Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 15. Februar 1817

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Am 15. Februar: Griselda von Paer. Die heutige Aufführung dieser reizenden Oper war noch genußreicher als die neuliche. Jede größere Oper kann nur durch öftere Wiederholungen zur höchsten Vollendung gelangen, denn werden auch zuvor noch so viele und genaue Proben gehalten, so werden diese doch nur die regelmäßige Richtigkeit befördern, aber so durchdrungen von dem Gegenstand, wie bei dem hinreissenden Zauber der Darstellung können die Künstler bei ihnen nicht werden, eben so fühlen sich die Zuhörer auch bei aufeinanderfolgenden Wiederholungen immer tiefer und inniger in den Sinn des ganzen Kunstwerks hinein, und was erst nur oberflächlich ihrem Ohr schmeichelte, oder höchstens sie überraschte, spricht nun zu ihrem tiefsten Gemüth, was erst nur ihre Sinne berührte, wird nun zum Kunstgenuß, wo die Form uns eben so interessant wird als der Inhalt. Recht innig und schön ist es in dieser Oper wie in den beiden Momenten, wo Griselda am innigsten erschüttert ist und die rührendsten Worte ausspricht, nämlich im ersten Finale bei den Abschiedsworten: „ora udite i sensi estremi“ und im zweiten Finale bei ihrer Bitte für Doristella: „È bella, e vò sperare“ die Sängerin beidemal nur von dem pizzicato der Saiteninstrumente begleitet wird. Durch nichts konnte Griselda’s Beklommenheit treffender ausgedrückt seyn, und welche namenlose Würkung macht es, wenn das erstemal, wo dies treue, reiche Gemüth, indem es verstoßen wird, ewige Liebe gelobt, bei diesem: „vostra sempre“ die rührenden Waldhornklänge Echo gleich nachhallen, so wie zuletzt, wo dies liebvolle Herz nun eben brechen will, alle Töne in jenem beklommen pizzicato gänzlich verstummen, denn man fühlt, wäre hier nicht der Wendepunkt ihrer Leiden in selige Wonne, so würde Griselda selbst nun auf ewig verstummen. Auf sehr viele solche affektvolle Züge könnte man bei dieser Musik aufemrksam machen, so ist es z.B. köstlich, wie die Beschränktheit und das einfältig bäuerische Wesen des fröhlichen Alten gegen das überirdisch zarte und fromme Gefühl der Tochter kontrastirt, und wie glücklich selbst in der begleitenden Instrumentirung die Prosa des ehrlichen Giannucole sich durch Kleinigkeitsgeist, tändelndes Ausmalen und ein wichtiges Bahndeln des Aueßern so treffend ausspricht, da hingegen bei Griselda sich alles si ideal nur auf das Innerste und Heiligste richtet und kein Nebenbegriff vorherrscht. Recht komisch gibt Signor Benincasa den gutmüthigen Alten und sein Einfall heute den Gesang Griselda’s selbst mit seiner Sackpfeife zu begleiten, was passend und hübsch. Signora Sandrini hatte heute ihr Kostüm verändert; die Perlen im Haar waren passender als das Diadem, aber so geschmackvoll auch diese ganz weiße Kleidung war, so vermißte man doch ungern, daß sie nicht wie früher, die Farben ihres Gemahls trug, da zumal ein ächt italiänisches Kostüm wohl selten ganz farblos seyn wird.

C.

Apparat

Entstehung

Überlieferung

  • Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 46 (22. Februar 1817), Bl. 2v

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