Chronik der Königl. Schaubühne zu Dresden vom 21. Juni 1817
Am 21. Juni: Ferdinando Cordez, von Spontini. So kolossal, so glühend und phantastisch wie der Charakter des Welttheils, wohin sie uns versetzt, ist die Musik dieser Oper; es ist eine neue Welt der Töne, der Modulationen und der Harmonieen, in deren kühner Kraft wir jedesmal neue Schönheiten entdecken. Aber sie muß auch so beherrscht, mit dieser Energie und Sicherheit ausgeführt werden! Das Zusammenspiel bei dieser überaus schwierigen Oper war ganz einzig und vollendet, selbst die Chöre wurden mit seltner Precision, mit Ausdruck und Seele gegeben. Unser Benelli ist in dieser Heldenrolle ganz an seiner Stelle, er weiß Würde und Innigkeit schön zu verschmelzen und führt gleich die erste herrliche Scene mit eben so ächter Hoheit aus, als er in den Duo’s mit Amazily Gefühl mit Kraft in seinem stets durchdachten Vortrag vereint. Unsere seelenvolle Sandrini gab heute die Amazily ganz ausnehmend schön; jeder Ton wurde zur Idee und zur höhern Sprache des Gefühles; ganz besonders hinreißend zeigt sich dieß in ihrem himmlischen Vortrag der Recitative, von denen wir vorzüglich das erste, worin sie schildert, wie ihre Mutter ein Opfer des Götzendienstes wurde, und wo die tiefsten Schmerzenklänge mit der süßesten Begeisterung für den geliebten Helden und dessen Glauben verschmelzen, und das große Recitativ bemerken im zweiten Akt vor der Arie, nach welcher sie in die Fluthen springt. Ihre Stimme wurde bei dem Worte: splendor, selbst zur hellen Flamme, jeder Laut war Gefühl und Leidenschaft.
Eine Eigenthümlichkeit dieser Musik ist es, daß sich so oft darin zweierlei ganz verschiedene Tongänge, die selbst im Charakter kontrastiren, zu einem sinnigen Ganzen verweben, welches dann in kolossaler Fülle ergreifend wirkt. Es ist in frühern Beurtheilungen schon so viel über diese Musik gesagt worden und über den verschiedenen Charakter derselben in den 3 Akten, wo der erste als ächtes Heldengedicht begeistert, der zweite die zarten Gefühle seelenkundig entfaltet und der dritte in ernster religiöser Symbolik fast düster und schreckend erscheint, daß wir nichts hinzufügen wollen, als die Bemerkung: wie ist es möglich, daß ein Meister, wie Spontini, den großen Moment, wo Cortez zuletzt in den Götzentempel siegend eindringt, so ganz vernachlässigen konnte? Bei der Begeisterung, die übrigens durch’s Ganze weht, ist es äußerst unangenehm und störend, daß, wie durch Uebereilung, dieser Augenblick, wo das höchste Licht des Tongemäldes glänzen sollte, völlig unbenutzt bleibt. – Für die sehr gelungene heutige Aufführung allen Künstlern den herzlichsten Dank.
C.Apparat
Zusammenfassung
Aufführungsbericht Dresden: „Ferdinando Cordez“ von Spontini am 21. Juni 1817
Entstehung
–
Verantwortlichkeiten
- Übertragung
- Albrecht, Veit
Überlieferung
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Textzeuge: Abend-Zeitung, Jg. 1, Nr. 163 (9. Juli 1817), Bl. 2v