferung

  • Textzeuge: Berlin (D), Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung (D-B)
    Signatur: Mus. ep. Caroline von Weber 31

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S. einschl. Adr.)
    • PSt.: a) DRESDEN | 1. Jun. 26 b) F P O | JU - 12 | 1826
    • Siegelspur

Textkonstitution

  • „… No 26“Briefnummer von unbekannter Hand durchstrichen und mit Blei 29 darüber geschrieben
  • „… Bettel gegangen. Heute nun lese“zwischen diesem und dem folgenden Wort durchstrichener, unleserlicher Worteinschub über der Zeile
  • „vor“über der Zeile hinzugefügt
  • „aus Londenüber der Zeile hinzugefügt
  • „Titche“durchgestrichen
  • „mich “über der Zeile hinzugefügt
  • „och“ überschrieben mit „
  • E„e“ überschrieben mit „E

Einzelstellenerläuterung

  • „… nicht wenn Conzert und Benefice“Konzert am 26. Mai 1826 (vgl. Tagebuch); die geplante Freischütz-Vorstellung zu Webers Benefiz kam nicht zustande.
  • „… Augen nicht sehen zu können“Vgl. Allgemeine Theaterzeitung und Unterhaltungsblatt für Freunde der Kunst, Literatur und des geselligen Lebens (= Wiener Theater-Zeitung), Jg. 19, Nr. 43 (11. April 1826), S. 175; darin heißt es zu Webers Dirigat am 8. März 1826 u. a.: „M. v. Weber ist von mittlerer Gestalt, äußerst dünn und hat eine düstere Gesichtsfarbe. Seine scharfen und geistvollen Züge scheinen mehr das Gepräge eines tiefen Denkers, als einer feurigen Einbildungskraft zu haben; die Augengläser, die er trug, verhinderten den Ausdruck seiner Augen gehörig zu beobachten.“
  • „… habest, wollen sie bemerkt haben“Vgl. den Bericht aus der Zeitung für die elegante Welt vom 17. April 1826.
  • „… weiß ich noch nicht was“Am 31. Mai 1826 wurde im Pillnitzer Theater Matilde di Shabran gegeben; Sophie Seconda hatte als Edoardo ihren ersten Auftritt in der Hofoper.

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