Friedrich August Schulze an August Apel in Leipzig
Dresden, Montag, 14. Dezember 1812

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Sie werden, mein theuerster Freund, Wunder denken, was für Papier ich seit Michael verdorben habe, damit die Buchdrucker nur noch mehr verderben, aber Sie irren sich. Nicht einmal diese schlechte Entschuldigung habe ich für mein langes Schweigen. Ich kann blos sagen, daß ich faul, stinkend faul gewesen und noch bin, und dieser Brief, der zweite den ich seit meiner Rückkehr von Leipzig, in Allem geschrieben habe, blos eine kleine Unterbrechung meiner Faulheit abgeben soll.      Schwerlich würde ich sogar bis zu ihm gekommen seyn, wenn mich nicht allzusehr verlangte, einmal von Ihnen etwas zu hören, von Ihrer lieben Familie. Es versteht sich daß ich die ordentliche, menschliche Familie | meine, denn von den Hunden mag ich nichts wissen.

Was machen Sie in diesem ganz honett anfangenden Winter? Fahren Sie fleißig zu Schlitten, oder hält die Literatur Sie im warmen Zimmer, oder was thun Sie sonst? Nur eins bitte ich Sie, geben Sie sich ja nicht mit den häßlichen Nervenfiebern ab, die in Leipzig jetzt mode seyn sollen; eine verwünschte Mode, die der dasige Rath eigentlich abstellen sollte, wenn er was gelernt hätte.

Auch mit den Schlitten aber, eben fällt mir’s ein, können Sie sich in Acht nehmen. Bei uns hier ist gestern vorm schwarzen Thore ein wirklich sehr trauriges Ereignis vorgekommen.      Der Doktor Ermel*, den Sie ja wohl kennen, | fährt seine Frau und Kind auf einem Rennschlitten. Bei ihrer Rückkehr kommt ihnen ein andrer Schlitten entgegen, welcher so heftig anfährt, daß der Ermelsche umstürzt, wobei das kleine allerliebste Mädchen von 7 Jahren, das einzige Kind, sich an einem Baume die Hirnschale zerschmettert und die Mutter, eine ganz vortreffliche Frau, der mit diesem Kinde fast alle Freude zu Grabe gegangen ist, selbst sehr verlezt wurde. — —

Unsre Hofnungen wegen der Veränderung des Direktoriums der Secondaschen Schauspielergesellschaft haben ein Ende mit Schrekken genommen. Die Unterhandlungen mit Bethmanns sind nicht nur völlig zerschlagen, sondern al|lem Anschein nach, bleibt Seconda, weil er behauptet, er darf sich niemand zu Kopfe wachsen lassen selbst Regisseur und die einzige Veränderung wird die seyn, daß er allen Schauspielern mehrere 100 rh. von ihrer Gage jährlich einzieht. Ich weiß nicht, ob eine so überaus vortreffliche Maasregel für die Theaterkasse die so gerechten Wünsche des Publikums eben so befriedigen wird. Weidner — welchem jährlich 300 rh. — — zu verlieren zugemuthet wurde — geht künftigen May nach Frankfurt. — —

Lassen Sie mich doch mein Theuerster, recht bald von sich etwas hören und behalten Sie ein wenig lieb überhauptIhrenalten Freund
Schulz.

Apparat

Zusammenfassung

außer persönlichen Mitteilungen, u. a. ein schrecklicher Schlittenunfall in der Stadt mit Tod eines Kindes spricht er über die Secondasche Schauspielgesellschaft, bei der nun doch Seconda Regisseur bleiben wird, Gespräche mit Bethmann verliefen erfolglos, ersterer hat nun beschlossen, den Schauspielern jährlich 100 Taler von ihrer Gage zur Finanzierungshilfe des Theaters abzuziehen. Der Schauspieler Weidner würde 300 Taler verlieren und geht nächste Spielzeit nach Frankfurt/M.

Incipit

Sie werden, mein theuerster Freund, Wunder denken

Verantwortlichkeiten

Übertragung
Eveline Bartlitz; Frank Ziegler

Überlieferung

  • Textzeuge: Ermlitz (D), Apelsche Kulturstiftung

    Quellenbeschreibung

    • 1 DBl. (4 b. S.)

    Provenienz

    • bis zur Rückübereignung 2003 in der Universitäts- und Landesbibliothek Halle, Ms 600 (710)
    • Ermlitz, Apelscher Familienbesitz (1945/46 im Rahmen der Bodenreform enteignet)

    Einzelstellenerläuterung

    • „… Ereignis vorgekommen. Der Doktor Ermel“Gerichtsdirektor Friedrich Christian Ermel (1773–1826), Advokat (Dr. jur.) in Dresden, verheiratet mit Henriette Marie Caroline, geb. Schmiseck.

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