Korrespondenz-Nachrichten Dresden vom 1. bis 9. Januar 1817

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Dresden. Die Oper, womit unser Theater imneuen Jahre eröffnet wurde, war il Turco in Italia von G. Rossini, und auf diese folgten la FamigliaSvizzera von Weigl, und le Nozze di Figaro von Mozart, von welchen wir unlängst gesprochen haben. Ob sich gleich über die Aufführung derselben, vorzüglich der mozartischen, noch Manches sagen liess,so wollen wir doch blos erwähnen, dass Hr. Benelli ¦ von neuem die Rolle des Grafen Almaviva spielte, die zuvor von Hrn. Bassi gespielt wurde.

Mit Beystand der königl. Kapelle gab am 28stenDec. 1816 Hr. Ignaz Moscheles, Compositeur beymk. k. Hoftheater in Wien, eine grosse musikal. Akademie im Saale des Hôtel de Pologne, in welcherfolgende Stücke aufgeführt wurden:

1. Ouverture in C dur, von I. Moscheles.2. Introduction und Concert-Polonoise für das Pianoforte, mit Orchester, in E dur, comp. und vorgetr. von demselben. 3. Arie in F dur von Mozart, ges.von Mad. Schüler-Biedenfeld. Sie sang sehr gut;hätte sie aber ihre Stimme nicht so sehr angestrengt und natürlicher gesungen, so wäre die Wirkungnoch vortheilhafter gewesen. 4. Doppel-Concert in C dur von Klengel, vorgetragen von Hrn. Klengel und Hrn. I. Moscheles. Zweyter Theil: 1. zwey neue, heroische Märsche mit Trios für das ganze Orchester, comp. von I. Moscheles. 2. Variationen für das Pianoforte, mit Begleit. des Orchesters, in F dur, comp. und vorgetragen von I. Moscheles. 3. Duett aus I Fuorusciti von Pär, ziemlich gut von Mad. Schüler-Biedenfeld und Hrn. Benincasa gesungen. 4. Freye Phantasie auf dem Pianoforte, vorgetragen von I. Moscheles. – Als Componist will sich Hr. Moscheles, wie wir fanden, von den andern Componisten entfernen, vielleicht umeine aufallende Originalität zu erringen; was eben jetzt, vorzüglich in so jugendlichem Alter, etwasschwer ist, wo nicht etwas, dann noch Unmögliches suchen heisst. Vielleicht erreicht er in der Folgeseinen Zweck; doch wünschen wir, dass, wenn er nach jenem Ziele strebt, er auch das nicht unbeachtetlasse, dass seine Musik gefalle. Darum möge er deutlicher im Style, sanfter in den Modulationen,nicht hart und ausschweifend, natürlicher, nicht so gesucht seyn; er möge seinen Ideen mehr Haltunggeben, sich weniger Freyheit gegen die Gesetze der Harmonie erlauben, die Theile nicht so sehr vervielfachen und endlich weniger Geräusch hineinbringen. Unter allen Stücken, die er uns hören liess, gefielen die Variationen am meisten, nicht sowol wegen der Composition, als wegen des schönen Vortrags auch des Schwierigsten, und wegen der erstaunenswerthen Behendigkeit seiner Finger. Er fand allgemeinen Beyfall. Mit jenen Ausstellungen wollen wir sein Verdienst nicht schmälern, und verkennen sein grosses Talent keineswegs: im Gegentheile ist unsre Absicht blos, ihm durch dies offene Geständnis inseiner Kunst nützlich zu werden. Als Spieler ist

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glänzt er sehr, und wir wiederholen nochmals, dass er durch Besiegung der grössten Schwierigkeitenüberrascht: allein Jedermann weiss auch, dass dies nur momentan, Haltung aber dauernd ist. Hrn. Klengels Concert wurde in Ansehung der Composition mit grossem Vergnügen gehört, und zwar eben darum, weil es mit mehr Klarheit, Haltung, Gesang, Leichtigkeit und Harmonie gesetzt ist. Das ganze Publicum freuete sich, diese beyden grossen Künstler vereinigt spielen zu hören, die übrigens in ihrem Vorzuge höchst verschieden sind, da Hr. Kl. sich vornämlich durch gehaltenes, ausgearbeitetes Spiel auszeichnet. Uns kam dieses Concert wie ein wahrer Probierstein für diese beyden Künstler vor. Der Saal war sehr mit Zuhörern angefüllt.

Am 9ten Jan. sang der Tenorist, Hr. Wild aus Wien, nach einem kleinen Schauspiel, Matthissons Adelaide, von Beethoven comp., mit blosser Pianoforte- Begleitung; und nach einem zweyten kleinen Lustspiel, eine Scene und Arie aus Agnese von Pär, mit Orchester-Begleitung. Um hier, wie immer, offenherzig und unparteyisch zu seyn, sagen wir, dass wir bey Hrn. W. eine, sowol in der Tiefe, als in der Höhe, starke, sonore Stimme, gefühl- und ausdruckvollen Vortrag, und eine gute Methode gefunden haben: dass aber die von ihm angebrachten und erfundenen Verzierungen nur gut angefangen, nicht vollendet waren. Das erste Stück war das beste: darin gefiel er auch. Seine sanfte Aussprache im Gesange, und seine Art, jede Sylbe deutlich hören zu lassen, sind seltene Vorzüge, die ihn von unsern übrigen deutschen Sängern, die meistens die letzten Sylben verschlucken und darum nicht verstanden werden, sehr auszeichnen. Seine italien. Arie hingegen that keine grosse Wirkung, erstlich, weil er den Text nicht gut aussprach, und zweytens, weilseine Stimme für dieses Stück nicht passt. Nach der grossen, von ihm vorgefassten Meynung, unter welcher er hierher kam, erwartete das Publicum mehr von ihm, als es hörte; vielleicht war Hrn. W. auchdie Wahl der Stücke nicht günstig, vielleicht Anderes: kurz, die Zuhörer schienen ziemlich kalt, undapplaudirten nicht sehr. Das kann uns allerdings nicht hindern, zu behaupten: Hr. W. ist ein guter,sogar ein so guter Tenorist, wie sie in Deutschland selten sind, und auch immer selten gewesen sind.

Apparat

Zusammenfassung

Aufführungsbericht Dresden Januar 1817 u. Konzerte von I. Moscheles / A. Klengel am 28. Dez. 1816 sowie Fr. Wild am 9. Jan. 1817

Entstehung

vor 5. Februar 1817

Überlieferung

  • Textzeuge: Allgemeine Musikalische Zeitung, Jg. 19, Nr. 6 (5. Februar 1817), Sp. 113–115

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