Kunstbericht aus München, 13. Oktober 1811
Kunstbericht. *) München, den 13. Okt. 1811.
Herr Carl Maria v. Weber, der vor Kurzem aus der Schweiz hier angekommen* ist, gab gestern im Königl. Redoutensaale ein großes Vokal- und Instrumental-Konzert*, dem, bey gedrängtvollem Hause, Ihre Maj. die Königin und II. kk. Hoheiten der Kronprinz, die Kronprinzessin und der Prinz Carl beizuwohnen geruhten.
Das hiesige Königl. Orchester hätte dem berühmten Hrn. Konzertgeber die ihm gebührende Achtung in keinem höhern Grade beweisen können, als indem sich die vorzüglichsten Meister desselben vereinigten*, durch ihr gewandtes Spiel das Interesse an diesem Konzerte allgemein zu machen, und so kam es, daß sich der Effekt durchs Ganze immer gleich erhielt, und der Beifall des Publikums am Ende eines jeden Stücks mit gleich großem Enthusiasmus erfolgte.
Die durch das Erschütternde und Gewaltige ihres majestätischen Ganges hinreißende Ouverture aus der von Hrn. Carl Maria v. Weber komponirten Oper: Der Beherrscher der Geister – drückte ganz das Erhabene überirdischer Naturen aus, und bewies zugleich die Macht des Künstlers, durch die ihm zu Gebote stehenden Geister der Tonkunst über die Herzen aller Anwesenden zu herrschen.
Die von ihm komponirte, und von Mad. Regine Lang, mit alles übertreffender Schönheit gesungene Arie aus Atalia, so wie sein mit genialem Geiste verfaßtes, und auf gleiche Weise von ihm vorgetragenes Konzert auf dem Fortepiano* zeugten von jenem Umfange in der Behandlung leidenschaftlicher Darstellungen, und jenem Reichthume von plötzlichen Uebergängen und Abwechselungen zur Hervorbringung der verschiedenartigsten Effekte, womit Voglers größter Schüler sich unserer Gefühle zu bemeistern versteht.
Allgemeine Bewunderung verschaffte sich Herr Carl Maria von Weber noch durch eine bezaubernde Phantasie auf dem Fortepiano, wozu ihm I. M. die Königin ein Thema ertheilte*, worüber er ein Meisterstück momentaner Erfindung aus sich hervorschuf, und die Zufriedenheit der Zuhörer aufs Höchste steigerte.
[Originale Fußnoten]
- *) Aus der Münchner polit. Zeit. Nro. 269.*
Apparat
Generalvermerk
Zuschreibung:
Brief von C. M. v. Weber an G. Weber
vom 15. November 1811. G. Weber ist nicht der Autor, sondern nur der
Vermittler und Redakteur dieser Kritik.
C. M. v. Weber hatte G. Weber am 15. November 1811 gebeten: Auszüge aus dieser Zeitung wirst du wohl besorgen. Bei der beigelegten Zeitung handelte es sich um die Münchener Politische Zeitung, Jg. 12, Nr. 269 (13. November 1811), S. 1199. G. Weber übernahm den Text (von geringfügigen orthographischen Varianten abgesehen) wörtlich aus der Vorlage, ließ jedoch einen Abschnitt zu den Münchner Künstlern ausfallen (Die mit olympischem Wetteifer auftretenden Meister in den übrigen Konzerten, als Hr. Bärmann und Hr. Wilhelm Schönche in einem Konzerte für 2 Klarinette von Tausch; Hr. Weichselbaumer und Mittermayer in einem Duette von Simon Mayr; Hr. Direktor Fränzl und Hr. Konzertmeister Moralt in einem Concertando für 2 Violinen; so wie Hr. Flads meisterhaftes Spiel auf der Oboe gaben den Stunden Flügel, indem sie uns aus einer Entzückung in die andere versetzten.) und strich den Schlußsatz (Selten trug ein Künstler einen glänzendern Triumph davon, als es gestern Hr. Karl Maria von Weber gelang, selten aber vereint sich auch das Schöne so schön zum Ganzen.). Die gleiche Kritik hatte C. M. v. Weber auch an Gänsbacher geschickt, der einen Auszug in derKaiserlich Königlich privilegirten Prager Oberpostamtszeitung (1811-V-81) und im Hesperus (1811-V-97) veranlaßte.
Entstehung
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Überlieferung
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Textzeuge: Badisches Magazin, Jg. 1, Nr. 224 (21. November 1811), S. 895–896
Einzelstellenerläuterung
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„Aus der Münchner … Zeit. Nro. 269.“Münchener Politische Zeitung, Jg. 12, Nr. 269 (13. November 1811), S. 1199.
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„vor Kurzem aus … Schweiz hier angekommen“C. M. v. Weber kehrte am 23. Oktober 1811 von seiner Reise aus der Schweiz nach München zurück.
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„gestern im Königl. … Vokal- und Instrumental-Konzert“Diese Angabe, die nach der Datierung des Artikels den 12. Oktober 1811 als Konzerttermin bezeichnet, ist ebenso falsch, wie der in der Münchener Politischen Zeitung versehentlich angegebene 11. Oktober. Webers Konzert fand am 11. November 1811 statt; vgl. den Konzertzettel, Faksimile bei: Robert Münster, Zu Carl Maria von Webers Münchner Aufenthalt 1811, in: Musik. Edition. Interpretation. Gedenkschrift Günter Henle, hg. von Martin Bente, München 1980, S. 375.
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„vorzüglichsten Meister desselben vereinigten“Regina Lang sang C. M. v. Webers Szene und Arie der Atalia (JV 121), Anton Flad spielte ein Concertino für Oboe, Georg Weixelbaum und Georg Mittermayer sangen ein Duett aus Simon Mayrs Ginevra, Ferdinand Fränzl und Joseph Moralt spielten ein Doppelkonzert von Christian Cannabich und Heinrich Baermann und Wilhelm Schönche spielten ein Concertante für zwei Klarinetten von Franz Tausch; vgl. Konzertzettel.
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„Konzert auf dem Fortepiano“C. M. v. Weber spielte in München die ersten beiden Sätze aus dem Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur (JV 98) zusammen mit dem dritten Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 2 Es-Dur (JV 155).
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„Phantasie auf dem … ein Thema ertheilte“C. M. v. Weber phantasierte auf Wunsch der bayerischen Königin über die Romance (Nr. 2) „À peine au sortir de l’enfance“ aus Joseph von Etienne Nicolas Méhul, ein Thema, über das er 1812 Variationen geschrieben hat (JV 141).