Gottfried Weber an Giacomo Meyerbeer in Darmstadt
Mannheim, Freitag, 4. Oktober 1811
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Liebstes Bruderl, was wirst Du von mir sagen u denken, daß ich so wie ein krepirtes Vieh seit Deiner Abreise von hir dir nicht ein einziges Lebens- oder Liebeszeichen gebe! Nu siehst Du, es ist nun so, ich konnte nicht dran kommen, war viel in Heidelberg, hatte viele litterarische Fehden mit den hiesigen Schauspielern, (wovon Du seiner Zeit u bald mehr hören wirst –) viele sonstige Geschäfte, kurz es gieng nicht. Jezt habe ich etwas Ruhe und schreibe Dir. – Apropos ich melde dir hiemit daß ich seit dem ein Mal verflucht, ja ganz verflucht Pikirt war über Dich, – näml[ich] als wir in der Zeitung u aus der Zeitung u dem ComersZettel‡ erfuhren daß Du hieher kommen würdest – da du aber nicht kamst war‡ sah ich daß ich Dir Unrecht gethan. Ich würde Dir dieses Unrecht abbitten, wenn – mich das nicht rechtfertigte daß Du so ein Kerl bist zu dem man sich so etwas wohl verstehen kann. Nun denn Weber (B A.) habe ich nun gehört gesprochen. Deine Schildrung von ihm trift ganz zu, eitle egoistische Kanallie, denkender Musiker, ob er immer recht denkt mögte ein andre Frage sein: wenigstens hatte ich unmaßgeblich manches im Eisenhammer anderst gedacht, und in der Sin‡ Ouvertüre hatte ich gedacht man müße den Gluk doch nicht so deutlich abschreiben. Indeßen hat er mich aufs höflichste genöthigt etwas über seinen Eisenhammer zu schreiben, was denn auch heute noch abgeht in Eleg.[ante] mit meiner NahmensUnterschrift, folgl.[ich] viel Lobens enthaltend*.
Meine Hoffnung durch Dich mit Ifland bekannt zu werden ist nun auch vereitelt worden.
Was hörst Du von C M W ich nichts, weis nicht wo er lebt. – B A W. war in Verzweiflung daß Du nicht kamst – ich auch, denn ich wollte Dir eine litterarische Fehde übertragen wodurch Du Deinen Nahmen ...‡ rühmlich vereg‡ verewigt hättest. – Komst nicht bald hieher wie versprochen.
Ach mein Gott da fallen mir die 27 f wieder aufs Herz die immer noch hier liegen wie todte Hunde, und nicht proprio motu nach Darmstatt spaziren wollen. Und so kann ich nicht läugnen daß ich heute schon noch so viel Zeit finden werde Dir Rechnung zu geben und solche diesem Briefe beizulegen, ich werds also thun. –
Im F[rank]furter Blatt lese ich ja unverschamt viel Schönes über Dich und B Weber!* – Dem Frölich sein Werk habe ich nun recensirt und di Rec[ension] an di Jahrb[ücher] d[er] Litt[eratur] abg[e]g[e]ben*: auch habe ich eine kurze Recens[ion] über Cherubinis TrauerCantate auf Haiden an di Eleg[ante] mitgeschikt: ist bei Kühnel verlegt. Hast Du die Partitur?
ich habs nach dem Clav[ier]Aus[zug] rez[ensiert] u darum so kurz. Gefällt mir sehr. – Nun bitte ich Dich aber um Gotteswillen schike mir doch di vielen Actenstücke die du mir schuldig bist sogleich zurük, ich kann den Band nicht hefften, und die vielen piecen werden mehrere Monate hir liegen ungeheftet durcheinander daß ich nichts machen kann w.[enn] ich einmal was nachsehen will*.
Wo bist Du denn oder wo warst Du, von B Wbr hörte ich Du habest eine Rheinreise gemacht – bist Du noch nicht wieder zurük? Hat dieser Brief Dich in Dstd angetroffen? – Kerl, warum schreibst du aber auch nicht, wenn ich nicht schreibe?!
Leb wohl alter, Papa Vogler erhält heute auch einen Brief von mir, brauchst ihm also diesmal keine Empfehlung von mir auszurichten. – Neue Guittarrenlieder von mir kommen nächstens bei Simrok heraus*. Die Exemplare der Singquartete* hoffe ich bald zu erhalten, werde Dir eins davon zu Füßen legen. Die folgende Seite des Briefes spare ich für di Rechnung, die ich lieber jezt gleich machen will.
