Aufführungsbesprechung Mannheim: „Die Schweizerfamilie“ von Joseph Weigl am 14. Juli 1811 in Mannheim

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Hof- und National-Theater in Mannheim.

Sonntag, den 14. Juli: Die Schweizerfamilie*, lyrische Oper in 3 Aufzügen.

Mlle. Frank*, seit 4 Monaten von hier abwesend, und seitdem durch öffentliche Blätter* uns als vorzügliche Künstlerin bekannt geworden, erwarb sich bey ihrem ersten Wiedererscheinen als Emmeline lauten Applaus. Es ist nicht zu verkennen, daß sie auf ihrer Kunstreise merklich an künstlerischer Ausbildung, besonders rücksichtlich ihres Spieles gewonnen hat. In ihrer ersten Szene* hielt sie gar wohl die Vergleichung gegen unsere Mad. Gervais* aus – weniger in der zweyten, in der Cavatina*, wo die Kraft des Organs sie verließ, und wo sie die erzwungene Fröhlichkeit viel zu ungezwungen gab, und den Effekt blos im Contraste schnellen Wechsels zwischen Fröhlichkeit und Schmerz suchte, statt (was freilich schwerer aber hier das einzig richtige ist,) diesen durch jenen durchschimmern und, scheinbar unwillkürlich, vorherrschen zu lassen. Weit glücklicher gab sie hingegen wieder die Hauptszene des dritten Aktes*, in deren letzten Hälfte jedoch wieder ihre Stimme sie verließ.

In wiefern Mlle. Frank, welche die Dauer ihrer Urlaubszeit* überschritten hatte, einen noch mehr oder weniger günstigen Empfang vom Publikum verdient hätte, liegt außer dem Gebiete der Kritik, und wir unterdrücken daher unsre Stimme über diese Frage, um so lieber, da der Zweck ihres längern Ausbleibens (wie sie sich selbst beim Fora rufen* ausdrückte) – so edel war.

Von der übrigen Aufführung ist nichts Neues zu sagen, als daß die Herren Kaibel und Mayer* sich durch pöbelhafte Spässe, zu großem Vergnügen der Gallerie, auszeichneten, als da sind: dem andern die Perücke vom Kopfe reissen, – sie ihm um den Kopf herum schlagen u. s. w. – Spässe – oder vielmehr Possen, welche mit der Prätension auf den Ehrentitel: Künstler, doch gar zu sehr contrastiren.

G. Giusto.

Apparat

Generalvermerk

Zuschreibung nach Sigle.

G. Weber hatte zuvor bereits zweimal Katharina Gervais in der Rolle der Emmeline gewürdigt (1810-V-19 (Teil 3) und 1811-V-05).

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 115 (16. Juli 1811), S. 459–460

    Einzelstellenerläuterung

    • „Die Schweizerfamilie“EA Mannheim: 29. Juli 1810.
    • „Mlle. Frank“Luise Frank, eine Lithographie zeigt sie im Kostüm der Emmeline (Reiß-Museum Mannheim, E 52qw/k), abgebildet in: Musik in Heidelberg 1777–1885, Heidelberg 1985, S. 297.
    • „durch öffentliche Blätter“Vgl. 1811-V-26.
    • „ihrer ersten Szene“Szene I/8.
    • „… Vergleichung gegen unsere Mad. Gervais“Zu Katharina Gervais als Emmeline vgl. 1810-V-19 (Teil 3) und 1811-V-05.
    • „Cavatina“Cavatina der Emmeline (Nr. 7) „Wer hörte wohl jemals mich klagen?“
    • „Hauptszene des dritten Aktes“Szene III/16, darin das Melodram (Nr. 17).
    • „Dauer ihrer Urlaubszeit“Luise Frank hatte im Anschluß an die Vorstellung vom 14. Februar 1811 eine nicht genehmigte Gastspielreise angetreten, die sie nach Frankfurt a. M., Weimar, Berlin, Breslau und Darmstadt führte. Am 10. Juli 1811 kehrte sie nach Mannheim zurück und erhielt von der Intendanz zehn Tage Hausarrest. In der hier besprochenen Vorstellung trat sie erstmals wieder auf.
    • „… sich selbst beim Fora rufen“Herausrufen, vor den Vorhang, an die Rampe rufen.
    • „Herren Kaibel und Mayer“Karl Ludwig Kaibel und Carl Mayer traten als Paul bzw. Durmann auf.

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