Ich habe nämlich für Dich ausgelegt wie folgt
Vogler PastoralMeß[e] lt. Anl‡ Q[i]tt[un]g. welche zu dik ist um si beizulegen | 9.28 |
D moll * laut ditto | 8. 4 |
Fracht für den Huth lt dto | 1. |
Ausl[agen] für di Hutschachtel | 1. |
für Copialien einer Arie | 2.1o |
Ab von | 21.42 |
27.- | |
Bleiben Dir gut | 5.18 [sic!] |
Hör ein Mal, ich höre und sehe von Dir nichts in keinem Journal oder sonst. C. M. W. hat mir einen ganzen Pak seiner Arbeiten in verschiednen Gegenständen gedrukt geschikt, in Münchner Blättern* – der macht u erhält sich also doch entrée zu Blättern; auch Unkn.[own] schikt da und dort hin Sachen: Nur Du Spizbube bist still wie ein toder Hund. Di Münchner Blätter schike ich Dir bei Gelegenheitlich wenn Du nicht wi Du versprochen hast bald auf 8–14 Tage hieher kommst. Hat di Eleg.[ante] Z.[eitung] ...‡ erst‡ di recens[ion] über obenerwähnte Kühnelschen Verlags Artikel aufgenommen so muß si mir auch eine übern ersten Ton aufnehmen*. Den Iffland haben wir im Bad[ischen] Mag[azin] gehörig gerecensoren, wirsts mit Pläsir lesen*. über Wbers Conc[ert] sagen wir nichts weil ich unter eigenem Nahmen wie gesagt etwas ins Eleg[ante] Blatt schike*. – Hörst Du, wenn Dus zu lesen bekommst, ließ es doch aufmerksam, u sag mir ob Du meinst daß er sich dadurch geschmeichelt fühlen‡ halten wird, und ob man sich vorkommenden Falles auf einen Gegendienst von ihm verstehen kann. (ich meine den B. W.) u ob er der Mann dazu ist: ich glaube kaum. Kann er schreiben?, u schreibt er? viel? anonim? – Freilich habe ichs nicht laßen können ihm hie und da kleine Hiebe zu geben! S’ ist aber auch hol nicht‡ mich der Teufel gar vieles schofle dabei‡ in dem Eisenhammer.
Na: Adio schreibe mir bald. Künftigen Sonnabend gebe ich im Museum Voglers Lob der Harmonie [ohne Unterschrift].
Apparat
Zusammenfassung
über seine Begegnung mit B.A.Weber u. über verschiedene Rezensionen; legt Rechnung bei; über Aufsätze der anderen Brüder, besonders Webers Münchener Beiträge
Incipit
„Liebstes Bruderl, was wirst Du von mir sagen“
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Eveline Bartlitz; Joachim Veit
Überlieferung
Textkonstitution
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„u dem ComersZettel“über der Zeile hinzugefügt
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„war“durchgestrichen
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„Sin“durchgestrichen
-
„...“durchgestrichen
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„vereg“durchgestrichen
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„Anl“durchgestrichen
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„...“durchgestrichen
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„erst“über der Zeile hinzugefügt
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„fühlen“durchgestrichen
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„nicht“durchgestrichen
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„dabei“durchgestrichen
Einzelstellenerläuterung
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„… folgl. ich viel Lobens enthaltend“ Laut Becker (123,3) ist in der Eleganten keine Rezension über das Konzert erschienen, wohl aber in den Gemeinnützigen Unterhaltungsblättern in Hamburg (1811, 30. November, S. 654), dort gezeichnet mit Philokalos (vgl. dazu Altmann in Die Musik 1908, S. 76!). Dort ist auch die Gluckimitation angesprochen.
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„… Dich und B Weber !“Vgl. die kurze Notiz zu Bernhard Anselm Webers Konzert am 16. September 1811 in Frankfurt a. M.
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„… abg e g e ben“Vgl. die Rezension von Fröhlichs Singschule in den Heidelberger Jahrbüchern.
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„… ich einmal was nachsehen will“Dies spricht wiederum für die umfangreiche Sammlung im Archiv!!
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„… kommen nächstens bei Simrok heraus“ Webers opo. ?
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„… . Die Exemplare der Singquartete“Evtl. 12 vierstimmige Gesänge (opus 16) .
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„… gedrukt geschikt, in Münchner Blättern“Dort also doch einiges zu finden!!
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„… eine übern ersten Ton aufnehmen“Eine entsprechende Rezension erschien nicht, lediglich innerhalb des Berichts „Aus Mannheim“ in der Ausgabe Nr. 28 (8. Februar 1812), Sp. 224 eine positive Erwähnung des Werks.
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„… gerecensoren, wirsts mit Pläsir lesen“Vgl. Rezension...
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„… ins Eleg ante Blatt schike“S.o.